Jesus - Gott oder Bruder?

Liebe Experten,

all die Jahre habe ich die Frage verdrängt, die mir aber schon seit meiner Kindheit irgendwie auf der Seele liegt. Jetzt da mein Sohnemann langsam in ein Alter kommt, wo er Fragen stellt und nicht immer alles als gegeben hinnimmt werde ich von meiner Frage eingeholt. Es geht um Folgendes:
Als Kind betete ich jeden Abend mein kleines Gebet, das kennt ihr sicher alle „ich bin klein…darf niemand drin wohnen als Jesus allein“. Als ich etwas älter wurde, 6 Jahre ungefähr, erfuhr ich, daß Jesus der Sohn Gottes ist und wir ihn deshalb anbeten. Gleichzeitig erfuhr ich allerdings, daß wir alle Kinder Gottes sind. Ab diesem Zeitpunkt hörte ich auf mit dem Jesus-Gebet und wandte mich direkt an Gott. Mir war damals schon klar, daß Jesus etwas ganz besonderes war aber ich konnte nicht begreifen, warum ich ihn anbeten sollte, er war doch eigentlich nur mein Bruder? Ich bin doch die Tochter Gottes? Naja und jetzt ist mein Kleiner 4 Jahre und betet das gleiche Gebet wie ich damals. Er fängt an Fragen zu stellen, wenn wir an Jesuskreuzen vorbeifahren und ich bemerke wie meine alten Fragen wieder auftauchen. Mein Glaube an Gott bleibt bei dieser Frage allerdings unerschütterlich. Da ich zwar an Jesus glaube aber nicht zu ihm bete, bin ich dann überhaupt noch ein Christ? Könnt ihr mir einen kleinen Denkanstoß geben?

Viele Grüße
Simone

Gute Frage

So richtig habe ich die Sache mit Jesus nie begriffen. Aber das Ganze hängt irgenwie mit dem gesamten Bild von Gott zusammen.
Wir sprechen ja von der heiligen dreieinigkeit - Gottvater, Gottsohn und heiliger Geist. Gleichzeitig gibt es aber nur einen Gott.
Danach sind wohl Gottvater und Jesus identisch, auch wenn sie in verschiedeneer Gestalt erscheinen oder so.

Nach den antiken Glaubensätzen wäre Jesus als sohn Gottes ein Halbgott. Aber genau das ist er nicht. Er ist untrennbarer Teil von ihm.
Das Ganze ist allerdings wirklich schwer zu verstehen, bisher hat noch niemand geschafft, mir das so richtig faßbar zu verklickern.

Gernot Geyer

Anbetung - Bitte - Fürbitte
Hi Simone

damit sprichst du interessante Fragen an, auf die ich erstmal wenigstens kurz antworten mag (sonst komm ich wieder zu nix diese Nacht *ggg*)

Das Stichwort ist „Beten“. Und es ist sehr interessant, was in verschiedenen Religionen, Kulten darunter (oder unter analogen Begriffen) verstanden wird/wurde - vor allem im Vergleich.

Klar, daß damit sehr eng zusammenhängt, wie die Konzeption von Gott/Göttern und vor allem von der Beziehung des Menschen zu ebendiesen jeweils aussieht. Und in Anschauungen, die keine Götter haben (Buddhismus, Yoga, Taoismus, Zen) spielt der Begriff wieder noch andere Rollen, wenn auch natürlich ganz andere Bezeichnungen dazugehören.

In vielen Kulten haben Götter die Nebenbezeichnung „der/die Angerufene“ oder genauer „der/die Gerufene“ - auch das deutsche Wort „Gott“ hat diese Grundbedeutung (kommt aus dem Gotischen).

Da du dich ja speziell auf deine christliche Tradition beziehst, bleib ich mal bei dieser. Aber nimm das unten alles bitte nicht als ne persönliche Meinung - ich versuche das wiederzugeben, was so an Überlieferung (und bei den Katholiken auch an Dogmatik) so bekannt ist…

Da gibt es (sehr unterschiedlich in den verschiedenen christlichen Konzeptionen) die Unterscheidung

  1. des Anbetens
  2. des Bittens
  3. der Fürbitte

Das Anbeten darf sich (hier weiß ich Genaueres nur für die kath. Tradition bzw. Dogmatik) ausschließlich auf den Gott beziehen (zur „Dreifaltigkeit“ gleich noch was), aber es ist wiederum sehr unterschiedlich, was damit gemeint war - und letztenendes ist genau das in allen christlich-jüdisch-islamischen Religionen die privateste und intimste Angelegenheit überhaupt. Das direkte Gespräch mit dem Gott von jedem Einzelnen, nicht nur von Privigelierten ist wohl eine prononcierte Besonderheit der Christlichen Religion. Der Inhalt und die Form ist eines jeden intimste Angelegenheit.

