Ist eine Umleitung von Regenwasser sinnvoll?

Derzeit folgende Situation: Teile Deutschlands ersaufen im Regen und in Südeuropa brennen die Wälder. Meine Frage:
Wäre es in Zeiten des Klimawandels nicht eine Jahrhundertaufgabe, Regenwasser, das von den Böden nicht mehr aufgenommen werden kann mittels eines Kanal - bzw. Röhrensystems in die Trockenzonen des europäischen Kontinents umzuleiten? Ich meine, technisch müsste es mit einer länderübergreifenden Finanzierung machbar sein, vor allem weil auch in Zeiten des Klimawandels die „Rentabilität“ sekundär sein sollte. Unklar ist mir, ob das vom hydrologischen Standpunkt aus sinnvoll ist - würde das Wasser letztlich am Ausgangspunkt fehlen, selbst wenn es die Flüsse derzeit nicht abtransportieren können.

Hallo,
um Regenwasser zu bewegen, brauchst Du Energie und damit ereugst Du mehr Klimawandel. Heute ein kleiner Vorteil, morgen noch mehr Probleme.
Abgesehen von der Groesse des Bedarfs.
Oder soll das Wasser wie in Holland vor 200 Jahren mit Wind-Wasserschoepf-Muehlen bewegt werden? Mit Windstrom und Elektropumpen?

Hallo Gerhard!

Unabhängig von technischer Machbarkeit Deines Vorschlags: Es gibt zu trockene Jahre und solche mit überreichlich Niederschlägen. Das gesamte Ökosystem aus Böden, Gewässern, Tier- und Pflanzenwelt ist darauf eingerichtet, kommt damit zurecht. Von daher haben wir im längerfristigen Jahresmittel nicht zu viel Wasser. Mit dem dauerhaften Ableiten nennenswerter Mengen Wasser entstünde ein verändertes Ökosystem mit anderer Tier- und Pflanzenwelt, wobei wir davon ausgehen müssen, vorher nicht zu überblicken, was wir tun.

Gruß
Wolfgang

Das trifft aber doch auch auf Öl zu?

Ein guter Hinweis und es lohnt sich an dieser Stelle, das Augenmerk darauf zu richten, was Eingriffe in Ökosysteme ausmachen können.
In der Schule in den 70ern habe ich gelernt, dass die Russen daran dachten, den Jenissei umzuleiten.
Damals schien alles möglich.

Jeder, der einmal bei Gluthitze ein Beet gegossen hat, kann erahnen, dass es nicht viel hilft, einfach nur zu gießen.
Der gesamte Wasserkreislauf der Region müßte sich verändern UUUUUND der Mensch müsste davon abgehalten werden, jede Stabilisierung wieder zunichte zu machen.

Der Rand des Mittelmeeres wurde vor Jahrhunderten abgeholzt und ist immer noch kahl.

Wer helfen will, kann z.B. sowas unterstützen: https://desert-greening.com/home/
Das Wasser bleibt dann von allein in der Region.

Genau darauf wollte ich hinaus: bei Katastrophenlagen (Hochwasser imOderbruch und weniger dramatisch jetzt) das zerstörerische Wasser punktuell sinnvoll ableiten, keinesfalls regelmässig in’s Ökosystem eingreifen. Wasser begreifen als ein Gut wie Petroleum oder Gas und vorhandene Systeme nutzen bzw. da, wo nicht vorhanden, neue bauen die gemeinsam finanziert werden.

Was sind das denn? Mal von einer Wüste in Spanien abgesehen …

Falls es Ihnen entgangen sein sollte: in Südfrankreich (von der Côte d’Azur im Osten bis zu den Départements nahe den Pyrenäen), in ganz Italien und dem Balkan regnet es monatelang gar nicht. Hier in Spanien scheitern immer wieder Versuche, von Flüssen wie dem Ebro, Duero oder Guadalquivir Wasser in noch trockenere Gegenden zu transportieren. Die landwirtschaftlichen Betriebe haben mit ihren Einsprüchen immer Erfolg gehabt, denn richtig ist, dass die ganze iberische Halbinsel bei der jetzigen Entwicklung zur Steppe oder Wüste wird.

