Ist ein Kodex des Presserats noch zeitgemäß?

Aber Du selbst formulierst doch schon die Meldung ohne Nennung der Ethnie und der Religion ausreichend ausführlich. Es wird deutlich, dass der Täter aus fanatischer, übersteigerter Religiösität gehandelt hat. Das ist der zu nennende Hintergrund.

Dabei ist es dann aus meiner Überzeugung völlig unwichtig, ob der Täter ein katholischer Bayer ist, dessen Frau Protestantin werden wollte; ein buddhistischer Philipino, dessen Frau Muslimin werden wollte oder ein muslimischer Tartar mit Abstammung aus Russland, dessen Frau sich katholisch taufen lassen wollte.

Wenn sich dann im Laufe der Ermittlung ergibt, dass der Täter durch die Tötung seiner Familie in einem Bürgerkrieg, gefolgt von der Flucht, durch sklavenartige Unterbringung in Nordafrika oder der Türkei traumatisiert wurde, kann man dieses Faktum immer noch nachschieben - wenn es denn fest steht. Wenn es denn die Gründe für dieses Verbrechen ausmachen. Im ersten Moment ist die Ethnie und die Religion des Bahnsteigmörders von Frankfurt aus meiner Sicht aber irrelevant.

Grüße
Pierre

Da stimme ich Dir voll zu und das auch noch, mit 2 Identitäten als Moderator und Normaluser!
Da sieht man mal wie wenig, angeblich liberal eingestellet Menschen in der Lage sind emotionslos Dialoge zu führen. ramses90

Aber verlangst du da nicht von Zeitungen etwas anderes zu sein als Zeitung?

Kein Mensch kauft so ein Blatt, wenn es Meldungen im Stil von „Mensch ermordete gestern Mensch (8) irgendwo in Frankfurt. Einzelheiten melden wir irgendwann, wenn die Ermittlungen etwas ergeben haben sollten.“

Wie beschreibt man einen Menschen denn mit 3-7 Attributen? Alter, Geschlecht, Aussehen, Herkunft, Beruf, Familienstand.
Mit diesen Angaben machen wir alle uns eben ein Bild von einem Menschen und fühlen uns ausreichend über das „Wer“ (von Wer hat wann was wo wem angetan) informiert, ob in der Belletristik, in Geschichtsbüchern oder eben auch in Zeitungsmeldungen. Ob das ermittlungsrelevant ist, ist doch dafür überhaupt nicht der entscheidende Punkt.

Damit will ich übrigens keineswegs leugnen, dass die Nennung der ethnischen Herkunft (in anderen Ländern auch der Hautfarbe) problematisch ist. Die Nichtnennung ist aber halt auch problematisch.

Gruß
F.

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Stimmt. Wenn man es so umschreiben würde, wäre es auch aus meiner Sicht okay. Nur spielt natürlich das Motiv eine Rolle. Und schon wüsste man wieder, dass er Mohammedaner, radikaler Amish oder fundamentaler Zeuge Jehova ist. Das ist ja durchaus auch relevant, um sich von einem Vorfall ein Bild zu machen.

Eben. Wenn man nun alles mit „schwarzen Balken“ versieht, zimmert sich jeder seine eigene Wahrheit zurecht.
Gruß
rakete

Aus meiner Sicht können wir uns mit den letztem 4 Attributen vor allem ein Vorurteil bilden, oder bereits bestehende Vorurteile pflegen.

Und genau das ist aus meiner Sicht ein Knackpunkt.

Wollen wir, dass Zeitungen informieren? Dann muss man bei dem Vergewaltiger aus Deinem Beispiel nicht darüber informieren wo der Mensch geboren wurde, ob er verheiratet ist, wie er aussieht und welchen Beruf er gelernt hat und/oder ausübt. Dann sollte man auch über alle Verbrechen der selben Art genau so intensiv berichten.

Oder wollen wir, dass die Zeitungen Meinungen machen? Dann muss man natürlich so viele persönliche Daten des Verdächtigen oder überführten Täter wie nur möglich offenlegen. Dann sollte man aber auch andere Verbrechen, der selben Art, die nicht in das zu schaffende Meinungsbild passen, entweder verschweigen, zumindest aber klein reden oder Informationen sparen.

Aus meiner Sicht sollte die erste Variante erstrebenswert sein. Leider erlebe ich, dass die zweite Variante die allgemein praktizierte ist. Hier wurde das Beispiel eines Bahnsteigschubsers in Frankfurt im Vergleich zu einem aus Jüterbog gebracht. Während über den einen sogar in der Tagesschau um 20:00 berichtet wurde, tauchte der andere nur in der Regionalpresse auf.

Mir stellt sich die Frage: cui bono?

Grüße
Pierre

Mit allen sechs genannten Attributen geht das gut.

Das kann ich, wenn ich dich richtig verstanden habe, nicht verstehen, weshalb du offenbar das reine Nennen von Grunddaten zur Person als „Meinung machen“ verstehst, und das Vorenthalten von eigentlich sich bekannten Informationen als „Informieren“.
Aus meiner Sicht ist es gerade anders herum.

Bei der Kritik stimme ich dir vollauf zu.

Gruß
F.

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