Zunächst: Diese Formulierung ist nicht korrekt. Sie ist so nicht formuliert worden im !. Buch der Elemente („Stoicheia“) des Euklid und wird so auch nicht in der modernen axiomatischen Geometrie (nach Hilbert) formuliert. Der Lehrsatz 32 in Buch I der Stoicheia lautet vielmehr „Der Außenwinkel eines Dreiecks ist die Summer der beiden nicht anliegenden Innenwinkel. Die Summe der drei Winkel ist gleich zwei rechten (Winkeln)“ Unter der Voraussetzung des Parallelenaxioms (Stufenwinkelsatz), das damals allerdings noch nocht präzise Formuliert war, sind diese beiden Sätze synonym.
Der Ausdruck „rechter Winkel“ ist nämlich allein eindeutig definiert in den Axiomen, und er ist unabhängig von einer - eh nur per conventionem bestimmten - Winkelmaßeinheit. Somit sind schonmal die Argumente in diesem Thread betreffend der Gradeinteilung völlig irrelevant und abwegig für die Fragestellung.
Weiter fehlt entscheidend in deiner Formulierung: „… eines Dreiecks in einer euklidischen Ebene.“ Denn es gibt andere Geometrien, in denen sehr wohl die Winkelsumme sowohl kleiner als auch größér als zwei Rechte sein kann. Und zwar ohne auf einem Widerspruch zu beruhen.
Der „Beweis“ des Winkelsummensatzes besteht derweil in der Ableitung aus den (euklidischen) Axiomen und Postulaten. Daher ist er auch zu erweitern mit „für alle Dreiecke gilt …“, was wiederum gleichbedeutend ist mit „es gibt kein Dreieck in einer euklidischen Ebene, in dem das anders ist.“ Denn zu behaupten, es gebe ein solches Dreieck, würde bedeuten, einen Widerspruch zu behaupten.
Das Gleiche gilt dann übrigens für den, der die Frage stellt (nachdem er den Beweis verstanden hat), ob es möglich sei, daß ein (euklidisches) Dreieck existieren könne, bei dem die Winkelsumme ungleich zwei Rechten ist. Da die Frage ist ja nur sinnvoll, wenn er beide Antwortmöglichkeiten: „ja“ und „nein“ präsupponiert. Damit präsupponiert er in der Frage, daß etwas Widersprüchliches sein könne. Aber die aristotelischen Widerspruchssätze:
- Etwas kann nicht zugleich so sein und nicht so sein
(Ausschluß des Widerspruchs)
- Etwas kann nur so sein oder nicht so sein, ein drittes ist ausgeschlossen
(tertium non datur)
sind Seins-Kriterien! Und nicht nur Kriterien für sinnvolle und nicht-sinnvolle Rede (Aristoteles, Metaphysik 1006a10 ff). Widerspruchsfreiheit von etwas ist also eine Bedingung dafür, daß dieses etwas ist bzw. sein kann. Umgekehrt: Wenn etwas Widersprüchliches sein kann, dann gilt das entscheidende Seins-Kriterium nicht, und das bedeutet, daß nichts sein kann.
Wenn sich also jemand überhaupt auf die Frage einläßt, ob etwa Widersprüchliches sein könne oder nicht, also ob eine solche Frage mit „ja“ oder „nein“ zu beantworten sei, stellt den Widerspruchssatz in Frage, und verläßt damit die Grundlagen rationalen Denkens.
Und in allen, recht unterschiedlichen Varianten solcher Allmachtsparadoxien (es wurde ein Überblicksartikel dazu bereits gepostet) geht es daher allein um die Frage: Kann eine weltschöpferische (genauer: alles Seiende zum Sein bringende) Instanz (irrelevant ob es sich dabei um eine christliche Gotteskonzeption handelt oder irgendeine andere), der attribuiert wird, alles tun zu „können“ (= alles „seiend machen“ zu können) etwas seiend machen, das zugleich nicht sein kann (etwas Widrüchliches ist ja ein Kriterium für „nicht-seiend“). Weil das aber eine autoreferentielle Formulierung ist, die, wie alle Selbstbezüglichkeiten, zu logischen Paradoxien führen können (klassisches Beispiel in dem Satz „Dieser Satz ist falsch“), ist auch dies eine solche. Logische Paradoxien sind aber per def. nicht auflösbar: Sie unterliegen nicht einer wahr/falsch (oder ja/nein) Disjunktion.
So auch das historisch älteste Beispiel einer solchen Formulierung in diesem Kontext von Pseudo-Dionysios Areopagita „Kann Gott sich selbst leugnen?“ (5. Jhdt., in der Schrift „De mystica theologia“, hierin ist der Begriff „Gott“ als Inbegriff von „Sein“ überhaupt vorausgesetzt).
Alle diese Formulierungen (die mit dem nichthebbaren Stein ist eine klassische Variante) haben also gar nicht den Zweck, die Allmacht eines jeweiligen Schöpfergottes in Frage zu stellen. Und sie erwarten auch gar keine Antwort, da sie ja, wie oben gezeigt, das rationale Denken in Frage stellen würden und somit jegliche Antwort irrational wäre. Sie hinterfragen vielmehr die Sinnhaftigkeit des Begriffs „allmächtig“. Also ganz analog damit, daß sie sog. „Gottesbeweise“ nicht die Absicht hatten, die „Existenz Gottes“ zu beweisen, sondern vielmehr die Möglichkeiten und mögliche Grenzen des rationalen Denkens auszuloten.
Gruß
Metapher