Jugendsprache historisch und weltweit

Guten Tag,

mich würde interessieren, wo ich Artikel darüber finden kann, wie die Jugendsprache vor den 80er Jahren „ausgesehen“ hat. Welche Besonderheiten gab es damals? Mich interessieren alle Informationen, die zurückreichen. Egal, ob aus den 1950ern oder im 18 Jh. Ab den 1980er gibt es ja jede Menge im Netz und auch in Büchern zu finden…

Darüberhinaus hätte ich gerne Infos über Jugendsprachen weltweit. Wie ausgeprägt sind sie in anderen Ländern und Regionen? Gibt es Länder, in denen sich so gut wie keine eigenständige Jugendsprache herausgebildet hat etc.

In neugieriger Aufregung wartet
Sulamith

Guten Abend, Sulamith!

wie die Jugendsprache vor den 80er Jahren „ausgesehen“ hat.

Da das Problem „Jugendsprache“ als eine eigene Form des „Sprachverfalls“ erst Ende der Sechziger, Anfang der Siebziger entdeckt wurde, musst du, wenn du über dieses Phänomen Informationen suchst, Bücher und Artikel zum Thema „Sprachverfall, Sprachverderbnis“ aus den Jahren vorher suchen.

Und über dieses Thema gibt es Bibliotheken. Die ältesten Druckwerke dazu gehen ins siebenzehnte Jahrhundert zurück.

Welche Besonderheiten gab es damals?

Schau dazu Filme aus der Zeit an, in denen Peter Kraus, Cornelia Frobess und die deutschen Stars der Fümfziger und Sechziger mitgespielt haben. Auch die frühen Beatles-Filme führen solche Sprache vor.

Zur letzten Frage muss ich passen.

Gruß Fritz

Moin, Fritz,

der Fümfziger

waren das nicht die Fümpfziger? Aber zur Sache: Eine „Jugendsprache“ hat sich wohl erst entwickelt, als jedermann ins Kino gehen konnte und mehr oder weniger gleichzeitig die Autoritäten in Frage gestellt wurden. Wenn meine Eltern ihren Eltern die Flapsigkeiten an den Kopf geschmissen hätten, die wir uns erlaubt haben, hätte es Ohrfeigen gesetzt. Uns hat man damit nur noch gedroht.

Gruß Ralf

Moin, Ralf,

Eine „Jugendsprache“ hat sich wohl erst entwickelt, als jedermann
ins Kino gehen konnte

Das war wohl schon während der Nazizeit mögliche, abder dies

und mehr oder weniger gleichzeitig die Autoritäten in Frage gestellt wurden.

konnte erst nach dem Krieg geschehen, als diese Autoritäten gezeigt hatten, dass sie falsch und Popanze waren.

Auch in den Siegerstaaten, woher uns zum Beispiel der Rock ‚n‘ Roll und die Filme mit den jungen Marlon Brandon, James Dean und Elvis Preley zuwuchsen.

Da haben sich dann die deutschen Halbstarken mit Peter Kraus und Conny Frobess angehängt.

Und so ist in der Tat zu vermuten, dass es zu diesen Zeiten noch keine Jugendsprache gab. Die Jungen haben den Alten nachgesungen.

Und es könnte gut sein, dass in der Nazizeit und schon vorher die Parteien ganz rechts und links jargonbildend waren, in der Weimarer Republik spielten vielleicht die Intelektuellen, Literaten und Künstler - etwa im Berlin oder in München der Goldenen Zwanziger eine Rolle und im Kaiserreich natürlich das Militär und vielleicht das erstarkende Proletariat.

Und die Jungen bedienten sich je nach ihrer Herkunft eines dieser Jargons.

Gruß Fritz

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Hallo, Sulamith,
eine Art „Jugendsprache“ hat es eigentlich schon immer gegeben. Wenn ich mir die alten Studentenlieder (aus dem 18. und 19. Jh.) anschaue, wimmelt es darin von Begriffen und Metaphern, die nur dazu dienten, sich von den „Philistern“, also der älteren Generation abzugrenzen. Und genauso wurde es auch später gehalten - siehe die „Wandervogel“-Bewegung aus den frühen Jahren des vergangenen Jahrhunderts. Auch dort wirst Du vielfach fündig werden.

