Jesus und die Zeloten

Hi.

Es gibt auffällige Parallelen zwischen dem Zelotenführer Menachem ben Chizqijja und der Jesus-Gestalt. Ich möchte sie hier zur Diskussion stellen und auch die Frage aufwerfen, ob und in welchem Maße JC Zeloten im Gefolge bzw. selbst zelotische Ziele hatte.

(Es geht mir um die Darstellung in den Ev, ganz unabhängig von der Historizität, an der ich zweifle)

Zunächst zu Menachem:

Als Anführer der Sikarier, einer Untergruppe der Zeloten (militante jüdische ´Fundamentalisten´), marschierte er im Jahr 66 in Jerusalem ein, umgeben von bewaffneten Anhängern, die ihn als ihren König und Messias verehrten. Er ließ den Hohepriester hinrichten und beherrschte Jerusalem mehrere Wochen lang, ehe es seinem Gegner, dem Sohn des Hohepriesters, gelang, das Volk gegen Menachem zu mobilisieren, das seine Schutztruppe in die Flucht schlug und Menachem folterte und tötete.

Einige Parallelen:

  • Menachem beanspruchte eine davidische Abstammung
  • der ´messianische´ Einmarsch in Jerusalem
  • der Konflikt mit der Priesterschaft
  • die Flucht seiner engsten Anhänger (Leibgarde = ´Jünger´)
  • Folter und Tod

Last not least heißt es in einer rabbinischen Quelle (pBerakh 2,4), dass dieser Menachem in… ja, genau: in Bethlehem geboren sei.

Zur Zelotenthese:

Dass JC im zelotischen Kontext gesehen werden kann, ist nicht neu. Ein Theologe namens William Klassen hält Jesus für den Anführer einer Gruppe von Zeloten, die das jüdische Volk zum Aufstand gegen die römische Herrschaft anstacheln wollte. Als einer der ersten hat Samuel George Frederick Brandon (Priester und Theologe) diese These vertreten. Auffällig ist, dass in den Ev die Zeloten von JC nicht kritisiert werden, wohl aber andere jüdische Gruppen, wie die Pharisäer, die Sadduzäer und die Herodianer.

Gründe für eine Attraktivität von JC für Zeloten:

  • das Ende weltlicher Herrschaft
  • das Nahen des Reiches Gottes
  • JC als derjenige, der das in die Tat umsetzt

Mutmaßliche Kandidaten innerhalb der Jüngerschaft:

  • Simon der Zelot (ganz evident)
  • Judas Ischariot (möglicherweise Transkription von ´sicarius´ = Einzahl von Sikarier, zelotische Gruppe des Menachem)
  • Simon Petrus (in Joh-Ev z.B. geht er gewaltsam gegen den jüdischen Priester Malchus vor)

In Luk 22,49 heißt es anlässlich der Verhaftung: „Herr, sollen wir mit dem Schwert dreinschlagen?“

In Joh 18 schlägt Simon Petrus dem Malchus ein Ohr ab. „Malchus“ gilt als typischer Name eines jüdischen Adligen, der Angegriffene ist also höchstwahrscheinlich ein Priester. Da körperliche Unversehrtheit Voraussetzung für den Priesterberuf ist, bedeutet die Attacke mehr als nur eine Körperverletzung: Sie bedeutet konkret den Ausschluss des Malchus aus dem Tempeldienst und symbolisch eine Kriegserklärung an die jüdische Priesterschaft.

Das scheint mir ein starkes Indiz auf die Zugehörigkeit der Petrusfigur zu den Zeloten zu sein.

In den Ev ist von einer „Schar“ die Rede, die kommt, um JC im Garten festzunehmen. „Schar“ entspricht im griechischen Original „speira“, was „Kohorte“ bedeutet. Der in Joh 18,12 genannte „Hauptmann“ entspricht dem griechischen „chiliarchos“ (lateinisch „tribunus“). Die Kohorte hat etwa 500 Mann, was bedeutet, dass im Ev die Festnahme des jüdischen Rebellen keineswegs als Spaziergang gilt, sondern als potentiell gewalthafter Konflikt. Hätten Römer einen solchen Aufwand betrieben, wenn nur ein oder zwei Jünger bewaffnet gewesen wären? Wohl kaum. Der Aufwand zeigt also, dass der Mythos von der friedlichen Jüngerschaft nicht haltbar ist, nicht einmal innerhalb der evangelischen Erzählung.

In summa:

Ist die Gestalt des JC möglicherweise nach dem Vorbild des Zeloten Menachem ´konstruiert´ worden (nebst vielen anderen Vorbildern natürlich), worauf, siehe oben, nicht wenig hinzuweisen scheint? Natürlich lassen sich auch Bibel-Zitate anführen, die auf eine pazifistische Ausrichtung JCs hinweisen, aber könnte das nicht an der Unfähigkeit der (viel späteren) Verfasser liegen, ihre offensichtlich sehr ausgeschmückten ´Berichte´ (also Legenden) logisch und in sich stimmig auszuarbeiten?

(Man denke z.B. nur an die Ungereimtheiten zwischen der Apg und den Paulusbriefen)

Chan

Schalom Ch an,

du hast hier mit recht viele Punkte und Fragen aufgeworfen. ich denke ich kann dir in einigem weiterhelfen. Es ist eine umfangreiche Ausarbeitung über die jüdische Ansicht des PROZESSES JESU. Einiges schrieb ich schon vor gut 10 Jahren hier mal im Forum.

HIER die EINLEITUNG mit INHALTSVERZEICHNIS! (14 Einzelthemen)
Schalom Amikam (ABA)

Wenn du jedoch direkt mehr über den Zeloten Menachem wissen willst,
dann „google“ dich mal in der deutschen Schreibweise des Namens durch:

Menachem Ben Hiskia

Da findest du einige online Seiten der Autoren:
Martin Hengel
Anna Maria Schwemer
Claus-Jürgen Thorton

Schalom Amikam

1 Like

Hi Amikam,

besten Dank für den Link. Er interessiert mich, weil er die jüdische Sicht auf die (meiner Ansicht nach aber unhistorischen) Ereignisse zeigt. Die Manier, in der der Anteil der Juden und Römer am Todesurteil in den Evangelien dargestellt wird, wirkt sehr parteiisch zu Gunsten der Römer und zu Ungunsten der Juden. Gerade diese Szenen begründen den Antisemitismus bzw. sind die Rechtfertigung der Christen für ihre späteren Pogrome gegen Juden. Die Römer werden in den Ev von aller „Schuld“ reingewaschen, um ihnen keine Hindernisse für die Übernahme der christlichen Religion in den Weg zu stellen.

Chan