Hallo Jürgen,
Der Gesellschaft aber die Verantwortung für schwerste
kriminelle Anwandlungen zu geben, ist ein starkes Stück. Ich
werde mir den Schuh nicht anziehen. Außerdem beleidigst Du
damit alle diejenigen, die ähnlich aufwachsen und nicht auf
solche Ideen kommen.
ich wollte nur erklären, warum es in „asozialen“ Gebieten so gehäuft zu kriminellen Taten kommt.
Man bedenke, dass doch jeder Mensch sich seine Wohnlage aussucht und sofern er kann und diese Gebiete meidet oder versucht aus ihnen wegzuziehen. Durch diese Entmischung verschärfen sich die sozialen Gegensätze noch mehr und Wohnviertel werden zu „asozialen“ Vierteln, wo niemand mehr wohnen möchte. Die Kinder haben Freunde aus der gleichen Schicht, benehmen sich ähnlich, bekommen ähnliche Werte und ihre Welt dreht sich um Hartz4 und was bin ich wert. Das macht anfällig für Krawalle, wie man sie immer wieder in Frankreich erlebt.
Es ist niemandem vorzuwerfen, dass man dort nicht wohnen möchte, dass man solchen Freundschaften und Bekanntschaften nicht zugeneigt ist, dass man seine Kinder davon fernhalten möchte. Aus der Sicht der Betroffenen bedeutet dies jedoch keine Anerkennung zu erhalten, abgelehnt zu werden und nur sich selbst zu haben.
Nein, man kann es der Gesellschaft nicht anlasten, sondern nur den dafür verantwortlichen Personen, z.B. Stadtplanern und Sozialpolitikern, die das Problem auch kennen.
Ich muss mich natürlich entschuldigen, wenn ich den Eindruck hinterlassen haben sollte, dass arme Menschen, asoziale und kriminelle Menschen wären. Das sind sie nicht. Und trotzdem ist es für sie härter eine besseren Job zu bekommen als ihre Eltern, weil soziale Beziehungen und Unterstützung dafür fehlen. Einem solchen Menschen wird nichts anderes übrig bleiben als von seinen Freunden „Abschied“ zu nehmen, denn er wird andere Freunde haben wollen, über andere Witze lachen, andere Filme sehen, andere Klamotten tragen. Sie werden sich fremd werden und womöglich werden auch seine Eltern ihm fremd werden, ihre Werte, ihre Ansichten und Vorurteile über Politiker und anderen Besserverdienenden. Dieser Weg ist für einen jungen Menschen sehr schwer und kann nur von einem kleinen Teil begangen werden. Aber gerade in diesen Jahren, zu der Schulzeit, müsste er begangen werden, wenn diesem Menschen der Weg überhaupt bewusst ist, weil er von niemandem aus seinem Bekanntenkreis vorgemacht wird.
Als ich las, was diese Jungs da über ihre Motive sprachen, überlegte ich mir, warum sie meinen, dass ihnen dies Ruhm und Stolz bringen würden. Die Scharia und den Säkularismus haben sie sicherlich nicht begriffen.
Fanatismus fällt bei hoffnungslosen und sich betrogen fühlenden Menschen schnell auf fruchtbaren Boden. Das war meine Erklärung. Natürlich gibt es auch mitgefühllose Psychopathen, aber die meine ich hier nicht. Ich meine, warum im Osten die Rechten so erstarken, warum in den französischen Banlieues die Kriminalität so hoch liegt, warum sich die Arbeitslosigkeit in Kreuzberg und Marzahn konzentriert. Das ist eine Kriminalität, die eben nicht von Psychopathen oder raligiös-fanatisierten Intellektuellen begangen wird, sondern aus Wut, Enttäuschung, Hoffnungslosigkeit, Rache und suche nach Anerkennung, Stolz, Identität und vor allem von jungen Männern.
Entschuldigen soll das nichts aber etwas erklären und dann vielleicht auch, wo man ansetzen müsste, um die Probleme zu lösen:
- soziale Mischung
- Bildung und Erziehung in der Schule, wenn das private Umfeld der Kinder dies nicht leistet
- und damit Vermittlung von Werten, auf die es sich lohnt, stolz zu sein und vom lohnenswerten Nutzen der Freiheiten, die von Vorfahren erst erkämpft werden mussten und von Freunden und Zusammenhalt aus verschiedenen Schichten.
Ich denke, es ist lohnender Menschen zu bilden, zu integrieren, zu verstehen und zu tolerieren, als zu verurteilen. Ich denke, man muss Menschen Verantwortung über etwas wichtiges übergeben und ihnen damit Vertrauen aussprechen und dann passen sie darauf auf, gewinnen Stolz und Achtung durch ihre eigene Tätigkeit.