Hallo Xaver,
einen Wein anhand des Etiketts zu analysieren hat immer etwas von Kaffeesatzleserei, kann aber durchaus spannend sein. Dabei macht selbstverständlich 90% des Spasses die anschließende Verkostung aus, die zeigt, ob man richtig gelegen hat.
abfüller: heinrich maximilian pallhuber einkellerei gmbh D-6536 langenlonsheim
Zunächst: Pallhuber - da dürfte schon das größte Problem liegen. Die Bezeichnung ‚Abfüller‘ wird bei Pallhuber gelegentlich gerne mit einem Augenzwinkern benutzt, da diese Firma regelmäßig mit einem Stab redegewandter (um nicht zu sagen: aufdringlicher) Verkäufer auf Messen präsent ist, wo potentielle Kunden schon mal ‚unverbindlich‘ aber idR umsatzfördernd ‚abgefüllt‘ werden.
Kleine Geschichte aus dem Nähkästchen - ich hatte an einem solchen Messestand (Mannemer Maimess) einmal interessehalber einen Weisswein aus dem französischen Jura verkostet (Pallhuber vertreibt auch ausländische Weine) und war über die deutlichen Sherrynoten erstaunt. Ein Blick auf die Flaschenbatterie am Nachbartisch ließ mich u.a. eine Flasche Sherry entdecken, woraufhin ich um ein anderes Probierglas bat. Und richtig - die ‚Sherrynoten‘ entpuppten sich als ungespültes Probierglas eines unbekannten Vorgängers. Da wendet sich der Gast mit Grausen …
Sicher ist nicht alles schlecht, was Pallhuber verkauft - jedenfalls aber handelt es sich bei Deinem Wein um keine Erzeugerabfüllung, was keinen wirklich großen Wein erwarten lässt. Vielmehr dürfte es sich um einen Wein handeln, der vom Erzeuger über das Fass vermarktet wurde, also eher Massenware. Darauf lässt auch die
Amtliche Prüfungsnummer 4 907 222 1392
schließen. Der letzten Zifferngruppe ist zu entnehmen, dass es sich um die Partie Nr. 13 handelt, die im Jahr 1992(!) von Pallhuber zur Prüfung vorgestellt wurde. Das ist eher ungewöhnlich - es ist zu vermuten, dass dieser Wein tatsächlich auch erst 1992 abgefüllt (auf Flaschen gezogen) wurde. Längerer Fassausbau als Grund ist sicherlich auszuschließen - eher, dass es sich um Massenware handelt, die zur Abfüllung auf freie Kapazitäten warten musste. Kein gutes Zeichen.
1989er Rheinhessen
Guter, wenn auch kein großer Jahrgang - allerdings nicht so gut wie der 88er und der 90er. Wenn es sich ansonsten um einen handwerklich gut gemachten, edelsüßen Wein handelt, der sachgerecht gelagert wurde, dürfte er jetzt und auch noch nächstes Jahr optimale Trinkreife haben.
Alsheimer Rheinblick
Schöne Lage mit tief in den Löß eingegrabenen Hohlwegen - ich kenne die Ecke von etlichen Mountainbiketouren. Alsheim liegt an der Rheinfront und hat gute Lagen, die allerdings mit den Spitzenlagen um Oppenheim, Nierstein und Nackenheim nicht ganz konkurrieren können. Allerdings ist der Rheinblick keine der besseren Einzellagen Alsheims, sondern eine Großlage - auch ein Indiz, das eher mittelmäßige Qualität erwarten lässt.
Kanzler u. Ortega Auslese
Rebsorten und Prädikat lassen deutlich auf einen edelsüßen Wein schließen. Die Cuvée ist ungewöhnlich aber nicht abwegig. Kanzler ist eine Rebe mit mittleren Lageansprüchen (eigentlich ist nur auf Frostgefährdung zu achten) und hohem Mostgewicht (85°-95° Oechsle) sowie fülligem, ‚stoffigem‘ Aroma. Ortega ist eine frühreife Rebe mit vergleichbar hohem Mostgewicht (oft 100° Oechsle), ebenfalls mit voluminösem, pfirsichartigem Aroma. Einen schlanken, spritzigen, eleganten Wein kann man da nicht erwarten - aber einen edelsüßen Dessertwein.
9,0%vol
Zumal die Gärung offensichtlich frühzeitig abgestoppt wurde. Interessant für eine Geschmacksprognose wäre hier natürlich der Restzuckergehalt und noch interessanter die Restsäure - ohne ausreichende Säure ist nur ein flacher, klebrig-süßer Wein zu erwarten. Der Restsäuregehalt ist wegen der unbekannten anteiligen Zusammensetzung der Cuvée (wieviel Kanzler, wieviel Ortega) kaum abzuschätzen - Kanzler hat idR ordentliche Werte um 10 g/l (Riesling typisch um 12,5), Ortega lediglich um 6 g/l (was sie auch als Tafeltraube geeignet macht). Die zu erwartende hohe Restsüße macht es wahrscheinlich, dass der Wein die Lagerung gut überstanden hat - der schwachbrüstige Alkoholgehalt spricht allerdings wieder dagegen. Wenn der Wein dunkel, kühl und liegend gelagert wurde, sollte er eigentlich trinkbar sein - vorausgesetzt, der Korken ist noch in Ordnung. Eine Geschmacksoffenbarung würde ich allerdings nicht erwarten und „wertvoll“ im Sinne eines hohen Marktwertes ist der Wein aus den oben genannten Gründen sicher nicht.
Freundliche Grüße,
Ralf