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Wasserwege in den Süden gibt es reichlich: die Saône mit ihren zahlreichen Nebenflüssen mündet in die Rhône, es gibt den Rhein - Rhône - Kanal. Ingenieure würden schon herausfinden wie die Lücken zwischen dem regenverwöhnten Nordeuropa und Spanien zu schliessen sind. Das alles ist vielleicht ein bisschen visionär, aber das Thema muss angepackt werden.

Hallo!

Genau das passiert. Der Streit darüber mit Landwirten und Flußanwohnern dauerte viele Jahre und dauert mancherorts bis heute an. Aber z. B. bei uns in den Elbtalauen klappt es schon ganz gut. Direkt hinter unserem Dorf beginnen die bis zur Elbe reichenden Überflutungsgebiete. Man fährt auf einer hoch gelegenen Straße kilometerweit durch überflutete Flächen, die das Wasser aufnehmen, das Flüsse und Bäche nicht schnell genug ableiten können. Sieht toll aus und ist für viele Tiere ein Paradies. An der Straße ein Mast mit Storchennest. Gerade gestern sah ich im Vorbeifahren 4 durchnässte Jungstörche. Das ist selten; dafür brauchts reichlich Futterangebot und das bieten die nassen Wiesen. Die Flächen taugen nur noch eingeschränkt für die Landwirtschaft, wurden größtenteils unter Naturschutz gestellt, aber Hochwasser von Elbe, Sude und vieler kleinerer Bäche kann zumindest hier keinen Schaden mehr anrichten. Na gut, fast keinen Schaden. In der Region leben immer noch einige Leute mit jetzt vermutlich abgesoffenen Kellern.

Wir müssen den Wasserläufen flächendeckend mehr Platz zubilligen, statt alles eng einzudeichen und dicht dran zu bauen. Dann gibt’s immer noch hier und da nasse Füße und matschige Äcker, aber das gehört nun mal zur Natur dazu. Die Erde ist eben nicht immer schön gleichmäßig klimatisiert wie ein Büro. Ganz sicher kommen auch wieder Jahre mit Gejammer über zu wenig Regen.

Gruß
Wolfgang

was mich interessieren würde:
wie würde diese „Jahrhundertaufgabe“ denn technisch genau (oder zumindest ungefähr) aussehen, wenn nur das überschüssige Regenwasser abgeleitet werden soll?
Ein paar Regentonnen aufstellen?
Die Rigole und Oberflächenentwässerungssysteme von den Straßen anzapfen?
Leitungen von Flüssen und Seen legen?

Jahrhundertprojekt hin oder her - technisch wird das sicher spannend…
vielleicht legen wir gleich noch ein Förderband neben den Leitungen für die Lebensmittel die wir wegwerfen und in anderen Ländern dringend benötigt werden ^^

Prinzipiell haben Sie es schon gesagt: Flüsse, Seen und Stauseen anzapfen. Aber falls ein solches Projekt jemals angestossen würde bin ich sicher, Ingenieurteams fänden weitere Lösungen. Man kann sich sicher auf den Standpunkt stellen: „Die (Italiener, Spanier, Franzosen etc.) haben ihre Küsten zubetoniert (und lange davor abgeholzt), jetzt sollen sie sehen, wie sie zurecht kommen“, aber ich meine, das ist zu kurz gedacht. Selbst wenn die Fehler national waren, muss man global denken.

Hallo Gerhard!

Schuldzuweisungen helfen nicht weiter, gebraucht werden Lösungen - tunlichst unter Vermeidung von Scheinlösungen, die mit viel Aktionismus an den Ursachen des Problems nichts ändern. Wo abgeholzt, Feuchtigkeit speichernde, fruchtbare Schichten im Laufe von Generationen weggespült und Wüste hinterlassen wurde, fehlt es nicht nur am Wasser. Auf totem Mineral wird nicht viel wachsen und Wasser nicht gespeichert.

