Kann man irgendwo Sumerisch hören?

Hallo Wissende,

ich würde gerne einmal Sumerisch hören. Eine erste Suche hat ergeben, dass man nicht so genau weiß,wie das ausgesprochen wurde, und dass es einige Sprachen gibt, die ähnlich klingen. 

Vielleicht kann mir jemand da einen Link zu ein paar Hörbeispielen geben? Ich meine, jemand der schon etwas mehr über diese Sprache weiß als ich?

Warum ich das wissen will? Ich habe im Internet einen Reisebericht über Uruk gelesen. Spätestens beim Ansehen dieser Bilder ist mir klar geworden, dass ich in einem vergangenen Leben auch in Uruk einmal gelebt haben muss. (Ehrlich gesagt hatte ich auf diesen Namen schon von Anfang an eine emotionale Reaktion, schon seit ich in den 1980er Jahren mal den Gilgamesch-Epos gelesen habe - aber irgendwie ist das dann wieder in Vergessenheit geraten.) Und ich würde nun so gerne diese Sprache einmal hören. 

Schöne Grüße

Petra

Hi!

Spätestens beim Ansehen dieser
Bilder ist mir klar geworden, dass ich in einem vergangenen
Leben auch in Uruk einmal gelebt haben muss.

Aber wenn du da gelebt hast musst du dich doch an den Klang der Sprache erinnern! Ich habe vor 25 Jahren für 5 Monate in Frankreich gelebt und kann mich ganz genau dran erinnern wie Französisch klingt!
Seltsam, seltsam…

Karl

Hallo Petra,
Ich habe selbst 2 Semester Sumerisch gelernt, kann dir also vielleicht am besten antworten.

Wir wissen nur sehr sehr wenig genaues über die Aussprache des Sumerischen. Wir wissen die Aussprache der Zeichen auch nur über Umwege über Lehnwörter und Schreibungen im Akkadischen (eine semitische Sprache, relativ nah mit Arabisch und Co verwandt). Und diese Aussprache steht uns nur ganz grob und vereinfacht zur Verfügung. Zudem gibt es anscheinend nach unserer Umschrift sehr sehr viele Homonyme, also Zeichen, die gleich ausgesprochen wurden, die man teilweise miteinander ersetzen konnte, teilweise aber nicht. In der Umschrift werden diese durchnummeriert. Beispielsweise gibt es sicherlich ein dutzend oder mehr verschiedene Zeichen, die offenbar (grob) „ku“ gelesen wurden, diese werden dann in der Umschrift ku, kú, kù, ku₄, ku₅, ku₆, … ku₁₃ usw. genannt, obwohl die Aussprache jeweils vermutlich unterschiedlich war. Vielleicht wurden einige davon „gu“, andere „ku“, oder „qu“ oder „kuu“ oder „guh“ oder „quʔ“ oder „gũ“ oder „kü“ ausgesprochen, möglicherweise hatte das Sumerische sogar Töne, wie das Chinesische. All das kann man nur vermuten.

Und das ist sehr schade, da wir die Grammatik doch recht gut (allerdings nicht 100%) kennen und Texte auch ziemlich gut lesen können. Generell die Sumerologen, ich hab die ganzen Keilschriftzeichen und Flexionstabellen schon wieder größtenteils vergessen…

Über die Sprache und die Grammatik kannst du ganz viel noch auf Wikipedia lesen — sowohl der deutsche als auch der englische Artikel sind dabei sehr gut bestückt und bebeispielt (beibespielt?).