Gestalten, die nicht Gott sind dürfen nur um Fürbitte (bei Gott - also ungefähr in der Form „…bitte für mich/sie/ihn…um…“) gebeten werden. Dazu gehören die Engel, die Heiligen (Selige haben nur eine begrenzte Fürbitt-Kompetenz), die Martyrer, die verstorbenen Angehörigen und da, wo der Marienkult betrieben wird, auch die Maria in ihrer Rolle als „Mutter Gottes“. Da aber diesen Gestalten der Verehrung meist auch eine besondere Rolle zugeordnet ist - meist eine Schutzfunktion, die sich teils aus ihren Ursprüngen heidnischer „Vorfahren“ ergibt (Christophorus für Reisende, Antonius für Verlorenes, Borromäus für Gräten im Hals, Maria für jegliche Notlage…) - können sie auch in ebendieser Rolle direkt um Hilfe gebeten werden - und der ggf. Dank geht auch dann an diese und nicht an den Gott.

Die direkte Bitte ist daher wohl die allgemeinste Form des Betens. Und diese bezieht sich auf alle sakralen Gestalten. Bei Joh. gibt es z.B. das „Um was ihr den Vater in meinem Namen bittet, das wird er euch geben“.

Bei Jesus gibt es dann natürlich das von dir angesprochene Problem (im Islam z.B. nicht, denn da ist er ein Prophet). Und das hängt mit der Rolle zusammen, die Jesus (genauer hier Christus, also der Sakralname des Jesus) in der sehr komplizierten Dreifaltigkeitslehre (Trinitätslehre) spielt.

Diese ist erst im Laufe der Konziliengeschichte (und den Arbeiten der sog. „Kirchenväter“) mit sehr vielen Kämpfen und Auseinandersetzungen allmählich entwickelt worden.

Zur Trinität hab ich schon mal einen kleinen Beitrag hier gepostet:
http://www.wer-weiss-was.de/cgi-bin/forum/showarchiv…

In den Texten des NT wird Jesus zwar als „Sohn Gottes“ angeredet, aber das heißt nicht, daß er damals bereits selbst als Gott verstanden wurde, denn „Sohn Gottes“ war die Anrede der israelitischen Könige (besonders David), wie es in allen orientalischen Kulturen üblich war. Und von vielen wurde Jesus als Nachfolger Davids angesehen (also als neuer König, der insbesondere die Römer rausschmeißen sollte). Bei Paulus gibt es manche Hinweise, daß „Sohn Gottes“ bereits als eine innergöttliche Differenzierung aufgefaßt wurde, ist aber nicht eindeutig. Daß Christus definitiv mit „Sohn Gottes“ auch selbst als Gott zu verstehen sei, geht auf eine Forderung des Kaisers Konstantin an die römischen Bischöfe zurück (4. Jhdt.). Vor dieser Zeit war in den christlichen Lehren dieses Verständnis nicht durchgängig vorhanden und strittig.

Das irritierende für den Anhänger dieses Glaubens ist (bis heute incl.), daß die Bezeichnung „Sohn“ auf eine Familienangelegenheit hinzudeuten scheint und in patriarchalischen Auffassungen hat nun mal der Kleine nicht das große Sagen wie der Alte. Und daß Jesus den „Gott Abrahams Isaacs und Jacobs“ als „mein Vater“ bezeichnete, war ja nach den Berichten des NT auch DIE große Provokation für die jüdischen Theologen.

Dazu kommt, daß Christus im christlichen Verständnis ja eine Doppel-„Natur“ hat - selbst, wenn sein Status als Gott (bzw. als eine der 3 göttlichen „Personen“, die aber nur 1 Gott sind - womit ein paar von den begrifflichen Problemen angedeutet seien, mit denen sich jahrhundertelang die Theologie auseinanderzusetzen hatte) - nämlich als Gott und als Mensch, denn beides ist er nach dieser Tradition vollkommen! (naja, letzteres mit ein paar Sondereigenschaften, aber das führt zuweit jetzt - mein Kopf fällt schon aufs keyboard).

