Kann man einen weißen Kittel mit einer schicker Jacke oder einem Schal verschönern?

Hallo, liebe Mitglieder dieses Forums.
Neulich hatte ich beruflich in einer kleineren Firma zu tun, die sich mit medizinischen Laboruntersuchungen beschäftigt. Da der Geschäftsführer noch ein Telefonat führte, musste ich kurz im Vorzimmer auf ihn warten. Seine Sekretärin, eine junge hübsche Frau, saß am Computer und schrieb etwas. Sie war sehr elegant gekleidet mit einem dunklen Kostümjacke und einem schönen bunten Seidenschal.
Unter der Kostümjacke trug sie vermutlich eine weiße Bluse, aber so genau konnte ich das aus der Entfernung nicht sehen. Da ihr Chef nach 10 Minuten immer noch telefonierte, bat sie mir einen Kaffee an, den ich dankbar annahm. Als sie daraufhin aufstand, um mir den Kaffee zu holen, sah ich, dass sie unter ihrer Kostümjacke gar keine weiße Bluse, sondern einen weißen Kittel trug.
Bei dem Kittel handelte es sich um einen langen, vorn durchgeknöpften, einfachen weißen Arbeitskittel aus Baumwolle, so wie ihn normalerweise Laborantinnen als Laborkittel tragen. Ich war total verblüfft, denn so etwas hatte ich noch nie gesehen. Sie schien mir meine Verwunderung über ihre ungewöhnliche „Kittel-Kleidung“ anzusehen. Daraufhin erklärte sie mir, dass in dieser Firma alle Mitarbeiter (es handelt es sich nur um Frauen) einen langärmeligen weißen Laborkittel tragen müssen, unabhängig davon, ob sie im Büro-/verwaltungsbereich oder im Labor arbeiten. Der weiße Kittel ist vom Chef als  Berufskleidung vorgeschrieben.
Den Damen im Büro ist es aber erlaubt, bei der Büroarbeit über dem weißen Kittel noch eine Kostüm- oder Strickjacke zu tragen, um so die Kleidung etwas schicker aussehen zu lassen. Wenn sie ins Labor gehen muss, was mindestens zwei bis dreimal am Tag der Fall ist, dann braucht sie nur ihre Jacke auszuziehen und steht sofort im weißen Laborkittel da. Ein Umziehen ist nicht mehr nötig, da sie ja bereits den weißen Kittel an hat. Das spart nach Ansicht ihres Chef Arbeitszeit und es ist ausgeschlossen, dass die Damen aus Versehen „vergessen“ sich einen weißen Kittel anzuziehen und sich so die Kleidung beschmutzen oder sogar zerstören. Das kam früher leider sehr oft vor.
Kann man einen weißen Arbeitskittel wirklich so verschönern oder ist das Unsinn? Wie ist eure Meinung dazu?
Danke für eure Antworten.

hi

Kann man einen weißen Arbeitskittel wirklich so verschönern
oder ist das Unsinn? Wie ist eure Meinung dazu?
Danke für eure Antworten.

Du hast Dir die Frage ja im Prinzip schon selber beantwortet, schließlich schriebst Du ja, daß sie sehr elegant gekleidet wirkte

Gruß
Edith

Hi,

ist wohl ein menschliches Problem: Wer jeden Tag Anzug und Krawatte tragen muss würde sich total freuen wenn der Chef sagt „Ab heute trägt jeder einen weissen Kittel“. Nie wieder morgens vorm Spiegel das richtige Hemd zur richtigen Krawatte zum richtigen Anzug raussuchen. Wer aber täglich einen weissen Kittel tragen muss würde sich freuen etwas Individualität zeigen zu dürfen.

Also aus Sicht der Dame finde ich es toll, als jemand der davon nicht betroffen ist total albern.

Daraufhin erklärte sie mir, dass in dieser Firma alle Mitarbeiter (es handelt es sich nur um Frauen)

Weiss das der örtliche Männerbeauftragte? Ach nee, sowas gibt es ja nicht… :wink:

Gruss
K

Hallo,

das mag zwar schick aussehen, ist im Zweifel aber gefährlicher Blödsinn. Der Kittel ist bei medizinischen Laboruntersuchungen immer potentieller Verschmutzung möglicherweise infektiöser Materialen ausgesetzt. Deswegen darf man eigentlich auch keine Kittel an Hakenleisten übereinanderhängen, weil dann sauber Innen- und kontaminierte Außenseiten zusammenkommen können.
Eigentlich muss es wohl, falls es Spinde gibt, sogar getrennte Spinde für Straßen- und Laborkleidung geben. Freiwillig hat mein AG das sicher nicht gemacht…
Stell Dir mal folgendes Szenario vor: man kontaminiert den Kittel, nicht immer ist das sichtbar. Dann zieht man seine Dekoklamotten drüber, hat damit die Innenseite der Dekoklamotten kontaminiert. Und die trägt man dann mit nach Hause und verteilt die Verschmutzung dort. Super.
Wir dürfen uns nicht mal mit Laborkitteln auf Bürostühle setzen, wegen Kontaminationgefahr, und wir arbeiten nur mit normalen Blutproben, nichts mit erhöhtem Infektionsrisiko…
Gruß

