Hallo allerseits!
ich brauche Rat, wie ich mich verhalten kann:
Seit ein paar Tagen hat mein Mann (wir sind in den 50ern) seine tägliche Meditation wieder aufgenommen, weil er beruflich unter Stress leidet und die dort herrschenden Konflikte nicht lösen kann. Nun ist er schon ein sehr gebremster Typ, unternimmt fast nichts, hat nur wenige Freunde, die er selten sieht oder spricht. Er leidet unter Depressionen oder wenigstens depr. Verstimmungen. Das Leben macht ihm keine Freude.
Er hofft, durch die Meditation zumindest seinen Geist soweit „runterzufahren“ (seine Formulierung), dass ihn die situation in der Arbeit nicht so aufregt, denn das tut sie täglich. Er ist Lehrer.
Dazu muss er täglich ein Nickerchen halten.
Leider komme jetzt ich ins Spiel.
Ich kann mich damit gar nicht anfreunden und war vor ca. einem Jahr so froh, als er wegen Nutzlosigkeit die Med. aufgegeben hatte. Wir hatten uns schon damals gestritten, weil ich aus meiner Skepsis kein Hehl gemacht hatte. Hat ja auch gar nichts geholfen, er hat dreimal in fünf Jahren die Stelle gewechselt. Die Probleme sind jetzt wieder die Gleichen.
Ich bin der Meinung, dass man sich auch zuviel „runterregeln“ kann, und dass es sinnvoller wäre, einen Ausgleich durch Aktivität, Bewegung, z.B. auch körperliche Arbeit oder Gehen mit dem Hund herbeizuführen.
Kann das sein?
So ganz kann ich gar nicht sagen, was ich dagegen habe - nur dass ich es eben für kontraproduktiv halte.
Was für Erfahrungen oder Meinungen habt Ihr dazu, bitte?
Simone
Hallo Simone,
meine Frage ist:
was genau möchte Dein Mann?
was genau möchtest Du?
Vielleicht möchte Dein Mann nur Ruhe- Abstand zur Schule und dem Ärger dort- Abstand zum Leben, was ihm keine Freude macht?
Dann ist aber doch die Mediation genau das Richtige für ihn!
Vielleicht hat die depressive Stimmung für ihn sogar einen guten Grund-- und sie ermöglicht ihm einen Ausstieg aus dem Leben, was sonst so nicht möglich ist?
Es liest sich für mich als ob Du von Deinem Mann gerne mehr Zuwendung hättest- Du Dich hilflos und alleine fühlst?
Sollte es so sein, geht es noch um ganz andere Themen…
Natürlich kann man alles übertreiben und Dein Mann muss seinen Weg selber finden.
Offensichtlich hat er Deine Gedanken schon gehört und möchte sie nicht umsetzen-- Du wirst ihn ganz sicher auch nicht mit Antworten aus diesem Forum umstimmen können.
Deine Idee- Aktivität einzubauen in seinen Tagesablauf- finde ich gut und wäre auch sicherlich eine gute Ergänzung für ihn.
Dennoch können wir denken, was wir wollen- Dein Mann lebt sein Leben und muss selber entscheiden, was ihm gut tut oder auch nicht.
Meditation „heilt“ auch keine Depression…mir scheint es geht eher um Schadensbegrenzung als um eine wirkliche Veränderung.
alles Gute für Dich/Euch
kitty
Hallo Simone
hast Du schon verstanden, dass Deinem Mann das Wasser bis zum Hals steht, dass es keine Laune ist?
ich brauche Rat, wie ich mich verhalten kann:
Deinem Mann den Rücken stärken und ihn positiv motivieren.
Seit ein paar Tagen hat mein Mann (wir sind in den 50ern) seine tägliche Meditation wieder aufgenommen, weil er beruflich unter Stress leidet und die dort herrschenden Konflikte nicht lösen kann.
In der Meditation werden sich die Probleme nicht lösen.
Nun ist er schon ein sehr gebremster Typ, unternimmt fast nichts, hat nur wenige Freunde, die er selten sieht oder spricht. Er leidet unter Depressionen oder wenigstens depr. Verstimmungen. Das Leben macht ihm keine Freude.
