Anbetung - Bitte - Fürbitte
Hi Simone
damit sprichst du interessante Fragen an, auf die ich erstmal wenigstens kurz antworten mag (sonst komm ich wieder zu nix diese Nacht *ggg*)
Das Stichwort ist „Beten“. Und es ist sehr interessant, was in verschiedenen Religionen, Kulten darunter (oder unter analogen Begriffen) verstanden wird/wurde - vor allem im Vergleich.
Klar, daß damit sehr eng zusammenhängt, wie die Konzeption von Gott/Göttern und vor allem von der Beziehung des Menschen zu ebendiesen jeweils aussieht. Und in Anschauungen, die keine Götter haben (Buddhismus, Yoga, Taoismus, Zen) spielt der Begriff wieder noch andere Rollen, wenn auch natürlich ganz andere Bezeichnungen dazugehören.
In vielen Kulten haben Götter die Nebenbezeichnung „der/die Angerufene“ oder genauer „der/die Gerufene“ - auch das deutsche Wort „Gott“ hat diese Grundbedeutung (kommt aus dem Gotischen).
Da du dich ja speziell auf deine christliche Tradition beziehst, bleib ich mal bei dieser. Aber nimm das unten alles bitte nicht als ne persönliche Meinung - ich versuche das wiederzugeben, was so an Überlieferung (und bei den Katholiken auch an Dogmatik) so bekannt ist…
Da gibt es (sehr unterschiedlich in den verschiedenen christlichen Konzeptionen) die Unterscheidung
- des Anbetens
- des Bittens
- der Fürbitte
Das Anbeten darf sich (hier weiß ich Genaueres nur für die kath. Tradition bzw. Dogmatik) ausschließlich auf den Gott beziehen (zur „Dreifaltigkeit“ gleich noch was), aber es ist wiederum sehr unterschiedlich, was damit gemeint war - und letztenendes ist genau das in allen christlich-jüdisch-islamischen Religionen die privateste und intimste Angelegenheit überhaupt. Das direkte Gespräch mit dem Gott von jedem Einzelnen, nicht nur von Privigelierten ist wohl eine prononcierte Besonderheit der Christlichen Religion. Der Inhalt und die Form ist eines jeden intimste Angelegenheit.
Gestalten, die nicht Gott sind dürfen nur um Fürbitte (bei Gott - also ungefähr in der Form „…bitte für mich/sie/ihn…um…“) gebeten werden. Dazu gehören die Engel, die Heiligen (Selige haben nur eine begrenzte Fürbitt-Kompetenz), die Martyrer, die verstorbenen Angehörigen und da, wo der Marienkult betrieben wird, auch die Maria in ihrer Rolle als „Mutter Gottes“. Da aber diesen Gestalten der Verehrung meist auch eine besondere Rolle zugeordnet ist - meist eine Schutzfunktion, die sich teils aus ihren Ursprüngen heidnischer „Vorfahren“ ergibt (Christophorus für Reisende, Antonius für Verlorenes, Borromäus für Gräten im Hals, Maria für jegliche Notlage…) - können sie auch in ebendieser Rolle direkt um Hilfe gebeten werden - und der ggf. Dank geht auch dann an diese und nicht an den Gott.
Die direkte Bitte ist daher wohl die allgemeinste Form des Betens. Und diese bezieht sich auf alle sakralen Gestalten. Bei Joh. gibt es z.B. das „Um was ihr den Vater in meinem Namen bittet, das wird er euch geben“.
Bei Jesus gibt es dann natürlich das von dir angesprochene Problem (im Islam z.B. nicht, denn da ist er ein Prophet). Und das hängt mit der Rolle zusammen, die Jesus (genauer hier Christus, also der Sakralname des Jesus) in der sehr komplizierten Dreifaltigkeitslehre (Trinitätslehre) spielt.
Diese ist erst im Laufe der Konziliengeschichte (und den Arbeiten der sog. „Kirchenväter“) mit sehr vielen Kämpfen und Auseinandersetzungen allmählich entwickelt worden.
