Jagd vergrößert Artenvielfalt?

Hallo Experten,

im Film „Der letzte Trapper“ vor ein paar Tagen war mal wieder die Aussage zu hören, dass die Jagd die Artenvielfalt vergrößere. Im Detail: 2 alte und erfahrene Trapper sind sich darüber einig, dass die Natur - nachdem sie sich zur Ruhe gesetzt und ihr Trapperdasein beendet hätten - einiges von ihrer Artenvielfalt einbüßen würde.

Ich habe ja solche Ansichten immer als Jägerlatein und Argument für die Daseinsberechtigung des Jägerwesens abgetan. Umso überraschter war ich dann, als man solche Äusserungen diesen beiden alten Trappern in den Mund legte.

Was sagt denn die Forschung hierzu?

Danke schon mal.
Martin

Hallo

Vielleicht war mit den Artenvielfalt bereichernden Faktoren die Trapper selbst gemeint.
Außerdem könnte gemeint sein, das Tiere sich bei fehlenden Artgenossen anderweitig umsehen müssen, und so neue Arten entstehen, wer weiß.
Zusätzlich neue Gene entstehen jedenfalls nicht durch Abschuss.

MfG

Hallo,

kenne den Film nicht.
Aber es kann durchaus sein, dass die Bejagung bestimmter Tiere eine alte Artenvielfalt erhält oder zumindest ansatzmäßig wieder möglich macht.
Denk an die Kaninchen- und Kamelplage in Australien.
Die Probleme sind überwiegend erst durch menschliche Eingriffe entstanden und werden per Jagd bestenfalls mäßig reguliert.

Insgesammt gesehen bringt die Jagd da allerdings wenig. Die Wollhandkrabben werden sich trotzdem weitervermehren und andere Arten ausrotten - es gibt etliche ähnliche Beispiele.

Die Jäger selbst wollen verm. meist nur jagen und irgendeinen guten Grund dafür anbringen. Aber hier und da ist es wohl schon sinnvoll (denke z.B. an Wildschweine in berliner Kindergärten oder an Mülleimern - da gehören die nun wirklich nicht hin, kommen sie aber, da es im Umland noch keine Wölfe gibt, die den Bestand in Grenzen halten könnten - menschengemachtes Problem).

Gruß, Paran

theoretisch möglich aber irrelevant
Hi Martin,

ja, die Jagd kann durchaus einen solchen Effekt haben.
Man bezeichnet das als „prädetorenvermittelte Koexistenz“. Die Prädation fördert dabei die Koexistenz von Arten, unter denen es ansonsten zu Konkurrenzausschluß käme. Nachgewiesen ist das zum Beispiel bei Weichtiergesellschaften in Brandungszonen, die unter der Beräuberung einer Seesternart deutlich mehr Arten umfasste, als wenn man den Seestern entfernte.
Grund dafür ist, dass ohne den Seestern für die Weichtiere die Ressource „Nahrung“ knapp wird. Wird eine Ressource knapp, tritt Konkurrenz ein. In Konkurrenzsituationen bestehen nur die konkurrenzstärksten Arten, die anderen werden verdrängt. Durch die Prädation sorgt der Seestern dafür, dass die Kapazität des Lebensraums nicht erreicht wird, die Ressource also nicht völlig ausgebeutet wird.

Der Haken an der Sache ist, dass dieses „Top-down“-Schema nicht das gängigste ist in der Natur. Weit häufiger ist es, dass die Beutetiere die Räuberpopulationen eingrenzen.

Theoretisch ist es aber durchaus möglich, dass die Jagd lokal die Artenvielfalt erhöht (praktisch halte ich es in den allermeisten Fällen für populistische Meinungsmache…). Die Frage ist aber vielmehr, ob das wirklich so ein „leuchtendes Ziel“ ist. Es ist ein Irrglaube, dass Artenvielfalt das wichtigste Kriterium im Naturschutz ist. Artenvielfalt allein sagt erstmal nichts aus. Wenn ich in einer Region alle Feldhasen abknalle, ist es nicht unwahrscheinlich, dass sich die Anzahl an Kräutern erhöht. In der rein zahlenmäßigen Bilanz kann es also so aussehen, dass mit dem Feldhasen zwar eine Art verschwindet, dafür aber 5 neue Kräuterarten den Lebensraum neu besiedeln. Klingt aber höchtens so lange toll (wenn überhaupt) bis man mal schaut, was da für neue Kräuter kommen: Brennessel, Gänseblümchen, Spitzwegerich, Löwenzahn und wilde Möhre… Allerweltsarten, die den Abschuss des Feldhasen nicht rechtfertigen können. [ACHTUNG: frei erfundenes Beispiel zum Verständnis… mit ziemlicher Sicherheit wird eine Feldhasenpopulation niemals Löwenzahn ausrotten :wink:] .
Es ist völlig unsinnig, den Abschuss von zB. Rehwild damit zu begründen, den Verbiss im Wald eindämmen zu wollen, aber andererseits im Winter kräftig zuzufüttern, so das die Populationszahlen künstlich hochgetrieben werden. Diese ganzen Ausreden sind nichts weiter als Pseudobegründungen die spätestens dann den Halt verlieren, wenn man sich das Argumentationsgerüst mal von vorne bis hinten durchdenkt.

Interessanter als die bloße Artenzahl sind die tatsächlichen Schutzwürdigkeiten der Arten. Zum Beispiel sind Moore als Extremstandorte eher artenarm, beherbergen dabei aber besonders seltene Pflanzen und Tiere (und erfüllen nebenbei noch wichtige Umweltfunktionen).

So, und bevor es falsch verstanden wird: ich habe nicht grundsätzlich was gegen die Jagd. Aber diese Scheinheiligkeit die oft damit einher geht finde ich zum kotzen.

liebe Grüße
Aj