Zum einen macht er sich selber damit fertig, zu anderen fangen die Schüler und Lehrerkollegen zu mobben an, wenn sie spüren, dass er psychisch angreifbar ist.
Er hofft, durch die Meditation zumindest seinen Geist soweit „runterzufahren“ (seine Formulierung), dass ihn die situation in der Arbeit nicht so aufregt, denn das tut sie täglich.
Er muss sich entspannen, damit er von der Belastung nicht krank wird.
Er ist Lehrer. Dazu muss er täglich ein Nickerchen halten.
Er ist Lehrer und mit den Nerven am Ende.
Leider komme jetzt ich ins Spiel.
Leider hast Du vielleicht bisher nicht die Zusammenhänge verstanden, niemand ist Dir aber böse deswegen.
Ich kann mich damit gar nicht anfreunden und war vor ca. einem Jahr so froh, als er wegen Nutzlosigkeit die Med. aufgegeben hatte.
Froh, weil Dein Mann jetzt mehr Deinen Vorstellungen folgt?
Wir hatten uns schon damals gestritten, weil ich aus meiner Skepsis kein Hehl gemacht hatte.
Hast Du ihm neben der Skepsis auch Alternativen angeboten?
Hat ja auch gar nichts geholfen, er hat dreimal in fünf Jahren die Stelle gewechselt.
Es hat vielleicht so weit geholfen, dass er nicht zusammenklappt.
Die Probleme sind jetzt wieder die Gleichen.
Nein die Probleme sind immer konstant geblieben, weil niemand eine Lösung gesucht hat.
Ich bin der Meinung, dass man sich auch zuviel „runterregeln“ kann, und dass es sinnvoller wäre, einen Ausgleich durch Aktivität, Bewegung, z.B. auch körperliche Arbeit oder Gehen mit dem Hund herbeizuführen. Kann das sein?
Es ist gesund für den Körper aber in letzter Konsequenz ist es für die Situation genau so nutzlos wie das Meditieren.
So ganz kann ich gar nicht sagen, was ich dagegen habe - nur dass ich es eben für kontraproduktiv halte.
Nicht nur Du, ich auch. Entweder ändert Dein Mann seine Lebenseinstellung (Psychotherapie) oder er verändert sich beruflich. Pfeiff auf das gute Lehrergehalt wenn er nicht glücklich ist.
Viel Glück Euch beiden.
Sei mir nicht böse, wenn Du Dich angegriffen fühlst, Du wolltest ein ehrliches Feedback.
Lösungen statt Kritik
Ist Dein Mann verbeamteter Lehrer?
Wenn ja soll er eine Versetzung an einen ruhigeren Posten beantragen, notfalls mit Hilfe eines Amtsarztes. Er sollte sich aber im klaren sein, dass selbst dort die Kollegen zum mobben anfangen, wenn er den ganzen Tag mit einer pessimistischen Lebenshaltung herumläuft.
Depressivität und Lustlosigkeit aushalten?
Hallo,
das Post direkt hier drunter und auch andere ähnliche Fragen und Erlebnisse und deren Antworten brachten mich auf die Frage was man von anderen Menschen, denen man mehr oder weniger nicht ausweichen kann, aushalten muss?
Immer wieder wird Angehörigen von Menschen mit einer Depression geraten „ihnen den Rücken zu stärken“ und (ohne zu übertreiben) eine positive Stimmung auszustrahlen. Das klingt ja auch sehr plausibel und richtig, aber unter dem Licht (bzw. Schatten), dass es Langzeitdepressive gibt, die sich um eine Heilung auch nicht bemühen (oft, weil sie ihre Krankheit, ähnlich einer Sucht, nicht eingestehen wollen) und ihr Umfeld masssiv bis zum Zusammenbruch belasten, wird kaum Rücksicht genommen. Der/die PartnerIn trägt eine sauschwere Last - und dann wird ihm/ihr geraten die eigenen Interessen in Frage zu stellen bzw. zurück zu stellen. Warum? Sind die Interessen / Belange eines Depressiven wichtiger als die eines „gesunden“ Menschen? Nun kann der gesunde Lebenspartner immer irgendwann sagen „es reicht mir - ich distanziere mich“ - um sich selbst vor einer Erkrankung, Stress und/oder Lebensmüdheit zu schützen. Dann heisst es „wie konnte er/sie nur so etwas tun, zu diesem Zeitpunkt, bei dieser Lage…“
Noch schlimmer ist es für Kinder, die mit depressiven Menschen zu tun haben - es ist je nach Alter vernichtend, verwirrend und beängstigend - sei es ob es sich um einen depressiven Lehrer handelt oder depressive Eltern.