Als Mensch ist dann wieder einerseits der übermenschliche Lehrer (bei Joh. ist er sogar wesentlich und in seiner Selbstbezeichnung sogar ausschließlich der " Gesandte" Gottes bzw. „seines Vaters“ !!) und andererseits der Bruder, dem alle Menschen Brüder/Schwestern/Mütter/Väter sind.
Dazu gibt es ein deutliches Zitat, das ich unter „Jesus und seine Geschwister“ im Forum „Geisteswissenschaften“ schon zitierte (steht noch im aktuellen Forum dort):

Markus 3.32-35
„…deine Mutter und deine Brüder und deine Schwestern draußen suchen dich“. Und er antwortete ihnen: „Wer ist meine Mutter und meine Brüder?“. Und indem er die im Kreis um ihn Sitzenden ansah, sagte er: „Sieh, meine Mutter und meine Brüder. Denn wer den Willen Gottes tut, der ist mein Bruder und meine Schwester und meine Mutter“.

Besonders die in dem - von mir sehr hochgeschätzten und in der christlichen Überlieferung ziemlich unterschätzten - Text des Johannes-Ev. Kap. 17 (der Autor läßt hier Jesus mit „seinem Vater“ sprechen - ein innergöttliches Gespräch gewissermaßen, das intimste, was die gesamte religiöse Weltliteratur je aufzubieten hatte) zu findenden Formulierungen:

17.21 „Alle sollen eins sein, wie du in mir und und ich in dir… auch sie in uns…“
17.22 „…sie sollen eins sein, wie wir eins sind…“
17.23 „ich in ihnen und du in mir…“

…zeigen, daß - jedenfalls nach dem Verständnis des Autors des Joh.Ev. im Grunde hier alle diese hotizontalen und vertikalen Differenzen in der Hierarchie aufgehoben werden.

Damit dürfte deine Frage - zumindest von den Traditionen her interpretiert - etwas beschwichtigt sein: wer diese Inhalte zu seiner Glaubenssache macht, kann Christus sowohl als sein Geschwister ansprechen (und sich als sein Geschwister verstehen) als auch ihn als Gott anbeten - denn nach dieser Lehre ist das erstere aus dem letztereen begründet (aufgrund der speziellen Lehre dieses Rabbi Jesus).

So - gute Nacht und Grüße
Metapher

Jesus allein". Als ich etwas älter wurde, 6 Jahre ungefähr,
erfuhr ich, daß Jesus der Sohn Gottes ist und wir ihn deshalb
anbeten. Gleichzeitig erfuhr ich allerdings, daß wir alle
Kinder Gottes sind. Ab diesem Zeitpunkt hörte ich auf mit dem
Jesus-Gebet und wandte mich direkt an Gott. Mir war damals
schon klar, daß Jesus etwas ganz besonderes war aber ich
konnte nicht begreifen, warum ich ihn anbeten sollte, er war
doch eigentlich nur mein Bruder? Ich bin doch die Tochter

bleibt bei dieser Frage allerdings unerschütterlich. Da ich
zwar an Jesus glaube aber nicht zu ihm bete, bin ich dann
überhaupt noch ein Christ? Könnt ihr mir einen kleinen

Hallo Simone,
also folgendes:
zunaechst gibt es da das beruehmte Glaubensmysterium der Dreieinigkeit: Gott-Vater, Gott-Sohn(Jesus) und der Heilige Geist. Es sind drei und doch einer zu gleich, naemlich Gott. Dies ist ein Geheimnis das wir vielleicht nicht verstehen aber auch nicht verstehen muessen. Hauptsache ist es an Gott zu glauben. Insofern koennen wir alle dreie anbeten und Gott wird es hoeren.
Natuerlich kann man sich ueberlegen, wen bete ich jetzt an von den dreien. Wie ich oben lesen konnte warst Du am Zweifeln ob Du Gott-Vater oder den Sohn(Jesus) anbeten sollst. Mich hat vor kurzem eine Freundin darauf aufmerksam gemacht dass es vielleicht am sinnvollsten waere den heiligen Geist anzubeten(der wird nur allzugerne vergessen). Warum? Weil wir Christen den Heiligen Geist ja in uns haben! Er wurde uns ja als Helfer und Beistand auf Erden gegeben! Aber wie gesagt, Du kannst jeden der Drei anbeten!