In betroffenen Regionen gibt es i. d. R. Energie im Überfluss, nämlich Sonnenenergie. Auch Wasser gibt’s reichlich, nämlich Meerwasser. Ist salzig und Entsalzung erfordert Energie, die vorhanden und inzwischen wirtschaftlich sinnvoll nutzbar ist. Außerdem braucht’s Fachleute, die sich darauf verstehen, auf toten Böden zusammen mit Wasser erste Kulturen anzulegen, deren Biomasse geeignet ist, mit viel Geduld eine fruchtbare Humusschicht entstehen zu lassen. Mit geeigneter Bepflanzung muss für Windschutz gesorgt werden, um die fruchtbaren Schichten nicht wieder davon wehen zu lassen. Dazu gehört auch Aufforstung. Rund ums Mittelmeer gibt es Beispiele, wie man so etwas zustande bringt. Es gibt aber auch z. B. in Mecklenburg Beispiele, wie man mit größtmöglicher Ignoranz vorgeht. Zu DDR-Zeiten wurden Knicks entfernt (Knick ist die Bezeichnung für Reihen aus dichten Gehölzen, die bodenabtragende Verwehungen verhindern), um maschinell günstig zu bearbeitende, riesige landwirtschaftliche Flächen zu erhalten. In der Folge kommt es in der ausgeräumten flachen Landschaft bei Trockenheit zu Sandstürmen. An die Öffentlichkeit kommen die Folgen erst bei spektakulären Ereignissen, etwa vor ein paar Jahren ein Massenunfall mit Todesopfern auf der Autobahn nach Rostock, als etliche Autos in einem Sandsturm kollidierten https://www.svz.de/regionales/mecklenburg-vorpommern/wenn-der-sandsturm-die-sicht-nimmt-id13186011.html .

In etlichen Regionen Deutschlands haben wir mit den Folgen von Unkenntnis, Ignoranz und Gier früherer Generationen zu tun, wobei es mit der Lernbereitschaft vielerorts bis heute nicht weit her ist. Immer noch werden Berghänge gerodet, weil Tourismusfritzen gar nicht genug Skipisten und Hotels haben können. Hinterher wundert man sich, wie es zu Bergrutschen und Überschwemmungen kommen konnte.

Das Problem ist in jeder Region mit einem Gesamtkonzept unter Beteiligung von Agrarfachleuten, Wasserbauern, Verfahrenstechnikern für Meerwasserentsalzung u. v. m. zu bearbeiten. Wasser gehört dazu, aber gewiss nicht mit Lösungen, die Eingriffe mit unabsehbaren Folgen für die Ökologie anderer Regionen beinhalten.

Ach ja: Eine Ursache von Problemen ist unkritische Technikgläubigkeit, besonders fatal in der Kombination mit Unkenntnis/Ignoranz von Zusammenhängen in der Natur und kurzfristigen wirtschaftlichen Interessen.

Gruß
Wolfgang

Danke, Wolfgang, ein in vieler Hinsicht zum Nachdenken anregender Kommentar. Natürlich muss ein solches Problem Fachbereiche übergreifend angegangen werden. In Frankreich sind durch die Brände 40.000 ha Biomasse vernichtet worden, die nun der Wasser - Rückgewinnung durch den natürlichen Zyklus nicht mehr zur Verfügung stehen. Also, Wasser allein heranbringen ist nicht ausreichend, parallel dazu müsste eine langfristig angelegte Bodenbewirtschaftung einhergehen. Ich hatte gehofft, mit meiner Frage konkrete Antworten von Hydrologen und Ingenieuren zu erhalten. Den Aspekt, ob durch die Entnahme am Ursprungsort des Wasser - Überflusses das System in sich geschädigt würde, hatte ich angesprochen und um Erklärung gebeten.

Hallo Gerhard!

Wo gibt es zu viel Wasser? In D jedenfalls nicht - trotz gelegentlicher Überschwemmungen. Es gibt auch viel zu trockene Jahre.

Der Verlust an fruchtbaren Böden und die Ausbreitung von Wüsten ist in vielen Regionen der Erde ein Problem. Deshalb gibt es vielerorts Anstrengungen, dem entgegen zu wirken, siehe z. B. dieser Bericht: http://www.wiwo.de/technologie/green/living/ausbreitung-der-wueste-pionierprojekte-zeigen-wie-sie-sich-aufhalten-laesst/13549084.html . Im Netz findest Du viele Artikel zum Thema. Statt riesiger Projekte mit unüberschaubaren Folgen laufen die Lösungsansätze darauf hinaus, mit den Möglichkeiten am Ort des Problems zur Lösung zu kommen. Allen Projekten ist gemeinsam, dass man auf der Zeitachse in Generationen denken muss.

Nebenbei: Wer wissen will, was geharnischter Protest und entschlossener Widerstand ist, sollte in D Ansinnen publizieren, dauerhaft größere Mengen Wasser abzuzweigen. Solches Vorhaben ist weder umweltverträglich noch durchsetzbar.

Gruß
Wolfgang