theoretisch möglich aber irrelevant
Hi Martin,
ja, die Jagd kann durchaus einen solchen Effekt haben.
Man bezeichnet das als „prädetorenvermittelte Koexistenz“. Die Prädation fördert dabei die Koexistenz von Arten, unter denen es ansonsten zu Konkurrenzausschluß käme. Nachgewiesen ist das zum Beispiel bei Weichtiergesellschaften in Brandungszonen, die unter der Beräuberung einer Seesternart deutlich mehr Arten umfasste, als wenn man den Seestern entfernte.
Grund dafür ist, dass ohne den Seestern für die Weichtiere die Ressource „Nahrung“ knapp wird. Wird eine Ressource knapp, tritt Konkurrenz ein. In Konkurrenzsituationen bestehen nur die konkurrenzstärksten Arten, die anderen werden verdrängt. Durch die Prädation sorgt der Seestern dafür, dass die Kapazität des Lebensraums nicht erreicht wird, die Ressource also nicht völlig ausgebeutet wird.
Der Haken an der Sache ist, dass dieses „Top-down“-Schema nicht das gängigste ist in der Natur. Weit häufiger ist es, dass die Beutetiere die Räuberpopulationen eingrenzen.
Theoretisch ist es aber durchaus möglich, dass die Jagd lokal die Artenvielfalt erhöht (praktisch halte ich es in den allermeisten Fällen für populistische Meinungsmache…). Die Frage ist aber vielmehr, ob das wirklich so ein „leuchtendes Ziel“ ist. Es ist ein Irrglaube, dass Artenvielfalt das wichtigste Kriterium im Naturschutz ist. Artenvielfalt allein sagt erstmal nichts aus. Wenn ich in einer Region alle Feldhasen abknalle, ist es nicht unwahrscheinlich, dass sich die Anzahl an Kräutern erhöht. In der rein zahlenmäßigen Bilanz kann es also so aussehen, dass mit dem Feldhasen zwar eine Art verschwindet, dafür aber 5 neue Kräuterarten den Lebensraum neu besiedeln. Klingt aber höchtens so lange toll (wenn überhaupt) bis man mal schaut, was da für neue Kräuter kommen: Brennessel, Gänseblümchen, Spitzwegerich, Löwenzahn und wilde Möhre… Allerweltsarten, die den Abschuss des Feldhasen nicht rechtfertigen können. [ACHTUNG: frei erfundenes Beispiel zum Verständnis… mit ziemlicher Sicherheit wird eine Feldhasenpopulation niemals Löwenzahn ausrotten
] .
Es ist völlig unsinnig, den Abschuss von zB. Rehwild damit zu begründen, den Verbiss im Wald eindämmen zu wollen, aber andererseits im Winter kräftig zuzufüttern, so das die Populationszahlen künstlich hochgetrieben werden. Diese ganzen Ausreden sind nichts weiter als Pseudobegründungen die spätestens dann den Halt verlieren, wenn man sich das Argumentationsgerüst mal von vorne bis hinten durchdenkt.
Interessanter als die bloße Artenzahl sind die tatsächlichen Schutzwürdigkeiten der Arten. Zum Beispiel sind Moore als Extremstandorte eher artenarm, beherbergen dabei aber besonders seltene Pflanzen und Tiere (und erfüllen nebenbei noch wichtige Umweltfunktionen).
So, und bevor es falsch verstanden wird: ich habe nicht grundsätzlich was gegen die Jagd. Aber diese Scheinheiligkeit die oft damit einher geht finde ich zum kotzen.
liebe Grüße
Aj