Jeder der an Jesus glaubt ist Christ, das zu deiner anderen Frage.

Nun die Frage ob Jesus Gott oder Bruder ist. Nun, Gott ist recht komplex und er ist fuer uns verschiedene Dinge zugleich, eine wunderbare unerschoepfliche Vielfalt. Das ist kein Widerspruch sondern stellt nur Gottes viele Facetten dar. So steht vieles in der Bibel ueber Jesus:
Weg, Wahrheit, Hirte, Herr, Brot des Lebens, Freund, Retter, Heiland, Wunderrat, Bruder, Gott etc…, etc…
Also Jesus Gott UND Bruder und vieles mehr, er ist einfach unermesslich Gross…zu gross um ihn in eine Kategorie einzuordnen.

Gruss Abe…

Für den Christen ist Jesus Gott UND Bruder, aber die Vorstellungskraft des Menschen für die Aspekte Gottes ist beschränkt. Ich habe vor einigerzeit folgendes räumliche Sinnbild entworfen, damit das etwas griffiger wird:

Gott Vater - der über uns (Anbetung)
Gott Sohn - der neben und mit uns (Bruder,Freund)
Gott Hl.Geist - der in uns (Führer,Helfer)

Alle drei göttlichen Personen haben alle Attribute, aber vielleicht hilft ja diese menschliche „Aufteilung“.

Gruß Raiko

Hallo Gernot!

[…]

Danach sind wohl Gottvater und Jesus identisch, auch wenn sie
in verschiedeneer Gestalt erscheinen oder so.

Das wäre jetzt eher die Lehre der „Oneness Pentecostal“-Bewegung, daß der eine Gott drei verschiedene Masken/Erscheinungsformen hat (nämlich Vater, Sohn und Heiliger Geist). Dem ist aber nicht so. Gott ist ein Wesen , aber drei Personen. Die Verwirrung entsteht, wenn man nicht zwischen den Begriffen „Wesen“ und „Person“ unterscheidet.

[…]

Das Ganze ist allerdings wirklich schwer zu verstehen, bisher
hat noch niemand geschafft, mir das so richtig faßbar zu
verklickern.

Da möchte ich Dir gerne folgende Links ans Herz legen:

  1. Eine kurzer Erklärungsversuch der Dreieinigkeit Gottes:

http://aomin.org/trinitydef.html

  1. Ein kurzer Artikel darüber, warum die Trinitätslehre kein Widerspruch in sich ist:

http://www.dtl.org/trinity/article/contradiction.htm

und schließlich

  1. Ein Beispiel, das versucht, die Trinität ein wenig transparenter zu machen:

http://mb-soft.com/public/trinity2.html

Gruß
Michael

Anbetung des Heiligen Geistes?
Hallo Abe!

Hauptsache ist es an Gott zu
glauben. Insofern koennen wir alle dreie anbeten und Gott wird
es hoeren.

[…]

Mich hat vor kurzem eine Freundin darauf aufmerksam gemacht :dass es vielleicht am sinnvollsten waere den heiligen Geist :anzubeten […]

Hm, es ist zwar richtig, daß alle drei Gott sind, aber mit der Anbetung des Heiligen Geistes habe ich doch so meine Probleme. In der Bibel finden wir die Anbetung des Vaters und die Anbetung des Sohnes Gottes. Es wird aber nirgendwo geboten zu dem Heiligen Geist zu beten. Auch kenne ich kein Beispiel in der Bibel, wo das jemand getan hätte. Wenn es Gott ein Anliegen wäre, daß wir zum Heiligen Geist beten sollten, warum wird es dann nirgends explizit erwähnt?