Claudia

Nachtrag
Hallo,

was mir noch eingefallen ist: es wäre rein technisch denkbar, diese dekorative Überbekleidung auch als „Kittel“ zu sehen, sozusagen der Kittel, der die Bürooberflächen gegen die Kontaminationen des echten Kittels schützt. Dann mit kontaminierter Innen- und sauberer Außenseite. Ob das vom Arbeitsschutz her zulässig ist, weiß ich nicht.
Aber es müssten dann auf jeden Fall Stoffe sein, die sich von Kontaminationen befreien lassen. Damit wäre der Seidenschal vermutlich wieder raus, und vermutlich auch die meisten normalen Damenoberbekleidungsstoffe. Ob solche Kleidung brandschutzrechtliche Vorgaben erfüllen muss, weiß ich nicht. Wenn ja, dann sind wir eh wieder bei reiner Baumwolle, ggf. imprägniert.
Generell halte ich es aber für SEHR bedenklich, Kontaminationen mit anderen Klamotten zuzudecken. Wir reden hier nämlich nicht von reinen Schmutzflecken und Erregern wie Schnupfenviren, sondern von allem, was das Patientenspektrum so zu bieten hat, da sind mit etwas Pech HIV, Hepatitis, Schweinegrippe und andere Nettigkeiten dabei. Eben alles, womit man rumlaufen kann ohne gleich ins Krankenhaus zu kommen (im Zweifelsfall wenns blöd läuft außerhalb von Epidemiezeiten und mit unachtsamem Umfeld auch Ebola).

Irgendwann ist halt auch mal Schluss mit Mode, und wenn die Damen es nicht hinkriegen, sich vor dem Labor den Kittel überzuwerfen, dann ists halt doof.
Auch das dort anscheinend derzeit übliche Vorgehen mit Kittel als Dauerkleidung finde ich leicht eklig, wenn die Damen dann mit potentiell unsauberen Kitteln im Bürobereich sitzen und Kontaminationen verteilen *örks* Ich hab mal Experimente gesehen, wo Kittel mit UV-aktiver Farbe präpariert wurden, und dann wurde geschaut, wo sich die Farbe wiederfindet. Bäh!
Ein Kittel gehört ins Labor und sonst nirgendwohin!
Ich habe ein Büro innerhalb eines Labors, neben der Bürotür hängt eine Hakenleiste mit den Kitteln, und die Laufwege innerhalb des Labors sind so geführt und die Laborordnung so geregelt, dass man auch ohne Kittel DURCH das Labor laufen darf. Nur eine Schutzbrille muss man tragen. Und wenn man mit Proben zu tun hat oder sonstwie im Labor arbeitet, holt man sich einen Kittel.
Gruß

Claudia

Hallo Claudia,
vielen Dank für Deine ausführliche Antwort nebst Nachtrag. Ich glaube, dass ich zu meiner Frage etwas richtigstellen muss. In dieser kleinen Firma werden sowohl medizinische - als auch andere Laboruntersuchungen ausgeführt. Das Labor ist wohl eher ein Chemielabor, aber so genau kenne ich mich damit nicht aus. Der Geschäftsführer sagte mir bei der Besichtigung der Firma, dass hier kein infektiöses Material untersucht wird. Für das Labor gelten daher nur die ganz normalen Arbeitsschutzbestimmungen (langärmeliger weißer Laborkittel und Schutzbrille).
Im Labor arbeiten acht Damen und in der Verwaltung vier. Das Problem besteht eigentlich nur darin, dass die Damen aus der Verwaltung mitunter mehrfach am Tag ins Labor mussten, um bestimmte Dinge zu hinterfragen. Für diese Tätigkeit sollten sie sich einen weißen Kittel überziehen. Leider wurde das oft „vergessen“ bzw. der Kittel wurde nur offen getragen. Nachdem sich im Laufe der Zeit einige Damen durch Unachtsamkeit im Labor ihre Kleidung regelrecht ruiniert haben, hat der Chef auch für die Damen der Verwaltung einen weißen Kittel, als ständig zu tragende Berufskleidung, vorgeschrieben

Hallo Lutz,

bei Deinem Nachtrag bleibt eigentlich nur noch zu hinterfragen, warum im Labor Kittel getragen werden sollen.

  1. als Schutz. Dann gibt es also irgendetwas, vor dem man sich mit Hilfe des Kittels im Labor schützen soll. Ob das jetzt infektiös, toxisch oder sonstwas ist, ist egal. Da hilft es immer ganz gut, sich vorzustellen, der Kittel wäre auf der Außenseite damit bedeckt. Blut, toxische Chemikalie (auch da gibt es sehr sehr unschöne Substanzen, die man nicht nach Hause tragen will), was auch immer. Fände man es dann immernoch so gut, wenn die bekittelte Dame sich dann ihre modische Kleidung überwerfen würde, oder wäre diese Kleidung dann irgendwie „bäh“? Wenn bäh, dann bitte vernünftig mit dem Kittel umgehen.

