Steinigung: Der gescheiterte Intrigeversuch
Hi Eli,
Ja und nein. Bei dieser (wie vielen anderen) fällt mir aber sofort auf, dass der Schreiber, kaum noch Wissen über die Zeit und das Leben damals in Israel hatte.
Hast du denn Wissen über die Rechtsprechung der damaligen Zeit? (Wir sprechen über die Zeit der römischen Besatzung)
Die Ironie an der Stelle ist nämlich, dass die Menge
Gerechtigkeit üben will, was bedeutet, Sünden zu sühnen. Und
genau macht hier Jesus die Menge darauf aufmerksam, dass
alleine schon ihr Gedanke, dieses durch Schmeissen von
Steinen, herbeizuführen, nichts anderes als das Gegenteil,
nämlich selber eine schlimmer Sünde darstellte.
Deine Interpretattion der Stelle scheint mir etwas blauäugig. Könnte aber daran liegen, daß du sie gar nicht gelesen hast, denn das Ganze spielt sich sehr wohl im Rahmen jüdischer Rechtsprechung ab, denn genau darum geht es in der Episode: Man will versuchen zu beweisen, daß, J. die jüdische Rechtssprechung in Frage stellt, um ihn dann verklagen zu können.
Joh. 8.4.: und sprachen zu ihm: "Meister, diese Frau istr auf frischer Tat beim Ehebruch erwischt worden. 8.5. Moses aber hat uns im Gesetz vorgeschrieben, solche Frauen zu steinigen. Was sagst du dazu?"
Es geht also um 3.Mo. 20.10 bzw. 5.Mo. 22.22-24
Es geht also hier um Recht sprechung. Die reale Ausführung der nach dem Gesetz vorgeschriebenen Steinigung steht hier gar nicht zur Debatte, weil die zur Zeit der römischen Besatzung gar nicht im Kompetenzbereich der jüdischen Gerichtsbarkeit lag. Es geht hier also keineswegs um die Frage der (versuchten) Lynchjustiz, wie du offenbar vermutest (und die an anderen Stellen des Joh.-Ev. tatsächlich angedeutet wird).
Nun ist es nach dem mosaischen Gesetz (dito 5.Mo.) der Ankläger, der den ersten Stein zu werfen hat. Und genau hier greift die rhetorische Raffinesse des Herausgeforderten, die er auch an anderen Stellen des 8. Kap. beweist: Er stellt gar nicht in Frage, daß der Frau nach Gesetzeslage die Steinigung zuzusprechen ist. Er fordert vielmehr nur den oder die Ankläger heraus, sich selbst der Gewissensfrage zu unterwerfen - und beschämt sie dadurch: Sie müssen erkennen, daß der Intrigeversuch gescheitert ist (J. widerspricht dem Gesetz nicht) und daß er zugleich durch den Rekurs auf die eigene Gewissenslage die (allerdings eh nur theoretische) Realisierung der Strafe verhindert. Sie sollen Steinigen, aber sie fesseln sich moralisch selbst die Hände.
Das ist - allerdings nur in der johanneischen Darstellung - überhaupt der Kern der ganzen Auseinandersetzung zwischen J. und den dem zeitgenössischen Parishim.
Du liegst also mit dieser Bemerkung:
Aus jüdischer Sicht stellte so etwas übelste Barbarei dar, welche selbst ein todeswürdiges Vergehen darstellt. Daraus sieht man schon, dass der Erzähler hier etwas nach erzählt, zu dem er kaum selber Zugang hat und hierbei seine eigene Lebenswirklichkeit einbringt.
recht heftig daneben. Es war eine Frage der Rechtsprechung und nicht eine der Verhinderung von Lynchjustiz.
Das einzige, was mit der damaligen Rechtsprechung an der Episode nicht konform geht: Der am Ehebruch beteiligte Mann muß ebenfalls gesteinigt werden. Wobei btw. mindestens zwei Augenzeugen gefordert werden (was der ganzen Sache der Ehebruchsanklagen eh eine etwas pikante Note gibt).
Gruß
Metapher