Du schreibst das so, als sei das ein aktiv gesteuerter Prozess, was eben nicht der Fall ist. Natürlich ist das kein erfreulicher Vorgang, aber es ist eben kein Prozess, bei dem man die Menschen aufgrund ihrer Herkunft aktiv und gezielt anders behandelt als „Ureinwohner“, was ein rassistisches Element hat.
Davon abgesehen - also davon, dass man Menschen nicht dort wohnen lässt, wo sie wollen - lautet die Botschaft nämlich: „wir können bzw. wollen Dich dort nicht wohnen lassen, weil dort schon so viele Deinesgleichen wohnen, dass es Probleme gibt, wenn wir dort noch mehr wohnen lassen“.
Niemand käme auf den Gedanken, „Ureinwohner“ mit niedrigem Einkommen/Sozialstatus und schlechter sozialer und wirtschaftlicher Prognose umzusiedeln, wenn deren Dichte oder Anteil ein gewisses Maß übersteigt. Dennoch wäre diese Vorgehensweise richtiger als die vorherige, weil es eben nicht um die Herkunft geht, sondern um die soziale und wirtschaftliche Perspektive, die am Ende die Probleme bereitet.
Natürlich ist die Schnittmenge zwischen „schlechte wirtschaftliche und soziale Perspektiven“ und „kommt irgendwoher, wo die Leute anders aussehen (außer Ostasiaten, die sind OK)“ ziemlich groß, aber das liegt eben nicht an der Herkunft der Menschen oder an deren Glauben oder Sozialisierung usw., sondern daran, dass sie es sind, die einen schlechten Ausbildungsstand haben und deswegen schlecht bezahlte Berufe ausüben oder eben gar keine.
Vor 50 Jahren waren das weder in Deutschland noch in Dänemark in Frankreich mehrheitlich oder zu einem großen Teil „Ausländer“, sondern diese schlechtbezahlten Berufe wurden von Einheimischen ausgeübt, die ihrerseits auch wieder in bestimmten Stadtteilen wohnten, die bekannt für unsichere Ecken, Krawalle und Kriminalität waren. Nur waren die Gruppen „arm“ und „reich“ damals eben noch nicht durch Haut- und Haarfarbe und allgemeine Physiognomie von weitem zu unterscheiden.
Und genau das ist das rassistische Element: es wird ignoriert, woher das Problem kommt, das man eigentlich bekämpfen will (schlechte Ausbildung usw.), sondern es wird den Menschen zugeordnet (bzw. ihrer Herkunft).
Hinzu kommt, dass diese rassistische Haltung dazu führt, dass sich das Klischee bewahrheitet. Menschen, die oder deren Vorfahren aus Afrika oder dem Nahen und Mittleren Osten stammen, werden in allen wichtigen Lebensbereichen benachteiligt, weil sie dorther stammen bzw. so aussehen: Schule, Schulempfehlung, Bewerbungen, Wohnungssuche, Partnerwahl. Das verstärkt natürlich den Effekt, dass Menschen je nach Herkunft ganz andere soziale und wirtschaftliche Perspektiven haben als solche, die irgendwie „einheimischer“ aussehen.
Ich erwarte gar nicht, dass Du das alles verstehst, aber das ist der wichtige Aspekt, den ich hier klarstellen und den ich Deinem Bruder im Geiste auch schon vermitteln wollte. Ein Aspekt, den auch eigentlich jeder versteht, der seine Meinung mal für einen Moment außen vorlässt und sich mit der Realität und den dort wirkenden Zusammenhängen befasst. „Interessanterweise“ werden die rassistischen Klischees hier gerade von den beiden Personen vertreten, die in der Vergangenheit so ganz und gar dadurch nicht aufgefallen sind, dass sie das besonders gut beherrschen.