Ich denke, man darf hier nicht vergessen, daß Vater, Sohn und Heiliger Geist ja unterschiedliche Funktionen ausüben. Der Heilige Geist hat z.B. in Sachen Anbetung eine besondere Rolle:

Wir sollen, wenn wir Gott anbeten, im Geist anbeten, also wie der Heilige Geist uns führt, aber eben nicht zu dem Heiligen Geist (vgl. Joh 4,23; Eph 6,18). Ohne den innewohnenden Heiligen Geist können wir gar nicht in rechter Weise beten bzw. anbeten, wie wir sollten. Er allein ermöglicht dies dem Gläubigen (Röm 8,26-27). Nachdem also der Heilige Geist uns im Gebet vor Gott (dem Vater und dem Sohn) vertritt, fände ich es aufgrund dieser besonderen Funktion des Heiligen Geistes sehr seltsam, wenn man zu ihm beten sollte.

Daher meine Frage: Auf welcher biblischen Basis betest Du zum Heiligen Geist?

Gruß
Michael

Geist und Trinität
Hi Michael

warum
wird es dann nirgends explizit erwähnt?

Das liegt daran, daß die Entwicklung der Trinitätslehre erst sehr spät einsatzte und erst nach sehr langen und heftigen Streitereien (ca. 3. bis 13. Jhdt) allmählich ihre endgültige dogmatische Form bekam. Wesentlich beteiligt waren dabei vor allem Anselm v. Canterbury, Richard de St. Victor, Thomas v. Aquin…

Der Heilige Geist hat z.B. in Sachen Anbetung eine besondere
Rolle

Nein, jedenfalls nicht nach der dogmatischen Trinitätslehre: Der Geist ist eine von drei gleichrangigen göttlichen „Personen“.

Man muß beachten, daß der Begriff „pneuma“ in den 3 synoptischen Evangelien einerseits, bei Johannes andererseits und dann bei Paulus dritterseits sehr unterschiedliche Bedeutung hat - und innerhalb der Texte auch nicht durchgängig dieselbe (allein in den sog. „echten“ Paulus-Briefen finden sich mindestens drei verschiedene).

…sehr seltsam, wenn man zu ihm beten sollte.

Daher meine Frage: Auf welcher biblischen Basis betest Du zum
Heiligen Geist?

Die entscheidende Stelle, aus der später begründet wurde, warum der Geist eine der 3 göttlichen personae ist, findet sich bei
Joh. 4.24 πνευμα ο θεος „Gott ist Geist“.

Die Trinitätslehre ist nun mal sehr sehr kompliziert. Es wird darin unterschieden, ob die 3 (Vater, Sohn, Geist) jeweils „der Person nach“ oder „der Natur nach“ oder „dem Wesen nach“ jeweils eins oder drei sind… usw…
Jedenfalls ist darin eindeutig bestimmt (entgegen schon sehr früh einsetzenden Vielgötterei-Vorwürfen - besonders von jüdischer Seite aus, später auch von islamischer Seite aus), daß der Gott nur Einer ist…

Grüße
Metapher

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Daher meine Frage: Auf welcher biblischen Basis betest Du zum
Heiligen Geist?

Hallo Michael,

vorweg sei gesagt, daß meine Beiträge in diesem Forum aus „katholischer Sicht“ geschrieben werden, also stets zwei Quellen für Antworten als Grundlage dienen: die Bibel und die Lehre der katholischen Kirche.
Zu Deiner Frage: Apg 5,3 f stellt den Heiligen Geist ausdrücklich als göttliche Person heraus, die nicht nur beisteht und innewohnt, sondern als Gegenüber betrachten läßt. Somit scheint mir eine Anbetung auch auf Grundlage der Bibel zulässig.

Gruß
Raiko

Vielen Dank für Eure Hilfe-jetzt heißts nachdenken
o.T.

Nachtrag, aber wichtig
Hi Simone,

muß leider wieder einmal ganz schulmeisterlich die anderen Postings korrigieren - täte ich nicht, wenns mir nicht am Herzen liegen würde: die Frage „Gott oder Bruder“ hat mit der Trinitätslehre nichts zu tun, weder nach kath. noch nach evang. Verständnis. In der Theologie heißt das die Frage nach der „hypostatischen Union“ und wurde bes. im 4. und 5. Jahrhundert, also nach den Lehrentscheidungen über die Trinität, verhandelt. Geäußert hat sich dann das Konzil von Chalcedon mit der Definition der „hyp. Union“, und zwar mit der Formel:

In Christus sind zwei Naturen, die menschliche und die göttliche, ungetrennt und unvermischt nebeneinander. Christus ist also nicht Mensch oder Gott, sondern ganz Mensch und ganz Gott. Er hat als Gott die Menschennatur angenommen (Inkarnation - außer der Sünde) und dadurch erlöst.

