Jugendschelte von Sokrates

Hallo Experten,
keine wirklich philosophische Frage, aber ich hoffe hier am ehesten auf einen Wissenden zu stoßen. Folgendes Zitat soll von Sokrates sein, es wird aber auch Zweifel an der Autorenschaft geäußert. Weiß jemand etwas genaueres?

„Die Jugend liebt heute den Luxus, sie hat schlechte Manieren, verachtet die Autorität, hat keinen Respekt mehr vor älteren Leuten und schwätzt statt zu arbeiten. Die Jugendlichen stehen nicht mehr auf, wenn Ältere das Zimmer betreten. Sie verschlingen bei Tisch die Speisen und legen die Beine übereinander. Sie widersprechen ihren Eltern und tyrannisieren ihre Lehrer.“

Gruß!
Christian

Hallo Christian,

Weiß jemand etwas genaueres?

Christoph Drösser weiß mehr
http://www.zeit.de/2004/16/Stimmts_Sokrates

Gandalf

„Die Jugend liebt heute den Luxus, sie hat schlechte Manieren,
verachtet die Autorität, hat keinen Respekt mehr vor älteren
Leuten und schwätzt statt zu arbeiten. Die Jugendlichen stehen
nicht mehr auf, wenn Ältere das Zimmer betreten. Sie
verschlingen bei Tisch die Speisen und legen die Beine
übereinander. Sie widersprechen ihren Eltern und tyrannisieren
ihre Lehrer.“

Hallo Christian!
Mit diesem Zitat verhält es sich wie mit einem Zitat aus einem Drama: Man kann die Aussage einer fiktiven Figur nicht als Ansicht des Autors ausgeben.
Der Kontext der „Jugendschelte“ ist folgender:
Platon beschreibt in den Büchern „Staat“ 1-7 die Einrichtung und die Errichtung seines Idealstaates. Dann muss er aber zugeben, dass auch dieser vergänglich sein wird („weil allem Gewordenen der Verfall innewohnt …“); nur: worauf ist die Vergänglichkeit zurückzuführen?
Da behauptet nun Platon, dass bei der Zuchtauswahl (es handelt sich in Wirklichkeit ja um einen abscheulichen Zwangsstaat) ein (nicht nachvollziehbarer komplizierter Rechen-)Fehler gemacht wurde.
Das bedeutet nun, dass die Jugend sich anders verhält als die Ältern und der Idealstaat sich in einen anderen und schlechteren verwandelt und dieser wieder ebenso, bis schließlich der schlechteste, die absolute Gewaltherrschaft, die Tyrannis erreicht ist.
Der zitierte (eher sinngemäß adaptierte) Passus passt in den Zusammenhang der Entartung der Demokratie zur Tyrannis; denn immer geht der Anstoß zur Veränderung, die ja eine Depravierung ist, vom nicht gebändigten Fehlverhalten der Jungen aus, und zwar in der Weise, dass der Hauptvorzug der jeweiligen Staatsform übertrieben wird, im Fall der Demokratie eben die Freiheit.
Die Beschreibung dieser Entwicklung steht im 8. Buch von Platons „Staat“ („Politeia“), Buch 9 enthält dann die Beschreibung des tyrannischen Menschen [sehr lesenswert!] und des ebensolchen Staates.
Platon behauptet also: Die Bürger haben den Staat, den sie aufgrund ihres Wesens wollen.
Dass Sokrates die Jugend nicht mochte, ist ein Irrglaube. Er wurde ja angeklagt und hingerichtet, weil er u. a. die Jugend verführe; damit war gemeint, dass sie seine Gedanken und sein Prüfverfahren aufnahmen. Er hatte ständig junge Leute um sich, wie man in Platons Dialogen und in den „Denkwürdigkeiten“ (Memorabilia) des Xenophon nachlesen kann, und ganz Athen fragte sich, woran das lag, wo er doch so hässlich war.
Richtig ist, dass er mit Kindern, auch mit seinen eigenen, nicht umgehen konnte oder wollte.
Gruß!
H.