Hallo meret.möchte.eine.Antwort!
Ich habe durch Zufall Deine Frage gesehen und dazu auch die Antworten gelesen. Mir fiel auf, dass so richtig konkret niemand geantwortet hat. Daher schreibe ich diese Antwort, obwohl Deine Frage schon etwas älter ist.
Die Antwort lautet ganz klar: Einzelvögel!
Dabei ist es völlig uninteressant, ob nun Habicht, Sperber, irgendein Falke, Adler oder Bussard. Alle jagen bevorzugt auf Einzelvögel.
Der Grund dafür ist leicht verständlich: Es kann nur ein einzelner Vogel erlegt werden!
Damit komme ich auch gleich zu den Vor- und Nachteilen. Wenn man nur ein einzelnes Individuum erbeuten will, konzentriert sich ein Beutegreifer auch immer nur auf ein Individuum, auf das er nahezu seine ganze Energie verwendet. Ein Einzelvogel ermöglicht einem Beutegreifer, wie dem Habicht, dass er sich voll und ganz auf dieses Individuum konzentrieren kann. Ein Nachteil bei der Jagd auf Einzelvögel gibt es nicht, denn um im Gegensatz zu einem Nachteil einen Vorteil bei der Jagd auf eine ganze Gruppe zu haben, müsste der Beutegreifer diesen Vorteil dadurch nutzen, dass er sich unmittelbar vor dem Angriff auf ein Individuum spontan entscheidet oder gar mehrere Individuen aus der Gruppe töten wollte. Beides kommt nicht in Frage, weil Greifvögel nicht auf Vorrat jagen und jeden Angriff durch den Anflug bereits relativ lange vor dem Zuschlagen planen, um so die vorhandenen Energiereserven optimal zu nutzen. Besonders deutlich wird dies bei Falken, die schon vor Beginn des typischen Sturzfluges sich voll im Klaren sein müssen, welches Tier die Beute ist. Beim Habicht und Sperber, die in Bodennähe die Beute verfolgen, mag dies nicht so sehr deutlich sein, doch spätestens dann, wenn sie ein Individuum aus der Gruppe isolieren, wird die Konzentration auf ein Individuum sehr deutlich.
Die Schwarmbildung ist bei Vögeln ebenso wie bei Fischen ein instinktives Verhalten, um Beutegreifern das Angreifen zu erschweren. Warum? Weil die Beutegreifer sich eben auf ein Individuum konzentrieren müssen, was innerhalb eines Schwarms aber sehr schwierig wird. Auch Beutegreifer leiden unter Konzentrationsschwäche, wenn sie durch entsprechende Umstände ausreichend abgelenkt werden. Andere Individuen in einem Schwarm, stellen genau diese Ablenkung dar, wodurch der Schutz des Individuums innerhalb eines Schwarms zumindest meistens gewährleistet ist. Wenn dieser Schutz vor dem Zugriff von Beutegreifern Wirkung zeigt, ist im Umkehrschluss völlig logisch, dass entsprechende Beutegreifer Individuen als Beute bevorzugen.
Dass Greifvögel auch Beute aus einem Schwarm schlagen, ist sicher nicht ungewöhnlich. Doch diese Angriffe beziehen sich nicht auf den Schwarm oder die Gruppe, sondern auf ganz bestimmte Außenseiten, also gezielt ausgewählte Individuen. Der Begriff Außenseiter ist dabei wörtlich zu nehmen, denn meistens sind es Beutetiere am Rande des Schwarms oder Nachzügler, die räumlich gesehen sich vom Schwarm getrennt haben oder aus einem anderen Grund, wie beispielsweise körperliche Behinderung, eine Außenseiterposition einnehmen. Auch wenn aus der Betrachtung eines Menschen es den Anschein hat, dass ein Greifvogel scheinbar mitten in einen Schwarm hineinstößt, liegt dieser Anschein primär am abweichenden Blickwinkel. Aus der Sicht des Beutegreifers handelt es sich ganz bestimmt nicht um ein Individuum mitten im Schwarm, sondern um einen Einzelvogel, der nicht (mehr) Bestandteil des Schwarms ist. Einige Beutegreifer versuchen, um eine solche Situation herbei zu führen, mit Scheinangriffen einen Schwarm zu teilen oder einzelne Beutetiere zu separieren.
In ganz wenigen Ausnahmefällen, von denen ich sogar mehrfach gefilmte Szenen gesehen habe, hat ein Beutegreifer auch Erfolg auf zufällig auftauchende Sekundärziele.
So habe ich in einer Fernsehdokumentation sogar in Zeitlupe gesehen, wie ein Habicht eindeutig auf längere Zeit zwei Tauben verfolgt, wobei sein Interesse eindeutig nur einer dieser Tauben galt. Die Tauben gewannen aber mehr und mehr Abstand zum Habicht, der schon sichtlich erschöpft schien, als plötzlich eine Amsel aus einer Hecke quer fliegend zwischen Tauben und Habicht geriet. Die Gefahr im letzten Moment erkennend, versuchte die Amsel aus der Gefahrenzone zu gelangen, wodurch sie durch das Ausweichmanöver auch noch an Geschwindigkeit verlor, so dass es dem Habicht mühelos gelang, die Amsel zu greifen. Leider kann ich mich an den Titel des Films nicht mehr erinnern.
Selbst erlebt habe ich die Jagd eines Habichts ebenfalls auf eine Taube, die mit einer anderen Taube zusammen an einem Fichtenbestand entlang flog. Der Habicht überholte völlig desinteressiert die eine Taube, um noch lange Zeit vergeblich die schnellere Taube zu verfolgen. Die vom Habicht überholte Taube ließ sich sofort, als der Habicht vorbei war, auf einem Fichtenzweig nieder, um sich auszuruhen. Dies zeigt, dass der Habicht bei der Auswahl seiner potentiellen Beute durchaus Fehleinschätzungen hat und dennoch seiner primären Auswahl treu bleibt. Offensichtlich ist die Konzentration auf das ausgewählte Individuum so groß, dass er während der Jagd eine leichtere Beute gar nicht richtig wahrnimmt. Im Beispiel zuvor hat der Habicht vermutlich schon erkannt, dass sein Angriff erfolglos war, so dass er die plötzlich auftauchende Amsel überhaupt wahrnehmen konnte.
Ich hoffe, dass meine späte Antwort dennoch Dein Interesse findet.
Mit freundlichem Gruß,
Peter L.