Jeder zweite Russe hat studiert?

Servus,

ich stolpere über das Diagramm der Tagesschau https://www.tagesschau.de/inland/oecd-studie-100.html , welches besagt, dass 53,5% aller Russen einen Hochschulabschluss haben.
Kann das denn sein? Jeder zweite?

All die Handwerker, Bauern, kleinen Dienstleister, die Landbevölkerung, Mütter, Migranten - müssten die die Quote nicht nach unten ziehen? Nicht, dass ich die OECD-Studie bezweifle, aber wie kommt diese immense Quote zustande? Immerhin kommen die anderen aufgeführten Länder erst nach 10 Prozentpunkten Abstand, und Deutschland ist mit knapp 30% Akademikern weit abgeschlagen.

lg hahu

Hallo,

wie auch in anderen Ländern wird unter Hochschule im Ausland oft etwas sehr anderes verstanden als bei uns.

Mancher ausländische Hochschulabsolvent erreicht da nicht den theoretischen Kenntnisstand eines deutschen Handwerksmeisters oder Technikers.

Auch Kankenschwestern werden im Ausland oft an Hochschulen ausgebildet (ohne dass sie dadurch wesentlich besser ausgebildet wären) und selbst IT-Spezialisten oder Servicetechniker gelten in manchen Ländern als Kurzstudiengänge.

Gruß
Werner

In Amerika zählt ein Associate Degree bereits als akademischer Grad. Dabei ist dieser Abschluss mit einer Ausbildung vergleichbar.

http://de.wikipedia.org/wiki/Associate_Degree

Theorielastige Berufsausbildung
Servus,

die traditionell theorielastigen Berufsausbildungen in den romanischen Gegenden Europas kannst Du an der „Position“ von Frankreich und Spanien sehen; in beiden Ländern gibt es z.B. Spezialisten im Hochbau, die ihren für den Beruf qualifizierenden Hochschulabschluss in der Hand haben, ohne je eine Betonpumpe aus der Nähe gesehen zu haben.

In den Nachfolgeländern der UdSSR (z.B. auch Lettland und Litauen) stammt diese Theorielastigkeit von Berufsausbildungen aus der Zeit nach der Oktoberrevolution, als die Entwicklung der Industrieproduktion forciert wurde, indem man schnell „Spezialisten“ für einzelne, sehr beschränkte Bereiche (z.B. das Einrichten einer einzigen Maschine) ausbildete. Die Vorstellung, dass man für den Wechsel eines Rades mit Alufelge einen Drehmomentschlüsselmontageingenieur braucht (oder alternativ das Teil halt nach Gefühl hinmurkst, aber dazwischen gibt es nichts), stammt noch aus dieser Zeit.

Schöne Grüße

MM

Moin,

wenn ich meine Berufsausbildung dazu nehme, bin ich fast 40 Jahre im Job und habe in dieser Zeit beruflich einen guten Teil dieses Planeten bereist.
Dabei fiel mir immer wieder auf, daß Leute, die hier ihren Beruf im Dualen System erlernen in nicht wenigen Ländern dieser Erde zwar einen akademischen Abschluss hätten, diese Leute anschließend aber trotzdem so wie unsere Gesellen/Laboranten und Meister eingesetzt (und bezahlt) werden. Nur leider hat die UNESCO diesen Sachverhalt nie begriffen und wird ihn auch in Zukunft wohl nie begreifen (wollen?!).
Aus diesem Grund landet D bei diversen Bildungserhebungen stets im Mittelfeld , bei der wirtschaftlichen Leistung aber stets in der Spitzengruppe, auch bei Inovationsfaktoren wie Patenten.

Solche Erhebungen sind daher stets mit einer gewissen Skepsis bzw. nur mit Hintergrundwissen zu betrachten.

Was aber natürlich nicht bedeutet, daß z.B. unser Schulsystem keiner Verbesserung bedürfe, aber das ist eine andere sehr große Sache.

Gandalf

Was die so Studium nennen…
…muss nicht unbedingt mit einem Hochschulabschluss in D vergleichbar sein.
Gruß,
Branden

Es ist gut möglich das Leute in Russland sich für einen Hochsschulabschluss entscheiden, einfach aus einen einfachen Grund damit Sie später auswandern können.

Umgekehrt gilt das allerdings auch :smile:

Naja, ich hab zwar nur Einblicke in den Geomontan-Bereich, aber da ist die universitäre Ausbildung in Russland deutlich praxis-orientierter als bei uns.

*hust* Wobei die Technik nicht unbedingt überall auf dem neuesten Stand ist.

Hallo Z.,

aber da ist die universitäre Ausbildung in Russland deutlich praxis-orientierter als bei uns.

das sicherlich - aber klassische Berufsausbildungen, die hierzulande in einen (Industrie)meister, einen „Staatlich Geprüften“ oder sowas münden, sind in den verschiedenen Nachfolgestaaten der UdSSR schon öfter mal von einer Hochschule. Also „theorielastig“ im Vergleich zu qualifizierten technischen nicht-universitären Ausbildungen.

Schöne Grüße

MM

ja?
Gib doch mal ein Beispiel.

  • angewandte Geologie
  • Tiefbohrtechnik
  • Geotechnik/Bergbau
  • Mineralogie
  • Kristallchemie

Hängt natürlich auch noch schwer von den Unis ab, die man vergleicht, aber Leningrad und Moskau können in den Bereichen die meisten Deutschen Unis sauber an die Wand spielen - mit der möglichen Ausnahme von Freiberg oder Aachen.

2 Like

Servus,

noch einer: Anlagenbau. Mit Ausbildung in Eberswalde und Studium in Leningrad war es einem frischgebackenen Ingenieur möglich, in einem westdeutschen Betrieb nicht nur aus dem Stand mit produktiver Arbeit anzufangen, sondern nebenher auch den ebenfalls frischgebackenen Kollegen mit West-Studium zu zeigen, wie sie die vielen schönen Dinge, die sie im Examen noch gewusst hatten, für konkrete Konstruktionen, Kalkulationen, Projekte anwenden konnten - Aufgaben, vor denen sie ohne Unterstützung gestanden hätten wie der Ochs vor dem Scheunentor.

Schöne Grüße

MM

2 Like

Hallo,

nun, dann hatte ich dich missverstanden. Ich dachte es ginge um eine systembedingte Über- bzw. Unterlegenheit, etwa wie im Bereich der Zahnmedizin, wo es in Russland universitäre Zahnmedizinabschlüsse gibt, die vom Grundansatz her kaum einen akademischen Anspruch haben, sondern eher auf dem Niveau der auch früher in D. bekannten Dentisten rangieren.

Dass Unis unter Umständen besser sind als andere etwa Aachen oder wie du sagst Leningrad stellt für mich ein anderes Phänomen dar, das mit dem hier aufgeworfenen Problem wenig zu tun hat.

Gruß
Werner

Hallo,

ein Einzelschicksal gibt aber kein gutes Kriterium zur Beurteilung des akademischen Systems. Du wirst immer Menschen finden, die so begabt sind, dass sie trotz einer flauen Ausbildung hervorragendes leisten können, oder aufgrund zufälliger Interessen für ein spezifisches Problem eine Lösung haben, von der andere trotz umfassenderer Ausbildung nichts wissen.
Nicht dass das in deinem Beispiel so gewesen sein muss, allerdings liefert dies auch keinen Beweis dafür, dass es nicht so war.

Gruß
Werner

Das glaube ich nicht.
Außer jeder Abschluss ist dort ein Hochschulabschluss