Ist unser Rechtssystem hier vom Kurs abgekommen?

Die Relation ist nun mal keine absolute. Das kann in der Praxis aufgrund der Vielzahl der zu berücksichtigenden Parameter nicht funktionieren. Daher geht das Strafrecht ja auch von Strafrahmen und nicht von fixen Strafen aus. Und die Übergänge der einzelnen Delikte können bei unterschiedlicher Auslegung bestimmter Aspekte durchaus fließend sein. Nur in einer gelenkten Justiz (die wir aufgrund schlechter Erfahrungen nicht wirklich wieder in Erwägung ziehen sollten), kommt man dahin, dass man Meinungsstreit verbietet, komplexe Sachverhalte auf 1, 2, oder 3 Merkmale reduziert, und darüber eine dann vordergründig „stimmige“ Positionierung von Taten auf einer Skala hinbekommt.

Insoweit ist es zwar vielleicht auf den ersten Blick unbefriedigend, wenn Delikte aufgrund diverser jeweils individuell zu betrachtender Einzelaspekte einer unterschiedlichen Bewertung unterfallen, sollte man aber auch nicht vergessen, dass es einen Instanzenzug gibt, und die Dinge letztendlich schon weit überwiegend in einem angemessenen Rahmen zu einem finalen Urteil kommen, bei dem dann auch diese Aspekte jeweils ihren „Korridor“ finden.

Was das Autorennen angeht, so geht es mir - wie eigentlich regelmäßig - gar nicht um ein grundsätzliches „zu streng“ oder „zu lasch“, als vielmehr um die Auseinandersetzung mit dem Einzelaspekt „bedingter Vorsatz“, den ich (und viele andere Juristen) hier als nicht erfüllt ansehe. Dass dies dann am Ende zu einer anderen, und in diesem Fall milderen Strafe geführt hätte, wäre nur eine Konsequenz aus dieser anderen - in meinen Augen passenderen - Auslegung dieses Einzelaspektes gewesen. Und genau da setzt eben meine Kritik an, dass in der Laiensicht gerne die hohe Strafe das Ziel sein soll, und nicht die richtige Rechtsauslegung und -Anwendung.

Die Paragraphen 20 und 21 des StGB gelten auch für Autofahrer.

Laie hin oder her, aber falls Du auf meinen UP anspielst sei gesagt, dass ich eine Anklage mit geringerem Strafmaß „vorgeschlagen“ hatte.

Es geht nicht um das Strafmaß, sondern um die „Bewertung“.

Aber ansonsten sind Deine Ausführungen hier sehr „erhellend“ (für mich).

Danke dafür.

Woher weißt du das? Nur weil es der Angeklagte sagt?

Definitiv wissen kann man es natürlich nicht. Aber man kann es auch nicht mit hinreichender Gewissheit unterstellen. Das kann man bspw., wenn jemand in der Nacht ein Haus anzündet und er davon ausgehen muss oder weiss, dass dort Personen schlafen.

Wiz und ich haben bereits darauf hingewiesen, dass Treppenstürze nur sehr selten zum Tode führen. Hätte der Angeklagte die Frau bspw. vom Dach eines fünfstöckigen Hauses getreten, wäre wohl auch Anklage wg. Mordversuch erhoben worden.

Gruß
vdmaster

Umgekehrt wird ein Schuh draus:
Das Gericht muss Tötungsabsicht nachweisen bzw. davon überzeugt sein.
Also nicht, weil der Angeklagte sagt, er habe keine sondern weil der StA die Absicht nicht nachweisen konnte.

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Nein, ich hatte Dich damit nicht direkt gemeint. Das ist ein eher allgemeines Thema. D.h. es passiert irgendetwas, das in der Öffentlichkeit als besonders schlimm wahrgenommen wird. Und dann sucht man sich die noch irgendwie annähernd passend erscheinende Strafvorschrift mit dem höchsten Strafrahmen, und bezeichnet den Lebenssachverhalt dann entsprechend.

Folgt dann der Hinweis von Leuten mit etwas juristischen Hintergrund, dass diese Norm nicht einschlägig ist, weil bestimmte Tatbestandsmerkmale fehlen, dann wird eben wild argumentiert um dieses Tatbestandsmerkmal dann doch noch als verwirklicht ansehen zu können (gerne im kompletten Widerspruch zu aller Rechtsprechung und Literatur, …), nur um nicht die Anwendbarkeit dieser möglichst hoch mit Strafe bewehrten Vorschrift auszuschließen. Vollkommen unbeeindruckt davon, dass der Lebenssachverhalt ggf. 1A ein Standardfall für die Anwendung einer anderen Strafvorschrift wäre. D.h. die über Jahrzehnte gewachsene Differenzierung des Rechts wird vollkommen aufgegeben, nur um im Einzelfall eine möglichst massive Bestrafung erreichen zu wollen.

So wird dann eben mal schnell aus der Körperverletzung mit Todesfolge oder der fahrlässigen Tötung ein Mord, weil man gerne ein Urteil „lebenslang“ hören will. Und dies gibt es auch da, wo es überhaupt um die Frage einer Strafbarkeit geht. Wenn man sich z.B. anhört, was alles angeblich ein Betrug sein soll, … Dabei ist § 263 Abs. 1 StGB mE auch für den juristischen Laien zumindest in den Grundzügen durchaus verständlich. Man müsste ihn halt nur lesen :wink: und verstehen (wollen).