Hallo,
Was aber ist mit dem alten Polytheistischen Göttern. Zeus und
Konsorten? Ziemlich menschlich, nachvollziehbare Motivationen
und alles in allem gar nicht so mächtig. Unterm Strich findet
sich in den entsprechenden Sagen und Mythen wenig, was man
(wenn man einiges als Ausschmückung versteht) nicht mit einer
entsprechend hochentwickelten Technologie erklären könnte.
im Leben eines kleinen Kindes gibt es Wesen mit nachvollziehbaren ziemlich menschlichen Motivationen, mächtig, aber nicht gar so mächtig, die über überlegenes Wissen und Technologie verfügen: die Eltern vor allem, andere Erwachsene, und auch ältere Geschwister. Das kleine Kind liebt diese Wesen, bedingungslos, aber das ist keine Liebe auf Augenhöhe, sondern weil es diese überlegenen Wesen zum eigenen Überleben braucht und von ihnen genährt wird.
Mit diesem Vergleich möchte ich die Hypothese illustrieren, Religionen seien eine Art Projektion des Verhältnisses kleiner Kinder zu den Eltern. Soweit ich es verstanden habe, findet sich diese Hypothese zum Beispiel bei Erik H. Erikson: in seiner Entwicklungspsychologie, welche auf acht aufeinander aufbauenden Stufen der psychosozialen Entwicklung beruht, setzt er jede Stufe in Beziehung zu einer Institution. Die erste Stufe (Vertrauen versus Urmißtrauen) ist zur Religion in Beziehung gesetzt.
Ich stelle mir vor, daß solche Götter wie in der griechischen Mythologie bereits in der Antike manchen Menschen irgendwie als naive Vorstellung erschienen sind, und so kann man vielleicht den mehr abstrakten Gott der monotheistischen Religionen, der keine menschlichen Züge mehr hat, als eine Art Weiterentwicklung auffassen.
Mit zunehmendem Alter durchschauen die Kinder immer mehr, daß die Eltern auch nur Menschen sind mit Schwächen, und in Wirklichkeit gar nicht mächtig sind, und schließlich, in der Pubertät, werden diese vom Götterthron gestoßen, und auch manche Helden verlieren an Glanz. Andere Leitfiguren treten an die Stelle der bisherigen: Institutionen, Ideologien, Vorgesetzte, neue Helden…
Wir dürfen uns nichts vormachen: wenn wir im Zuge der Aufklärung naiv erscheinende religiöse Vorstellungen hinter uns lassen, treten wir deswegen nicht in einen Zustand der Freiheit von jeglicher Religion ein. Einen solchen Zustand scheint es nicht zu geben. Irgendeine andere Ideologie tritt an dessen Stelle. Zum Beispiel der Glaube an den freien Markt, die Wirtschaft und ihr Wachstum, an das Geld. Im Grunde eine dumpfe Herrenmenschenideologie, die für Schwächen und für schwache Menschen nichts übrig hat. Im Zweifel ist mir ein aufgeklärtes, „gezähmtes“ Christentum, in dem es so etwas wie eine Soziallehre gibt und in dem auch Schwache ihren Platz haben, sympathischer.
Grüße,
I.