Ich halte diese Haltung für falsch. Menschen mit einer Depression sollten sich in Behandlung begeben, denn sie schaden durch eine Ignoranz ihrer Krankheit nicht nur sich selbst, sondern auch ihr Umfeld.
Was, um auf die Ursprungsfrage zurück zu kommen, muss ein Lebenspartner, ein Kind, ein Schüler, ein Kollege aushalten?
Viele Grüße
Hallo Chili,
Was, um auf die Ursprungsfrage zurück zu kommen, muss ein
Lebenspartner, ein Kind, ein Schüler, ein Kollege aushalten?
Wer aushalten MUSS- und das auf die härteste Art und Weise- ist das Kind, welches ausgeliefert ist und schutzlos- und weder eine Alternative hat noch weiß, dass es überhaupt eine gibt.
Familie steht an nächster Stelle und hat doch immerhin die Alternativen im Auge und kann evtl helfen. Wenigstens Rückzug ist möglich-- sicher nicht für jedes Familienmitglied, aber doch viele.
Arbeitskollegen- sind vielleicht moralisch gebunden und durch Verträge- aber sie besitzen die Freiheit den Kontakt zu minimieren. Es sind doch genau genommen Fremde, die konfrontiert werden…was man davon annimmt liegt ganz alleine bei jedem Einzelnen.
Partner- besitzen in all dem doch die größte Freiheit!
Sie sind durch nichts gebunden…keine Blutsbande, keine Verträge…es geht hier „nur“ um eine emotionale Verbundenheit - auch moralischer Art.
Wenn man es also genau betrachtet- ist einzig das Kind eines Depressiven in der Situation, dass es aushalten MUSS.
Alle anderen können sich -nach ihren Möglichkeiten, die auch erweiterbar sind- für Distanz und Abkehr entscheiden.
lg kitty
Hallo Chili
es gibt viele Formen unangenehmer Verhaltensweisen, die für andere Menschen zur Belastung werden können wie z.B.:
Egoismus, Agressivität, Rücksichtslosigkeit, Sturheit, Suchtverhalten.
Was muss da ein Mensch freiwillig aushalten? Was müssen da hilflose Kinder ertragen?
Man muss klar differenzieren, welche Verhaltensweisen unbewusst ausgeübt werden und welche vorsätzlich. Jedes vorsätzliche Verhalten sollte man sofort entsprechend sanktionieren um eine deutliche Grenze zu setzen, das sind Kinder leider wehrlos. Depressiv zu werden dürfte wohl nur selten eine freiwillige Entscheidung sein.
Es gehört zum Zusammenleben eben dazu, dass man jemand anderes ein Stück weit auch trägt, natürlich nicht so lange, man selber zusammenbricht. Das getragen werden ist kein Ersatz für die eigene Verantwortung.
Wer sich nur tragen lässt, der wird irgendwann einmal alleine dastehen.
Vielen Dank an Euch -
besonders Chilis Verständnis hat mir die Tränen in die Augen getrieben, denn es stimmt: ich bin ziemlich fertig und allein mit allem. Ja, die Meditation ist nur eine weitere Stunde täglich, in der er mich mit allem allein lässt, sie steigert also meine Belastung noch.
Tja - ich hätte auf Holzchineses Antworten widerum einiges zu sagen: Natürlich weiß ich, dass ihm das Wasser bis zum Hals steht, doch, ich habe die Zusammenhänge verstanden, ja, ich unterstütze ihn, wo ich nur kann. Ja, meine Belastungsgrenze ist mehr als erreicht. Es hat ihm auch nicht geholfen, noch nicht zusammenzuklappen, acht Monate Aussetzen wegen Burnout sind doch „Zusammenklappen“, oder? Die Probleme müssten auf der Arbeit gelöst werden, im Gespräch, im Kompromiss. Und ich fühle mich nicht angegriffen, denn Du erklärst ja Deine Einwände, schon ok.
heute hat mein Liebster mir nun auf meine Bitte um ein Gespräch über einen Kompromiss verkündet, er wünsche keine Gespräche mehr darüber, er hätte einRecht drauf und fertig.