  2. zwecks Optik. Es gäbe also im Labor NICHTS, wovor man sich schützen müsste (wie konnten sich die Damen dann Kleidung ruinieren?). Dann erwartet sich der Chef möglicherweise, dass bekittelte Angestellte entweder innerhalb der Firma oder nach außen besonders kompetent wirken und das Ganze ist Show und nur als Dienstuniform zu sehen. Dann kann über dem Kittel getragen werden, was auch immer gewünscht ist. Man sollte sich dann aber nicht wundern, dass eventuelle sachkundige Besucher am Empfang erstmal schockiert sind (weil eben Kittel in aller Regel SCHUTZkleidung sind) und ein entsprechendes Bild von dem Laden haben, mit möglicherweise entsprechenden Konsequenzen.

Ich arbeite viel in Laboren, und wenn ich sowas sehe, würde ich erstmal von eklatanten Sicherheitsmängeln ausgehen, denn in Laboren erwartet man, dass Kittel wirklich aus Notwendigkeit getragen werden, und nicht als besondere Form der Firmenkleidung.

Ich bleibe weiter dabei: Modepüppchen hin oder her, Arbeitsschutz geht vor. Und wer unter Arbeitskleidung so sehr leidet, dass unbedingt ein Sakko und ein Seidenschal drüber müssen, sollte sich einen anderen Job suchen anstatt sein Umwelt zu gefährden (genau das passiert nämlich bei unsachgemäßem Umgang mit Schutzkleidung).

Grüße

Claudia

Hallo Claudia,
vielen Dank für Deine wirklich sachkundigen Erläuterungen. Ich habe mir so tiefgründig keine Gedanken darüber gemacht. Mir fiel nur auf, dass die Damen in der Verwaltung dieser Firma weiße Arbeitskittel trugen, was ich so bisher nirgends gesehen habe. Warum sie so bekittelt herumlaufen, läßt sich jetzt leider nicht weiter klären. Vielleicht ist ja alles wirklich nur Show, wie Du vermutest, oder es gibt noch andere Gründe, warum sich diese Damen weiße Kittel anziehen. Ich werde bei meinem nächsten Besuch den Geschäftsführen diesbezüglich noch einmal befragen.

Hallo Lutz,

vermutlich macht sich einfach niemand Gedanken. Das erlebe ich leider sehr oft. Solange keine sichtbaren Flecken drauf sind, wird der Kittel als „sauber“ betrachtet. Ist er ja meistens auch. Aber im unreinen Bereich besteht eben die Gefahr, dass man sich mit den Dingen verschmutzt, gegen die der Kittel schützen soll. Sonst gäbe es die Vorschrift nicht. Wie gesagt dürfen unsere (medizinischen!) Labore ohne Kittel durchquert werden, um die Büros im Labor zu erreichen, das Büropersonal muss sich nur eine Schutzbrille nehmen. Die ist zwingend.
Ich arbeite in vielen verschiedenen medizinischen Laboren, da wird dann schon mal Serum auf den Kittel oder die Handschuhe gekleckert, was per Definition infektiös sein kann. Trotzdem macht man dann weiter, lässt die Handschuhe an, patscht fröhlich auf anderen Dingen herum, die möglicherweise auch mal wer ungeschützt anfasst, usw.
Wenn in unseren Laboren Fremdpersonal gearbeitet hat, versenke ich erstmal alles in Desinfektionsmittel, obwohl bei uns nur negativ getestetes Material verwendet wird. Aber trotzdem kann rein theoretisch was Infektiöses drin sein…
Und das Gleiche gilt für Chemikalien. Im Chemiestudium wurde einem das sehr anschaulich gezeigt. Man hat im Labor gearbeitet, so sauber wie man im ersten Semester eben konnte, war sich auch sicher, nichts Gefährliches abbekommen zu haben bzw. immer gleich entfernt zu haben. Und dann hat man irgendwann den Kittel gewaschen und bekam einen Haufen Löcher, der von Kittelresten zusammengehalten wurde. Üblicherweise waren das dann Reste von verdünnter Schwefelsäure. Aber man hatte ja sauber gearbeitet, und dem Kittel war auch nichts anzusehen…
Ich durfte mal einen unter UV-Licht massiv leuchtenden Stoff synthetisieren, ein Kollege bekam das gleiche Experiment, und uns wurde gesagt, wir sollten so sauber arbeiten wie möglich, das Zeug wäre gefährlich (war es nicht). Im Labor gab es einen innenliegenden total verdunkelbaren Raum, in den wir dann mal geführt wurden. Der Betreuer hat eine UV-Lampe angemacht, ich habe so gut wie nicht geleuchtet, der Kollege war überall quietschegrün. Auf dem Kittel, im Gesicht, auf den Haaren, überall.
Sogar nach 5maligem Spülen haben unsere Glasgeräte noch geleuchtet *g*
Du siehst, nur weil ein Kleidungsstück blitzeweiß ist, heißt es nicht, dass sich keine Verunreinigungen drauf befinden.
Gruß

Claudia