Vielen Dank für Ihre differenzierte Antwort. Ich denke, ich verstehe jetzt besser, was Sie sagen wollen.
Ich will nicht länger warten, sondern auf Ihr letztes Posting
grob eingehen, was die Gegensätze zwischen einer
Weltanschauungen der Mechanik und des Wesens betrifft. Die
eigentliche Schlüssel-Erkenntnis habe ich, so eigenartig es
klingt, erst durch jahrelange Studien von Nietzsche begriffen
und seiner Kritik an der „mechanistischen Welt-Vertölpelung“.
Zudem kritisiert Nietzsche die Engländer, dass sie keine
„philosophische Rasse“ seien. Was er aber damit im einzelnen
meint, sagt er leider nicht…
Lassen wir die Engländer einmal beiseite(ich könnte mir vorstellen, dass er sich damit auf den Empirismus bezieht, der ja prima facie stark von englischen Denkern, auf den zweiten Blick, aber von Schotten und Iren, geprägt war.), ich glaube ja, dass ich Ihre Einstellung verstehe und sie in gewisser Weise auch Teile: Man hat es sich heute zur Angewohnheit gemacht, den Menschen als ein komplexes System mechanistischer und physikalistischer Vorgänge zu begreifen, seine mentalen Zustände auf das Feuern von Neuronen, seine Gefühle auf Stimuli und Termini der Evolutionstheorie zu reduzieren. Ich teile vollkommen Ihre Abneigung gegen diese Denkrichtung, die vor allem in den Medien als die vorderste Front wissenschaftlicher Erkenntnis propagiert wird. Mir genauso wie Ihnen, stellen sich bei der Vorstellung der völligen Determiniertheit des Menschen durch Außeneinflüsse und chemische Reaktionen im Hirn, die Nackenhaare auf. Intuitiv scheinen Sie, und ich eine Ahnung, oder vielleicht eine Überzeugung zu haben, dass materialistische Erklärungsmodelle nicht alles sein können. Schließlich haben wir doch als Menschen eine Art grundsätzlicher Selbstwahrnehmung, und diese Selbstwahrnehmung, unser Selbstbewusstsein und Introspektion, scheint Beweis genug zu sein, dass der Mensch durch mehr gegeben ist, als durch kausale Wechselwirkungen seines physischen Leibes. Schließlich gibt es doch Gedanken, Gefühle, Wünsche und propositionale Einstellungen aller Art, die eine Art irreduziblen Erleblisgehalt, die Qualia, die sie ebenfalls erwähnten, haben.
Ich denke der zentrale Punkt an dieser Sicht der Dinge(tatsächlich hängt damit ja auch eine ontologische Verpflichtung zusammen), ist tatsächliche, harte und unumschiffbare Argumente zu finden, die sie stützen. Seien Sie mir nicht böse, aber bisher haben Sie Ihre Sicht eben nur behauptet. Weder haben Sie die Gegenposition gefährlich verwundet, noch eigene Argumente für Ihre Sicht vorgetragen und ich denke daran stören sich auch einige Teilnehmer der Diskussion.
Doch sie nur zu behaupten tut Ihrer Anschauung, die ich wie gesagt im Kern teile, unrecht. Sie kann mehr, als nur behauptet zu werden, sie kann Argumente formulieren, die nicht schon von der Setzung dieser Sicht ausgehen und danit zirkulär sind(ein Vorteil, der vielen materialistisch-physikalistischen Erklärungsversuchen fehlt!) und ich denke unsere Aufgabe, da wir nuneinmal eine solch problematische, obskure und heutzutage schon esoterisch anmutende Sichtweise vertreten, sollte es sein, Argumente für sie zu finden.
Wenn man diese beiden Linien der Welterklärungen weiter durch
die Geschichte hindurch verfolgt, landet man bei den heutigen
Vertreter der Mechanik sowie deren gegensätzlicher Vertreter
des Wesens - oder des SELBSTGEFÜHLS.
Gibt es Vertreter letzterer Einstellung überhaupt, bzw. wen würden Sie da einordnen?
Das ist meine grobe Erkenntnislinie, die man aber dahin gehend
ausbauen müsste, diese Gegensätze konstruktiv zu überwinden.
Das tat ich eigentlich schon mit meinem Beispiel, dass ich zum
Nutzen meines Alltags ja ständig die Mechanik benütze (auch
Steine, wie sie Physik und Chemie beschreiben), dass ich aber
als Wesen nicht darauf reduzierbar bin, das heißt, ich
INTEGRIERE die Weltanschauung der Mechanik!