Was man aber grob hat und weiß, ist ein ungefähres Phoneminventar. Die Laute, die es im Sumerischen wahrscheinlich gab, von denen man die ganz genaue Aussprache aber nicht weiß, sind: m, n, ĝ, p, b, t, d, k, g, s, z, š, ḫ, r̂, l, r und vielleicht ʔ (den glottal stop); sowie die Vokale a, e, i, u (es gab evtl. kein „o“).
Von denen nimmt man an, dass ĝ wie „ng“ [ŋ] gesprochen wurde (im Esperanto wird das gleiche Zeichen „dsch“ gesprochen, vorsicht!), š ist vermutlich „sch“ [ʃ] gewesen, ḫ ein velarer Frikativ, also ein ach-Laut [x], über r̂ streiten sich die geister, vielleicht [tr], vielleicht [dr], vielleicht nur ein kurzes gerolltes r wie im spanischen „pero“. Das Wort für Stier schien manchmal „kud“, manchmal „kur̂“ gewesen zu sein, das Zeichen danach geht z.T. mit „d-“, z.T. mit „r-“ anlautenden Silben weiter. Wir wissen nichts über Nasalierung, Vokallänge, Töne, Glottalisierung oder dergleichen, anders als bei Latein oder Altgriechisch, wo wir die Aussprache sehr genau kennen. Auch wo die Betonung lag, weiß man nicht genau. Es gibt sicher etliche Arbeiten und Artikel darüber, wie einiges davon geklungen haben mag, Theorien wie die vielen scheinbaren Homonyme zu erklären sind, aber da gibt es noch nicht viel Konsens. Die Sumerer haben zwar viel auf Ton geschrieben, aber es gibt eben trotzdem keine Tonaufzeichnung (muahahaha!).

Was noch interessant ist, ist die Silbenstruktur. Es gibt offene (ku, ĝa, a, ne, li …) und geschlossene (kud, nid, aĝ, un, ak …) Silben. Es gibt aber auch Hinweise darauf, dass viele Silbenzeichen sowohl für geschlossene als auch für offene Silben stehen konnten, also konnte ein Zeichen mal „ku“, mal „kud“ gesprochen worden sein, abhängig von weiteren Endungen, etwa wie: kud + ni = kuni (und nicht *kudni), nur als Beispiel.

Im deutschen Wikipedia-Eintrag gibt es einen kurzen Satz, den man so transkribiert:

Inana ninkurkurak ninanira Gudea, ensi Lagaš, ur Ĝatumduke, e Ĝirsukani munandu.

Möglicherweise hat die Sprache ganz grob so geklungen. Aber ich glaube, das wird dir nicht sehr viel helfen.

Es gibt übrigens einen Sumerologie-Professor, der einige Lieder auf Sumerisch(!) gesungen hat, natürlich mit seiner eigenen Interpretation der Aussprache. :wink:

http://mp3bee.ru/music/Dr.+Ammondt/0/

Hier kannst du z.B. seine Interpretation von „Gilgamesh“ (mit lustigem finnischem Akzent) anhören.

Liebe Grüße aus der Schweiz!

  • André

Hallo André,

vielen Dank für diese sehr ausführliche Antwort. Du kennst dich ja sehr gut mit diesem Thema aus. Wer weiß, vielleicht waren wir damals in Uruk Nachbarn oder so :wink:

Leider hat aber der Link zu dem singenden Professor nicht funktioniert.

Sag mal, eine Frage habe ich noch: Woher weiß man denn, wie tote Sprachen ausgesprochen wurden? Dass man die Bedeutung irgendwann entschlüsseln kann, wenn man gut ist und genug Text vorliegen hat, kann ich noch verstehen. Aber die Aussprache?

Schöne Grüße

Petra

Aber wenn du da gelebt hast musst du dich doch an den Klang
der Sprache erinnern!

Ja, muss ich das?

Ich habe vor 25 Jahren für 5 Monate in

Frankreich gelebt und kann mich ganz genau dran erinnern wie
Französisch klingt!

Oh, wow, bist du witzig witzig witzig witzig witzig witzig

Hilfe zur Selbsthilfe
Hallo,

wenn Du nach „Dr. Ammondt“ suchst, findest Du sowohl seine Homepage, auf der Du die CD kaufen kannst, als auch mindestens eine Möglichkeit, „Gilgamesh“ anzuhören. Letzteres auf ausländischen Seiten, von denen ich mir nicht so sicher wäre, dass sie legal sind - von daher kann es gut sein, dass die Links nicht lange Bestand haben.

Viele Grüße,

Jule

1 Like

Moin,

Sag mal, eine Frage habe ich noch: Woher weiß man denn, wie
tote Sprachen ausgesprochen wurden? Dass man die Bedeutung
irgendwann entschlüsseln kann, wenn man gut ist und genug Text
vorliegen hat, kann ich noch verstehen. Aber die Aussprache?

