Hallo!
In einzelnen Teilgebieten des riesigen Gebietes der Psychiatrie gibt es die Möglichkeit messbarer Ergebnisse mit klaren Befunden. Wenn es aber um Seelenheilkunde geht, mangelt es derselben buchstäblich naturgemäß an objektiv messbaren Kriterien. Auch ein Psychiater kann nur vor die Stirn gucken, nicht dahinter. Von daher kann ein Psychiater statt zu klarer Diagnose nur zu Eindrücken kommen, die er einordnet und subjektiv wertet. In der Situation eines gerade eingelieferten Untersuchungshäftlings kommen die Möglichkeiten eines Psychiaters über die eines einigermaßen lebenserfahrenen Laien nicht hinaus. Es handelt sich um eine einmalige Sitzung, kein monatelanges Beobachten, zudem im vorliegenden Fall mit Kommunikationsproblemen. Bei Licht betrachtet kann man sich in solcher Situation die Einschaltung eines Psychiaters schenken. Bringt nichts, kann nichts bringen.
Die Einlieferung in eine JVA ist vermutlich für die meisten Menschen eine Ausnahmesituation, wenn nicht sogar traumatisierend. Menschen, die regelmäßig aufgegriffen und eingebuchtet werden, sehen die Situation aus Gewohnheit möglicherweise lockerer, aber die seelische Ausnahmesituation dürfte eher der Normalfall sein. Unmittelbar nach Einlieferung des Häftlings und auch noch in den ersten Tagen ist von daher beim Durchschnittsmenschen mit selbstgefährdenden Handlungen zu rechnen, die für ihn unter anderen Umständen nicht in Betracht kämen.
Es braucht keine Psychiater, keine Gutachten, keine bis an die Decke gefliesten Räume, sondern tüchtige Handwerker. Na ja, ist öffentlicher Dienst mit lauter Schmalspurleuten, die statt Lösungen Verantwortliche und Schuldige brauchen, also vorher noch einen Planer. Der Planer plant. Nein, keine Gitter, sondern eine durchsichtige schlagfeste und niemals splitternde Scheibe am Fenster. Von der Decke hängt auch keine Leute, sondern die Beleuchtung ist in die Decke eingebaut und ohne spezielles Werkzeug nicht zu öffnen, auch nicht mit Gewalt. Wie man vandalismussichere Armaturen baut, kann sich der Planer am nächsten Autobahnpissoir abgucken. Die Behausung lässt sich sogar einigermaßen wohnlich einrichten, je nach Wunsch mit ein, zwei Büchern und einem vandalismussicher eingebauten Fernseher. Um einen Häftling (vom Entzug der Freiheit einschl. der Möglichkeit zur Selbsttötung abgesehen) menschengerecht unterzubringen, braucht es keine Erniedrigung durch Nacktheit, keine Fesselung, keine Dauer-Videoüberwachung und keinen ununterbrochen vor dem Häftling postierten Bediensteten, sondern geeignete innenarchitektonisch-handwerkliche Maßnahmen.
So ganz ohne Vorschriften wird’s nicht gehen, denn wie die Erfahrung immer wieder lehrt - so auch hier - kann man nicht einfach voraussetzen, es mit selbst denkenden Menschen zu tun zu haben. ÖDler müssen nachlesen können, dass sie dem Untersuchungshäftling Schuss- und Stichwaffen, Raketenwerfer, Sprengstoff, Lötlampen, Feuerzeuge und reißfeste Textilien abnehmen müssen. Der Betroffene muss deshalb nicht erniedrigend nackt herumlaufen. Die einschlägige Wirtschaft hält Kleidung bereit, die sich mit noch so viel Verzweiflung nicht zum Strangulieren eignet.
O. g. Maßnahmen taugen nicht nur für „Dschihaddis“, denn auch andere Untersuchungshäftlinge befinden sich nach plötzlichem Verlust ihrer Freiheit in einem seelischen Ausnahmezustand. Das Einschalten eines Psychiaters kommt dabei über sinnbefreiten Formalismus nicht hinaus; sein Gutachten entspringt subjektivem Eindruck und letztlich aus den Fingern gesogener Wertung, wird das Papier nicht wert sein, ist jedenfalls weder praktisch noch wissenschaftlich belastbar. Im Grunde disqualifiziert sich jeder Mediziner/Psychiater, der sich an solchem Mummenschanz beteiligt.
Wenn Psychiatrie abseits messbarer klinischer Befunde irgendeinen Wert haben soll, braucht der Psychiater Zeit, viele Sitzungen und natürlich Abwesenheit von Ausnahmesituation und Sprachbarrieren. Einen Psychiater mal kurz wie einen Notarzt nach akuter körperlicher Verletzung einzuschalten, ist dummes Zeug.
Gruß
Wolfgang