Ich erinnere mich, dass in den 50er Jahren mein Großonkel mit dem Wort „toll“ nichts anzufangen wußte. Auch „dufte“ war ihm unbekannt. Und da er im Süden Deutschlands lebte, war ihm der Ausdruck „knorke“ nicht geläufig, obwohl er seiner Generation entstammte, nur eben eher in Berlin gebräuchlich war.

Ebenfalls in den späten 50ern trafen wir Pennäler uns am Nachmittag in der Stadt zu stundenlangen „Stehkonventen“, begrüßten uns lauthals mit „Wohllust!“, was uns in dieser stockkatholischen Stadt mehr als einmal verwunderte, erstaunte bis missbilligende Blicke der Vorübergehenden eintrug.

Der Einfluß der beginnenden Popkultur, die sich ja besonders an Musik und Filmen festmachte (Bill Haley, Elvis Presley, James Dean etc.) und sich in Kleidung, Haartracht und Ausdrucksweise darstellte, trug dazu bei, dass diese Abgrenzung besonders deutlich wurde.

Ich erwähne in diesem Zusammenhang die Jugendkultur der „Mods“ und „Rocker“, die sich besonders in England (teilweise gewalttätig) gegenüberstanden. Die einen in übertrieben konservativer, die anderen in betont progressiver Selbstdarstellung.

Das setzte sich in den 60ern fort und mündete schließlich in der sog. „68er“-Bewegung. In dieses Jahrzehnt fällt z.B. auch der „Haarerlaß“ der Bundeswehr (und auch mein Schnäuzer hat sich aus dieser Zeit erhalten :smile: )

Wie es dann in den 70ern und 80ern weiterging, hast Du ja dann selbst erlebt.

Gruß
Eckard

Und so ist in der Tat zu vermuten, dass es zu diesen Zeiten
noch keine Jugendsprache gab. Die Jungen haben den Alten
nachgesungen.

Hallo, Fritz und Ralf,
dass ich dem sanft widerspreche wird aus meinem obigen Beitrag sicher deutlich.
Die Jugend hat wohl schon immer versucht wider den Stachel zu löcken und sich in Ausdrucksweise, Mode und Lebensführung von der Vorgeneration abzugrenzen. Dass ihnen mit zunehmender persönlicher Freiheit immer besser gelang ist allerdings unbestritten.

Gruß
Eckard

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Servus Eckard,

mit scheint, dass zu einer Subkultur der Jugend die Möglichkeit gehört, eigene Strukturen als materielle Träger einer Insidersprache zu entwickeln.

Dazu gehören die von Dir zitierten Scholaren und Studenten, auf wesentlich breiterer Grundlage meines Erachtens die Jugendbünde der 1920er Jahre, die es ohne die zwangsweise Organisation einer vorher nicht dagewesenen Zahl von Jugendlichen ohne Kontrolle durch Eltern und Lehrer und unter Aufhebung der Stände 1914-1918 nicht gegeben hätte. Vergleichbares auch in den frühen 1950er Jahren: Vorübergehend keine, später fast keine Väter mehr und eine Generation von Kindersoldaten, Flakhelfern etc., die „nur“ unter disziplinarischer Kontrolle durch ihre Offiziere gelebt hatte, aber durch den elterlichen Zeigefinger so gut wie nicht mehr beeinflussbar war.

Ohne diese „Umwertung der Werte“ hätten Beatniks, später „Halbstarke“ und Rocker wohl ganz anders gelebt.

Schöne Grüße

MM

Grüßdich, Eckard!

dass ich dem sanft widerspreche wird aus meinem obigen Beitrag sicher

deutlich.

Dein Einspruch in allen Ehren, ich sehe aber dennoch einen Unterschied zwischen den von dir genannten Phänomenen und dem, was heute Jugensprache heißt, die ich z.T. für das künstliche Produkte einer überläufigen Medienlandschaft halte. Frage ich z. B. die mir zugänglichen Jugendlichen nach Wörtern, die laut diversen Publikationen „Jugendsprache“ sind, so herrscht sehr oft die schiere Unkenntnis.