Zur Trinität hab ich schon mal einen kleinen Beitrag hier gepostet:
http://www.wer-weiss-was.de/cgi-bin/forum/showarchiv…
In den Texten des NT wird Jesus zwar als „Sohn Gottes“ angeredet, aber das heißt nicht, daß er damals bereits selbst als Gott verstanden wurde, denn „Sohn Gottes“ war die Anrede der israelitischen Könige (besonders David), wie es in allen orientalischen Kulturen üblich war. Und von vielen wurde Jesus als Nachfolger Davids angesehen (also als neuer König, der insbesondere die Römer rausschmeißen sollte). Bei Paulus gibt es manche Hinweise, daß „Sohn Gottes“ bereits als eine innergöttliche Differenzierung aufgefaßt wurde, ist aber nicht eindeutig. Daß Christus definitiv mit „Sohn Gottes“ auch selbst als Gott zu verstehen sei, geht auf eine Forderung des Kaisers Konstantin an die römischen Bischöfe zurück (4. Jhdt.). Vor dieser Zeit war in den christlichen Lehren dieses Verständnis nicht durchgängig vorhanden und strittig.
Das irritierende für den Anhänger dieses Glaubens ist (bis heute incl.), daß die Bezeichnung „Sohn“ auf eine Familienangelegenheit hinzudeuten scheint und in patriarchalischen Auffassungen hat nun mal der Kleine nicht das große Sagen wie der Alte. Und daß Jesus den „Gott Abrahams Isaacs und Jacobs“ als „mein Vater“ bezeichnete, war ja nach den Berichten des NT auch DIE große Provokation für die jüdischen Theologen.
Dazu kommt, daß Christus im christlichen Verständnis ja eine Doppel-„Natur“ hat - selbst, wenn sein Status als Gott (bzw. als eine der 3 göttlichen „Personen“, die aber nur 1 Gott sind - womit ein paar von den begrifflichen Problemen angedeutet seien, mit denen sich jahrhundertelang die Theologie auseinanderzusetzen hatte) - nämlich als Gott und als Mensch, denn beides ist er nach dieser Tradition vollkommen! (naja, letzteres mit ein paar Sondereigenschaften, aber das führt zuweit jetzt - mein Kopf fällt schon aufs keyboard).
Als Mensch ist dann wieder einerseits der übermenschliche Lehrer (bei Joh. ist er sogar wesentlich und in seiner Selbstbezeichnung sogar ausschließlich der " Gesandte" Gottes bzw. „seines Vaters“ !!) und andererseits der Bruder, dem alle Menschen Brüder/Schwestern/Mütter/Väter sind.
Dazu gibt es ein deutliches Zitat, das ich unter „Jesus und seine Geschwister“ im Forum „Geisteswissenschaften“ schon zitierte (steht noch im aktuellen Forum dort):
Markus 3.32-35
„…deine Mutter und deine Brüder und deine Schwestern draußen suchen dich“. Und er antwortete ihnen: „Wer ist meine Mutter und meine Brüder?“. Und indem er die im Kreis um ihn Sitzenden ansah, sagte er: „Sieh, meine Mutter und meine Brüder. Denn wer den Willen Gottes tut, der ist mein Bruder und meine Schwester und meine Mutter“.
Besonders die in dem - von mir sehr hochgeschätzten und in der christlichen Überlieferung ziemlich unterschätzten - Text des Johannes-Ev. Kap. 17 (der Autor läßt hier Jesus mit „seinem Vater“ sprechen - ein innergöttliches Gespräch gewissermaßen, das intimste, was die gesamte religiöse Weltliteratur je aufzubieten hatte) zu findenden Formulierungen:
17.21 „Alle sollen eins sein, wie du in mir und und ich in dir… auch sie in uns…“
17.22 „…sie sollen eins sein, wie wir eins sind…“
17.23 „ich in ihnen und du in mir…“
…zeigen, daß - jedenfalls nach dem Verständnis des Autors des Joh.Ev. im Grunde hier alle diese hotizontalen und vertikalen Differenzen in der Hierarchie aufgehoben werden.
Damit dürfte deine Frage - zumindest von den Traditionen her interpretiert - etwas beschwichtigt sein: wer diese Inhalte zu seiner Glaubenssache macht, kann Christus sowohl als sein Geschwister ansprechen (und sich als sein Geschwister verstehen) als auch ihn als Gott anbeten - denn nach dieser Lehre ist das erstere aus dem letztereen begründet (aufgrund der speziellen Lehre dieses Rabbi Jesus).
So - gute Nacht und Grüße
Metapher