Hilft Dir das weiter?

lg
Benjamin

nicht ganz schulmeisterlich

muß leider wieder einmal ganz schulmeisterlich die anderen
Postings korrigieren - täte ich nicht, wenns mir nicht am
Herzen liegen würde:

Hi Benjamin

da du global " die anderen Postings" zu korrigieren wünschst, muß ich sagen, daß du ebenso schulmeisterlich ziemlich falsch liegst… :wink:

die Frage „Gott oder Bruder“ hat mit der
Trinitätslehre nichts zu tun…

Das ist

  1. völlig richtig,
  2. habe ich das meinerseits in meinen kurzen historischen Statements unten auch sorgfältig auseinandergehalten (und auch sonst hat es niemand in Verbindung gebracht), und
  3. ist es sehr wohl richtig, daß hier mehrfach auf die Trinität verwiesen wurde, da es u.a. auch um die Rolle des Geistes ging - ob er z.B. Gegenstand der Anbetung sein könne, und diese Frage kann man ohne Hinweis auf die Trinitätslehre nicht klären :smile:

… In der Theologie heißt das die Frage
nach der „hypostatischen Union“ und wurde bes. im 4. und 5.
Jahrhundert…

das ist richtig, aber das

also nach den Lehrentscheidungen über die Trinität, verhandelt.

ist falsch. Zwar wird das „Symbolum Apostolicum“ als die älteste Formulierung der Trinität aufgefaßt, da es bereits im 2. Jhdt als Taufbekenntnis verwendet wurde. Aber die weiteren Auseinandersetzungen ziehen sich (wie ich schon schrieb) noch viele Jahrhunderte dahin. Die 11. Synode von Toledo (675) formuliert die Trinität zum ersten mal komplett. Aber allgemein wird erst nach dem 4. Laterankonzil (1215) und nach dem Konzil Florenz 1441 die Lehre als abgeschlossen aufgefaßt. Und auch der von mir erwähnte Richard de Saint-Victor mit seinem „De Trinitate“ ca. 1162 ist ja nun nicht gerade von geringer Bedeutung, nicht wahr?

Zuletzt ist auch das „Auctorem fidei“ von Pius VI (1794) nicht unerheblich, indem er darin die mißverständliche Formel „deus unus in tribus personis distinct u s“ (Gott ist einer in drei Personen unterschieden) korrigierte in „deus unus in tribus personis distinct i s“ (Gott ist einer in drei unterschiedenen Personen).

Geäußert hat sich dann das Konzil von
Chalcedon mit der Definition der „hyp. Union“, und zwar mit
der Formel:

In Christus sind zwei Naturen, die menschliche und die
göttliche, ungetrennt und unvermischt nebeneinander.

Das Chalcedon-Zitat ist nicht ganz korrekt, sogar erheblich falsch, wiedergegeben: „…daß ein und derselbe Christus in zwei Naturen…“ heißt es, und dann weiter „unvermischt, unverwandelt, ungeteilt, ungetrennt… anzuerkennen sind“. Das kann man folgich nicht mit „nebeneinander“ wiedergeben, weil genau das mit der Formulierung gerade ausgeschlossen werden sollte.

Christus ist also nicht Mensch oder Gott, sondern ganz Mensch
und ganz Gott.

Das ist dann wieder richtig, aber genau das habe ich unten geschrieben…

SCNR und schöne Grüße
Metapher

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hast ja nichr unrecht, aber …
ich würde es (gerade gegenüber nicht-theologen) ungern so darstellen , als sei die trinität eine erfindung mittelalterlicher theologenhirne und nicht ursprünglich das lebendige zentrum christlichen glaubens. und du wirst mir sicher zustimmen, daß es eine linie gibt, die von den fragestellungen in nicaea (den ersten und allerwichtigsten lehrentscheidungen über die trinität im jahre 325) nach chalcedon (451) führt.

In Christus sind zwei Naturen, die menschliche und die
göttliche, ungetrennt und unvermischt nebeneinander.