Sicher „kuhl, geil, ätzend, voll geil, megatrendy“ sind bekannt, aber all die verqueren Wortschöpfungen wie „voll optisch, Orgasmusbeschleuniger, Pappmaul, Parkbankphilosoph“ - ich habe willkürlich eine Seite des „Wörterbuchs der Jugendsprache“ von Pons aufgeschlagen - sind weithin unbekannt und wohl nur in gewissen Regionen und Kreisen verbreitet.

Soweit mein genereller Zweifel an „wirklicher Jugendsprache“.

Dass es besonders beliebte Wort zu bestimmten Zeiten gab und gibt, sind Modererscheinungen.

So etwa "kollosal, pyramidal, knorke

  • (soll von Claire Goll erfunden worden sein. Es gab damals einen Kaffee, der Lorke hieß und als schwach verrufen war. Die Goll bestellte also einmal in einem Café einen Kaffee und sagte dazu: Aber nicht von Lorke, sondern knorke!),

dufte, toll, tierisch,

  • (war in unserer WG desonders beliebt),

galaktisch, cool, geil …"

Die Jugend hat wohl schon immer versucht wider den Stachel zu löcken und sich in Ausdrucksweise, Mode und Lebensführung von der Vorgeneration abzugrenzen.

Das ist sicher richtig aber deine Beispiele oben

eine Art „Jugendsprache“ hat es eigentlich schon immer gegeben. Wenn ich mir die alten Studentenlieder (aus dem 18. und 19. Jh.) anschaue, wimmelt es darin von Begriffen und Metaphern, die nur dazu dienten, sich von den „Philistern“, also der älteren Generation abzugrenzen.

Diese Burschen aber wussten, dass sie nach ihrer Burschenzeit Senioren werden und sind gern in ein sattes Philistertum eingekeht. Was selbst in den Liedern ausgedrückt wird: => O alte Burschenherrichkeit …

Eine Ausnahme bilder natürlich der „Blaurote Methusalem“!

Und genauso wurde es auch später gehalten - siehe die „Wandervogel“-Bewegung aus den frühen Jahren des vergangenen Jahrhunderts. Auch dort wirst Du vielfach fündig werden.

Hier stimme ich dir zu; die Wandervögel hatten eine eigene Struktur und andere Ziele als ihre Elterngeneration. Sind aber jämmerlich im Nationalsozialisch auf- und untergegangen.

Ich erinnere mich, dass in den 50er Jahren mein Großonkel mit dem Wort „toll“ nichts anzufangen wußte.

Das ist nun so ein Modewort, wie ich sie oben nannte; solche aber konstituieren keine eigene Binnensprache wie etwa die Jäger- oder Mediziener- oder Computerfreaksprache.

Zu

„knorke“

siehe oben.

Ebenfalls in den späten 50ern trafen wir Pennäler uns am Nachmittag in der Stadt zu stundenlangen „Stehkonventen“, begrüßten uns lauthals mit „Wohllust!“, was uns in dieser stockkatholischen Stadt mehr als einmal verwunderte, erstaunte bis missbilligende Blicke der Vorübergehenden eintrug.

Das gehört nun wieder zu den Modewörtern, wie später „scheißliberal, scheißbourgois“ etc", damals kam auch „geil“ in seiner neuen Bedeutung auf.
Dazu gehören auch die langen Haare, die Hose mit Schlag, die giggerlbunten Klamotten der Flowerpowerzeit. Mein Jackett aus der Zeit ist inzwischen ein Fasnachtskleidungsstück geworden.

Dass ihnen mit zunehmender persönlicher Freiheit immer besser gelang ist allerdings unbestritten.

Das ist wieder „voll“ akzeptiert. Es kommt hinzu, dass die meisten jungen Leute absehen, dass sie das, was ihre Eltern erreichten, nicht ohne Probleme erreichen können.

Gruß
Fritz

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mit scheint, dass zu einer Subkultur der Jugend die
Möglichkeit gehört, eigene Strukturen als materielle Träger
einer Insidersprache zu entwickeln.

Hallo, Ihr beiden,
dann hätten wir wohl dem Umstand einer „vaterlosen Gesellschaft“ - nach dem 1.WK ging der „Pater Patriae“ verloren, nach dem 2.KW. vielfach die persönlichen Väter - das entstehen von Jugendkulturen zu verdanken.