Das finde ich sehr interssant. Auch ich glaube, dass eine Ausbaut dieses Gedankens sehr gut Früchte tragen könnte. Ich als Schulphilosoph denke nun impertinent daran, diese synthetische Überwindung der beiden Teile auch in der Theorie zu formulieren. Würden Sie sagen, dass es solche Bestrebungen bereits gibt, oder dass man da ganz neu anfangen müsste? Ich denke zum Beispiel daran, dass Kant in der Kritik der reinen Vernunft ja eine recht ähnliche Idee hat: Nämlich sowohl dem Empirismus als auch dem Rationalismus zu widersprechen und gleichzeitig zuzustimmen und zu widersprechen, indem beiden zwar die Wichtigkeit ihrer Erkenntnisquelle zugesprochen, gleichzeitig aber der Absolutseinspruch beiden abgesprochen wird. Erkenntnis und dann nur in der Kooperation von Sinnlichkeit und Verstand(Empirie und Ratio) möglich.
Ganz ähnlich wie Kant(der Idee der Kooperation der beiden Richtungen nach) würden Sie also sagen, beiden Richtungen Mechanik und Wesen wird in ihrem Bereich Geltungsanspruch zugesprochen, Probleme entstehen nur, wenn eine der beiden Richtungen ihre Grenzen nicht kennt(wenn Bepielsweise ein Wesensvertreter versucht, Gravitation durch das „Wesen der Dinge“ zu erklären).
Würden Sie bei einer solchen oder ähnlichen Entwicklung mitgehen?
Praktisch ausgedrückt: Was Mathematik, Physik und Chemie
beschreiben, ist NÜTZLICH zur Weltanschauung der untersten
Ebenen des praktischen Überlebens (Beispiel Technik). Das
Wesen aber (auch transzendentes, was aber immer einen Glauben
voraussetzt, aber auch den kann man mit der Methode von
Husserl durch praktische Meditation zu einer evidenten
Erfahrung machen) ist das Umfassende, Ganze,
Selbstbewusstsein, ausgehend vom Ich, das auf der höchsten
Erfahrungsebene auflösbar ist im absolut „Einen“ (Wilber).
Diesen Abschnitt verstehe ich nicht ganz, aber es klingt als würden Sie den Richtungen hierarschische Ordnung zuweisen. Das halte ich für gefährlich und kann es nicht unterstützen. Wie ist ein solches Unterfangen zu rechtfertigen? Müsste man nicht zunächst eine wertfreie Gegenüberstellung wagen?
Diese Selbsterkenntnis und Selbsterfahrung setzt durch die
Meditation auch immer einen Glauben oder besser gesagt eine
ÜBERZEUGUNG voraus. An diesem Punkt kommt man nicht weiter als
bis zu dem, wie es schon Protagoras erkannte: Es ist und
bleibt mit Sicherheit immer nur der Mensch SELBST. Und im
Gegensatz zu Descartes muss ich sagen, ich kann ich auch an
meiner eigenen Selbsterkenntnis und Selbsterfahrung täuschen.
Sie meinen damit, eine Überzeugung könne man nicht weiter begründen? Ich bin anderer Ansicht. Zwar ist nie Letztnegründung möglich, doch stützen lässt sich eine Überzeugung sehr wohl. Zum Beispiel durch empirische Daten oder logische Überlegungen.
Ich muss sagen, dass ich Ihre letzte These über die Möglichkeit der Täuschung des cogito vor allem im Rahmen ihrer Theorie nicht verstehe und für ein wenig widersprüchlich halte. Sie sagten doch selbst, Ihre These, es gebe ein „Wesen“ im Menschen, sei Ihre Erfahrung mit Sich, basiere auf Ihrer Selbsterkenntnis. Nun aber streiten Sie ab, dass eine solche Erfahrung evident sein muss. Wenn aber Ihre Theorie hauptsächlich darauf gründet, dass Selbsterfahrung evident und irreduzibel ist, Sie dann aber behaupten Selbsterfahrung könne auch täuschen, zerstört das die Basis Ihrer eigenen Theorie. Sie müssten dann vor Ihre Wesensthese immer einen modalen Term stellen. Soetwas wie: „Es ist möglich, dass ich ein Wesen besitze. Es kann sein, aber sicher sein kann ich mir nicht, denn auch Selbsterfahrung und Selbsterkenntnis sind fallibel.“
Dann ist Ihre These aber sehr schwach und kann kaum Gültigkeitsanspruch erheben. Schließlich „könnte“ sehr Vieles der Fall sein, uns aber interessiert, was konkret der Fall IST.
Ich wünsche noch einen erholsamen Abend