Das Chalcedon-Zitat ist nicht ganz korrekt, sogar erheblich
falsch, wiedergegeben: „…daß ein und derselbe Christus in
zwei Naturen
…“ heißt es, und dann weiter „unvermischt,
unverwandelt, ungeteilt, ungetrennt… anzuerkennen sind“. Das
kann man folgich nicht mit „nebeneinander“ wiedergeben, weil
genau das mit der Formulierung gerade ausgeschlossen werden
sollte.

jjjjjjjein. natürlich hast du hier wieder recht, aber wenn es eine sprachlogisch unangreifbare möglichkeit zur formulierung geben würde, hätten wir uns die interessantesten kapitel der dogmengeschichte an den hut stecken können, nicht? im nächsten sazu betont das konzil, daß der unterschied der naturen nicht aufgehoben wird und ihre eigenheit gewahrt bleibt; daß sie sich „in einer person und einer hypostase“ (das sagt ja schon der ausdruck: hypostatische union) vereinigen, ist mystrium stricte dictu, an dem jede formulierung notwendig vorbeigeht (wie ja auch die analgieformel des 4. laterankonzils betont).

b.

Metapher hat wie immer recht
Hallo Benjamin

ich würde es (gerade gegenüber nicht-theologen) ungern so
darstellen , als sei die trinität eine erfindung
mittelalterlicher theologenhirne und nicht ursprünglich das
lebendige zentrum christlichen glaubens.

Dies aber so.

und du wirst mir
sicher zustimmen, daß es eine linie gibt, die von den
fragestellungen in nicaea (den ersten und allerwichtigsten
lehrentscheidungen über die trinität im jahre 325) nach
chalcedon (451) führt.

In Nicaea ging es um die Wesensgleichheit von Vater und Sohn. An den Heiligen Geist dachte damals noch niemand.

Gruß
Carlos

:wink: nicht immer, aber…
… (auch ohne alkoholfreies Bier *g*)

Hi Carlos, hi Benjamin

ich denke auch, den Begriff „Erfindung“ sollte man in Bezug auf religiöse Vorstellungen und Begriffe nicht unterschätzen. Es ist die Aktivität des menschlichen Geistes par excellence. Immerhin gibt es in vielen religiösen Konzeptionen eine unmittelbare Beziehung zwischen dem individuellen „Geist“ und dem Absoluten - wobei des Absolute nicht immer personalisiert gedacht wird, wie z.B. „brahman“ und „prajñaparamita“ im Hinduismus, „prana“ im Yoga, „dao“ im Daoismus. Auch das (!) „pneuma“ bei Johannes und die „Gottheit“ (vom „Gott“ zu unterscheiden) bei Meister Eckhart sind Absoluta, die dem individuellen Geist ohne dazwischenliegende Abgründe zugänglich sind… In der Philosophiegeschichte ist der Begriff „Geist“ (mit Bezug auf das johanneische „pneuma“) in demselben Sinne durch Hegel als phil. Fachterminus eingeführt worden.

ich würde es (gerade gegenüber nicht-theologen) ungern so
darstellen, als sei die trinität eine erfindung
mittelalterlicher theologenhirne und nicht ursprünglich das
lebendige zentrum christlichen glaubens.

Dies [ist] aber so.

Wenn du (Benjamin) statt „theologengehirne“ sagen würdest „Theologiegeschichte“ oder besser noch „Geistesgeschichte“, dann würde es sich auch nicht so despektierlich anhören (und auch für Nicht-Theologie-Historiker genießbar sein). Es sind alles Leistungen des menschlichen Geistes und nur äußerst selten Leistungen eines einzelnen Menschen. Der Dialog (mit seinen Komponenten der Auseinander- und Zusammensetzung) oder genauer das zwischenmenschliche Gespräch ist letztenendes das Medium (!), in dem und aus dem die Ideen ausgebrütet werden. Und damit sind wir von einigen traditionellen religiösen Ausdrücken ja auch gar nicht mehr so weit entfernt - z.B. von dem johanneischen (jaja, ich bin ein absoluter Fan dieses historischen Dokumentes, arbeite ja auch schon einige Jährchen dran…) „logos“ und auch von der alttestamentarischen Idee, daß der Gott sich durch „Sprechen“ schöpferisch outet. Er spricht halt durch den Menschen - allerdings (nach Jesaja) manchmal auch durch den Esel :smile:))

… und das ist kein Aprilscherz *ggg*

Gruß
Metapher