Hi,
ich stimme den Grundprinzipien, die du benennst und ausführst, voll umfänglich zu, aber ich habe daraus interessanterweise ganz andere Schlussfolgerungen wie du gezogen. Deshalb fände ich es spannend, sie den deinigen gegenüberzustellen (ob meine Ausführungen von philosophischer Tiefe gesprägt sind, wage ich jedoch ernsthaft zu bezweifeln
).
Wer keine Kinder hat (oder keine sehr enge Beziehung zu
Kindern durch Gesschwisterkinder oder durch jemanden, der ein
Kind mit in die Partnerschaft bringt), dem geht ein Stück
Bewusstsein verloren, welches eine Bereicherung für die
Gesellschaft ist: Verantwortung, Achtsamkeit, an Morgen denken
(schließt auch den Umweltgedanken mit ein) und bedingungslose
Liebe.
Ich habe keine eigenen Kinder - das stand für mich von Anfang an fest - und zwar nicht, weil ich Kinder nicht schätzen würde. Ganz im Gegenteil: gerade weil ich sie so sehr mag, könnte ich keines auf diese Welt setzen. Die Lebensverhältnisse müssten sich erst einmal radikal ändern, damit ich dies überhaupt in Betracht ziehen würde.
Da das Kinderkriegen für mich also nicht in Frage kommt, kümmere ich mich um die, die schon da sind. Bei meiner nebenberuflichen Arbeit in einem offenen Kinder- und Jugendtreff darf ich sehr oft erleben, wie „bedingungslos“ die Liebe in den Familien tatsächlich ist und wie wenig die meisten Eltern die Verantwortung für ihre Kinder mit Liebe und Leben zu füllen wissen. Die meisten von ihnen verwechseln ihre Kinder leider mit funktionstüchtigen Maschinen und/oder Puppen, deren Fäden sie ziehen dürfen, ohne auf die Interessen und Neigungen der Kinder selbst zu achten, geschweigedenn sie für voll zu nehmen. Von der Abrichtung in der Schule brauchen wir gar nicht erst anzufangen. Diesen Kindern die Freude am Lernen zurückzugeben, ist fast ein Ding der Unmöglichkeit, aber es geht.
All diese Erfahrungen mit den Kids und den gesellschaftlich produzierten Anforderungen an sie, den daraus resultierenden Sorgen, Nöten und Versagungsängsten haben mich nur in meiner Ablehnungshaltung bestärkt, Kinder auf diese Welt zu setzen, weil das hier eben einfach kein Umfeld ist, in dem sich ein Mensch frei entwickeln und zu einem mündigen und verantwortungsbewussten Wesen heranreifen darf. Es geht um Anpassung und Funktionstüchtigkeit um jeden Preis. Und daran kann und will ich mich schlicht nicht beteiligen und ihnen auch noch meine Kinder zum Fraß vorwerfen.
Ich will nicht ausschließen, dass Menschen ohne Kinder auch
diese Tugenden haben können, aber ich vermute sie in der
Minderheit. Ebenso schließe ich nicht die Eltern aus, die
diese Tugenden nicht erleben.
Auf diese Aussagen können wir uns wohl einigen. Das sollte dir aber schon zu denken geben, ob diese Tugenden tatsächlich daher rühren, ob Kinder vorhanden sind oder nicht. Ich glaube, die Quelle sprudelt an einer anderen Stelle.
Es gibt etwas, was sich in unserer Gesellschaft
davonschleicht und dass ist sich selbst nicht so wichtig zu
nehmen und das Gefühl der Dankbarkeit. Beides mögen die
meisten, die Kinder haben kennen.
Ernsthaft: so häufig, wie ich es erlebe, wie Eltern ihre Kinder grundlos anschnauzen, so sehr bezweifele ich, dass diesen Eltern das Gefühl der Dankbarkeit für ihr Geschenk wirklich bewusst ist.
Nochmals: dass du das so siehst, wie du es siehst, ist toll, aber keinesfalls auf alle Eltern übertragbar. Dankbar zu sein, Liebe zu empfinden, sich selbst nicht so wichtig zu nehmen, Verantwortung zu übernehmen, geht nicht zwangsläufig damit einher, Kinder in die Welt zu setzen. Manchmal stehen die Prinzipien dem Kinderkriegen auch genau entgegen, wie du vielleicht an meinen Ausführungen bemerkt hast.
Wenn Du Intelligenz mit Akademiker gleichsetzt, dann mag es
daran liegen, dass sie sich ihr Leben gestrickt haben und ihre
Energie in ihre Karriere und die Selbstbestimmung gesetzt
haben. Sie können und wollen sich nicht vorstellen etwas davon
abgeben zu wollen.
… oh, ich teile sie sehr gern mit den Kids. Aber ich kann trotzdem nicht guten Gewissens ein Kind in die Welt sezten, denn auf ihre Frage, wie ich ihm das antun könnte, weiß ich keine Antwort (und sag nicht, dass ein Kind das nicht fragt. Ich habe meine Eltern diese Frage mit 12 Jahren gestellt und ihre Antwort hat mich nicht zufrieden gestellt).
Gruß
menschine