Aber ich begreife echt nicht, was Jesus in Kaschmir zu suchen
gehabt hätte - und wieso er dort gewesen sein sollte.
Ich auch nicht!
Es betrifft seine Jugendzeit!
Ja, und? Ist es deshalb wahrscheinlicher?
Und vor allem: Weshalb steht dann davon nichts in der Bibel?
Seien wir doch mal ehrlich: Außerhalb der Heiligen Schrift ist
doch Jesus gar nicht ernsthaft vorhanden den historischen
Unterlagen nach. Jedenfalls nicht als Sohn Gottes.
Entweder es wurde nicht zur Kenntnis genommen oder es wurde
unterdrückt. Die Bibel hat ja nur einen Teil der Berichte
aufgenommen, der größte Teil, die Apokryphen, wurde beiseite
gelassen.
Ich finde es immer wieder erstaunlich und amüsant, wie manche Menschen sich ihr Weltbild zurechtbasteln: Mal stimmt etwas nicht, weil es in der Bibel steht - und die Bibel ist ja nur ein Märchenbuch -, mal stimmt es nic ht, weil es nicht in der Bibel steht, und mal stimmt es, weil es nicht in der Bibel steht. Aber dies nur allgemein und noch ohne jemanden treffen zu wollen.
Also, mein lieber Rolf, was beweist das, daß nicht alles in die Bibel aufgenommen wurde? Sind die Apokryphen deswegen glaubhaft, weil sie nicht in der Bibel stehen? Kann es nicht sein, daß die Kirchenväter und Gemeinden, die den Kanon festgelegt haben, ein sehr genaues Gespür dafür hatten, was richtig und was falsch ist? Die historisch-kritische Forschung hat jedenfalls in den ganzen apokryphen Evangelien nichts gefunden, was historisch nachweisbar wäre, was zum Bild von Jesus paßt, das uns die Synoptiker vermitteln.
Er war jung und hatte wie alle anderen auch, Abenteuerlust.
Wer sagt denn, daß er keine menschliche Natur gehabt hat? Du
glaubst er kannte nie das sexuelle Bedürfnis?
Ja gut, und darum war er in Kaschmir? Ist die Sexualität in Indien so großartig, daß man als junger Mann dafür den Weg von dreitausend Kilometern auf sich nimmt?
Seine Göttlichkeit kann er sich sehr wohl in Indien erworben
haben, das liegt durchaus im Rahmen des Möglichen. Schließlich
fällt einem soetwas nicht in den Schoß. Das er prädestiniert
war, ist außer Zweifel.
Schön, und weil das denkmöglich ist, ist es dann auch wahrscheinlich?
Weißt Du, es gibt eine bestimmte Geisteshaltung, die das Mögliche für wahrscheinlich hält. Diese Haltung nennt man dann irrational.
Es müßte dann doch irgendetwas in seiner Verkündigung auf den Aufenthalt in Indien hinweisen! Aber nichts dergleichen! Alles, was er gesagt und gepredigt hat, läßt sich leicht und zwanglos aus seiner jüdischen Herkunft erklären. Wieso hat sein Aufenthalt in fremdem Lande so wenig Spuren hinterlassen?
Und mit der Göttlichkeit ist das auch so eine Sache - sie wird geglaubt, und sie ist nicht eine Eigenschaft, die Jesus besitzt, so wie ich leicht übergewichtig bin. Wenn erb sie erworben hätte, dann wäre sie aber ein solche, möglicherweise objektiv feststellbare, Eigenschaft. Das widerspricht aber a priori und a limine und eo ipso dem Begriff des Göttlichen… Das geht also nicht.
Wenn man einen Aufenthalt Jesu in Kaschmir behauptet, muß man dafür aber mindestens den Anschein der Wahrscheinlichkeit beibringen. Der Hinweis auf jugendliche Abenteuerlust reicht da ebensowenig wie der auf Fanatismus.
Mit blinden Fanatismus, beschränkt man sich selbst und gleicht
denen die in jeder Religion auftauchen. Aber das ist nicht
die Haltung, die einem menschlichen Zusammensein förderlich
ist.
Tut mir ja leid für Dich!
Gruß - Rolf (der andere)