André kann dazu garantiert noch viel mehr sagen, aber eine Möglichkeit sind z. B. Schreibungen von Namen in anderen Sprachen, die man kennt - also Transkriptionen und Transliterationen, sowie Lehrbücher „von damals“ für andere Völker (ja, das gab’s manchmal). Wenn man einiges schon weiß, helfen manchmal Gedichte für andere Wörter. Und manche Sprachen haben auch sprachwissenschaftliche Literatur herausgebracht, in der auch Hinweise zu finden sind.

Das so als Kurzübersicht. Wie gesagt, André kann da bestimmt gründlicher drüber referieren.

Grüße

Kubi

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Nachtrag
Hallo nochmal,

Ich habe zufällig grad auf Quora eine auch sehr präzise Antwort auf (fast) die gleiche Frage gelesen. Sie wurde von einem linguistischen Kollegen von mir geschrieben und ist auch sehr umfassend und informationsreich. Kann ich dir (und anderen) also auch ans Herz legen. Es ist die obere Antwort, von Thomas Wier:

http://www.quora.com/How-accurately-can-we-approxima…

Lieben Gruß,

  • André

Hallo Petra,
Es ist recht komplex zu erklären, wie man in diesem Fall auf die Aussprache kommt. Das ist eine ganz schöne Detektivarbeit (war es damals jedenfalls), ein bisschen wie der Champollion das damals mit Ägyptisch gemacht hat. Vorallem über Lehnwörter und Texte in anderen Sprachen konnte man das rausfinden. Und es ist auch z.T. von Vorteil, dass man im Sumerischen oft nicht silbenweise schreibt, sondern es Überlappungen gab, man schrieb also gewisse Laute doppelt.
Ein ausgedachtes Beispiel: Wäre „Nagasaki“ ein sumerisches Wort, hätte man es nicht mit den Silben na-ga-sa-ki (wie im Japanischen) geschrieben, sondern vermutlich nà-gas-sak-ki oder so ähnlich, was dann dabei helfen kann, die Aussprache von benachbarten Zeichen zu entschlüsseln.

Die Keilschrift wurde später auch von anderen Sprachen benutzt, z.B. Hethitisch oder Akkadisch. Da Hethitisch eine indo-europäische Sprache ist und Akkadisch eine semitische, haben wir dort „Anschluss“, können also von verwandten Sprachen einiges erschließen.

Das ist ganz grob, wie man das entschlüsseln konnte. Ansonsten habe ich oben noch mal einen Link als Nachtrag eingefügt, da beantwortet ein Kollege von mir (Thomas Wier) auch zufällig fast die gleiche Frage auf Quora: http://www.quora.com/How-accurately-can-we-approxima…
Und in einer anderen Antwort bei Quora bin ich auch noch mal darauf eingegangen, wie man bei ausgestorbenen Sprachen die Aussprache entschlüsseln konnte.
Aber wie gesagt, bei Sprachen wie Sumerisch, Mittelägyptisch, Altchinesisch oder gar rekonstruierte Sprachen wie Proto-Indo-Europäisch ist es wirklich schwer und nur mit Näherung möglich, eine Aussprache zu finden. Die beiden Antworten dort sind zum Thema passend und sicherlich auch ganz lesenswert (ohne mich jetzt selbst zu stark rühmen zu wollen): http://www.quora.com/How-do-linguists-archeologists-…

Übrigens ist Quora toll, fast wie die englische bzw. internationale Version von wer-weiss-was. Kann ich nur empfehlen!

Liebe Grüße,

  • André
2 Like

Dankeschön! Mir ist zwar unklar, wie du auf Quora irgendetwas finden konntest, aber die Antwort ist interessant.

Und diese Zeichen - ehrlich, es ist zwar unwahrscheinlich, aber ich kann mir gut vorstellen, dass ich so etwas selbst einmal geschrieben habe. Dass ich also in diesem Leben schreiben konnte.

Hmm … wenn die politische (und finanzielle) Situation das 2016 zulässt, fahre ich vielleicht wirklich mal nach Uruk.

Schöne Grüße

Petra