Die Öffentliche Aufmerksamkeit für diese Jugendkulturen wäre dann für das Verbreiten von früher nur regionalen oder gruppenspezifischen Ausdrucksweisen der Angehörigen dieser Kultur verantwortlich.

Leuchtet mir ein.
Gruß
Eckard

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Hallo, Eckard,

es kommt hinzu, dass man heute im „Hotel Mama“ bis übers dreißigste Lebensjahr hinaus als und wie ein „Jugendlicher“ leben kann.

Wenn man früher, in meiner Elterngeneration bereits mit zwanzig oder Fünfundzwanzig Ehepaar und Erlten war, sieht alles ganz anders aus, als wenn man bis 34 studiert, wie ich es tat.

So kann die Pubertät zehn bis fünfzehn Jahre dauern. Und in der Zeit handelt man eben wie ein Jugendlicher und redet Jugendsprache.

Und da die Leute einen Marktwert haben, werden sie auch entsprechend bedient.

So kann es schon sein, dass diese Ausdrucksweise nicht nur eine Sprachmode ist, sondern ein eigener Jargon der Jugendlichen, also eine Binnensprache.

Ziemlich viel davon ist auch Denglisch.

Gruß Fritz

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Servus Eckard,

dieses:

Die Öffentliche Aufmerksamkeit für diese Jugendkulturen wäre
dann für das Verbreiten von früher nur regionalen oder
gruppenspezifischen Ausdrucksweisen der Angehörigen dieser
Kultur verantwortlich.

hat mir eine freundliche Erinnerung an Pete Townshends „Tommy“ gebracht, und wenn ich mich von heute aus dran erinnere, denke ich, dass das Opus gar nicht so banal ist, wie es mir damals vorgekommen ist: „See me - feel me - touch me…“ ist eigentlich die Hymne einer Generation von sprachlosen Kindern sprachloser Eltern.

Andererseits wäre die Gegenprobe noch zu machen: In den USA sahs ja ein bissel anders aus: Zwar war auch dort 1946 sehr vieles nicht wie vorher, aber zurückgekommen sind (im Vergleich zu Europa) fast alle. Trotzdem ist das Lebensgefühl von J.D. Salinger (grade gelesen: Er war bei den Teilen der U.S. Army, die von der Ardennenoffensive überrascht wurden) und Jack Kerouac (der sehr kurz bei der Marine war, aber zu einer Zeit, als die deutsche U-Boot-Waffe noch ziemlich aktiv und gefährlich war) ganz ähnlich wie das des deutschen „Kahlschlags“. Beide würde ich als Gallionsfiguren einer Jugend-Subkultur betrachten, die in sich so fest gefügt und durch tiefes Misstrauen gegenüber „den anderen“ so weit in sich abgeschlossen war, dass sie schon eine über Moden hinaus gehende eigene Sprache entwickelt hat. Die in einigen Dingen auch nicht vorbei gegangen ist, sondern in unserer Umgangssprache fortlebt: Wer denkt heute dran und wer denkt überhaupt nicht mehr dran, wenn er Begriffe ganz selbstverständlich verwendet, die eigentlich Metaphern aus der Drogenszene sind: „Wie ist denn der drauf?“ - „Komm mal wieder runter!“ - „Die hat mich ganz schön gelinkt!“ - „Das war der blanke Horror!“ etc. etc.

Kurz: Meine Mutmaßungen über die „Vaterlosen“ treffen den Kern der Chose wohl noch nicht, weil sie einem internationalen Vergleich nicht standhalten.

Schöne Grüße

MM

hallo fritz,

bliebe als ergänzung zu sagen, daß sich mal eine journalistin mit diesem buch rangemacht hat, sich unter die jugendlichen zu mischen, um festzustellen, daß die gruppe der angeblichen anwender dieser sprache die dort verzeichneten wörter und redewendungen genausowenig kannten.

strubbel
j:open_mouth:)

bliebe als ergänzung zu sagen, daß sich mal eine journalistin mit diesem buch rangemacht hat, sich unter die jugendlichen zu mischen, um festzustellen, daß die gruppe der angeblichen anwender dieser sprache die dort verzeichneten wörter und redewendungen genausowenig kannten.

Meine Rede, liebe Strubbel, seit '70! :smile:

Gruß Fritz

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