Grüßdich, Eckard!
dass ich dem sanft widerspreche wird aus meinem obigen Beitrag sicher
deutlich.
Dein Einspruch in allen Ehren, ich sehe aber dennoch einen Unterschied zwischen den von dir genannten Phänomenen und dem, was heute Jugensprache heißt, die ich z.T. für das künstliche Produkte einer überläufigen Medienlandschaft halte. Frage ich z. B. die mir zugänglichen Jugendlichen nach Wörtern, die laut diversen Publikationen „Jugendsprache“ sind, so herrscht sehr oft die schiere Unkenntnis.
Sicher „kuhl, geil, ätzend, voll geil, megatrendy“ sind bekannt, aber all die verqueren Wortschöpfungen wie „voll optisch, Orgasmusbeschleuniger, Pappmaul, Parkbankphilosoph“ - ich habe willkürlich eine Seite des „Wörterbuchs der Jugendsprache“ von Pons aufgeschlagen - sind weithin unbekannt und wohl nur in gewissen Regionen und Kreisen verbreitet.
Soweit mein genereller Zweifel an „wirklicher Jugendsprache“.
Dass es besonders beliebte Wort zu bestimmten Zeiten gab und gibt, sind Modererscheinungen.
So etwa "kollosal, pyramidal, knorke
- (soll von Claire Goll erfunden worden sein. Es gab damals einen Kaffee, der Lorke hieß und als schwach verrufen war. Die Goll bestellte also einmal in einem Café einen Kaffee und sagte dazu: Aber nicht von Lorke, sondern knorke!),
dufte, toll, tierisch,
- (war in unserer WG desonders beliebt),
galaktisch, cool, geil …"
Die Jugend hat wohl schon immer versucht wider den Stachel zu löcken und sich in Ausdrucksweise, Mode und Lebensführung von der Vorgeneration abzugrenzen.
Das ist sicher richtig aber deine Beispiele oben
eine Art „Jugendsprache“ hat es eigentlich schon immer gegeben. Wenn ich mir die alten Studentenlieder (aus dem 18. und 19. Jh.) anschaue, wimmelt es darin von Begriffen und Metaphern, die nur dazu dienten, sich von den „Philistern“, also der älteren Generation abzugrenzen.
Diese Burschen aber wussten, dass sie nach ihrer Burschenzeit Senioren werden und sind gern in ein sattes Philistertum eingekeht. Was selbst in den Liedern ausgedrückt wird: => O alte Burschenherrichkeit …
Eine Ausnahme bilder natürlich der „Blaurote Methusalem“!
Und genauso wurde es auch später gehalten - siehe die „Wandervogel“-Bewegung aus den frühen Jahren des vergangenen Jahrhunderts. Auch dort wirst Du vielfach fündig werden.
Hier stimme ich dir zu; die Wandervögel hatten eine eigene Struktur und andere Ziele als ihre Elterngeneration. Sind aber jämmerlich im Nationalsozialisch auf- und untergegangen.
Ich erinnere mich, dass in den 50er Jahren mein Großonkel mit dem Wort „toll“ nichts anzufangen wußte.
Das ist nun so ein Modewort, wie ich sie oben nannte; solche aber konstituieren keine eigene Binnensprache wie etwa die Jäger- oder Mediziener- oder Computerfreaksprache.
Zu
„knorke“
siehe oben.
Ebenfalls in den späten 50ern trafen wir Pennäler uns am Nachmittag in der Stadt zu stundenlangen „Stehkonventen“, begrüßten uns lauthals mit „Wohllust!“, was uns in dieser stockkatholischen Stadt mehr als einmal verwunderte, erstaunte bis missbilligende Blicke der Vorübergehenden eintrug.
Das gehört nun wieder zu den Modewörtern, wie später „scheißliberal, scheißbourgois“ etc", damals kam auch „geil“ in seiner neuen Bedeutung auf.
Dazu gehören auch die langen Haare, die Hose mit Schlag, die giggerlbunten Klamotten der Flowerpowerzeit. Mein Jackett aus der Zeit ist inzwischen ein Fasnachtskleidungsstück geworden.
Dass ihnen mit zunehmender persönlicher Freiheit immer besser gelang ist allerdings unbestritten.
Das ist wieder „voll“ akzeptiert. Es kommt hinzu, dass die meisten jungen Leute absehen, dass sie das, was ihre Eltern erreichten, nicht ohne Probleme erreichen können.
Gruß
Fritz