Noch einmal Danke!
Simone
Die Meditation ist nicht das Problem
Hallo,
du wirst an deinem Mann nichts verändern können, so gern du das auch tätest - und so gut das vielleicht für ihn wäre.
Widerstand löst nach meiner Erfahrung in aller Regel eine Trotzhaltung aus: The more you push, the less I move - je mehr du mich bedrängst, desto weniger bin ich bereit, nachzugeben.
Dies geschieht in aller Regel nicht aus bösem Willen, sondern aus Hilflosigkeit und oft auch Verzweiflung.
So viel zum Verständnis für deinen Mann.
Wer auf der Strecke bleibt, ist aber nicht nur er. Das bist du ebenfalls - und mit jedem Schritt, den er für sich geht, bleibst du auch ein Stück zurück.
Meine Idee wäre, dir einen eigenen Weg zu suchen, mit dem du leben kannst. Tu die Dinge, auf die du Lust hast, unabhängig davon, ob dein Mann sich beteiligt oder nicht. Triff Freunde, lade sie ein, mach’ Hundesport - was auch immer dazu beitragen mag, dass dein Leben für dich lebenswert bleibt.
Höre für eine Weile auf, die Mutter für deinen Mann sein zu wollen. Wenn ihr euch seit Jahren im Kreis dreht, ist ständiger Support deinerseits ganz offensichtlich nicht das Mittel der Wahl.
Ihr wärt nicht das erste Paar, bei dem die ständige liebevolle Unterstützung des einen Partners das schwierige Verhalten des anderen Partners verstärkt, anstatt es zu verändern. Wenn immer einer da ist, der sich kümmert und Steine aus dem Weg räumt, muss man das nicht selbst tun.
Wenn dein Mann beginnt, sich über deine Aktivität zu beschweren, ist vielleicht der erste Schritt in die richtige Richtung getan. Dann kannst du ihm nämlich klarmachen, dass sein Stress nicht der deine ist und dass du eben andere Dinge vom Leben möchtest, als abzuwarten, ob er es mit dir teilen möchte.
Es wird vermutlich gar nicht so leicht sein, die Fürsorge loszulassen. Damit gibst du nämlich auch ein Stück Kontrolle auf. Genau die Kontrolle übrigens, gegen die er sich gerade wehrt.
Schöne Grüße,
Jule
hallo, Jule -
Danke für Deine Antwort! Du hast Recht, ich weiß natürlich, dass ich nicht „ins Bett gehöre, wenn er die Grippe hat“ - das mache ich auch nicht. Größtenteils ist es tatsächlich der Wunsch, dass er sich mehr an unserem gemeinsamen Alltag beteiligen möge, mir hin und wieder auch Arbeit abnähme. Das war mir, als ich anfing, zu fragen, nicht so umfangreich klar, ist es aber durch Eure Antworten geworden.
Mein Leben selbst gestalten, ja, stimmt - in den letzten sechs Jahren sind wir dreimal umgezogen, Freunde muss ich erstmal neue finden. Aber das schaffe ich schon.
Und stimmt, gegen alles, was er als Kontrolle empfindet, wehrt er sich extrem, bzw. er empfindet eben auch vieles als Kontrolle, das (nicht nur von mir übrigens) so gemeint ist. Da ist er wesentlich empfindlicher als Andere.
Danke für die Hilfe!
Simone
Falsch positioniert
Hallo,
sorry, ich habe eigentlich einen neuen Faden eröffnen wollen, aber jetzt ist mein Post hier gelandet. Vielleicht lässt es sich verschieben??
Viele Grüße
[MOD] Re: Falsch positioniert
Hallo Chilli,
innerhalb eines Fadens Beiträge verschieben, geht leider nicht. Vielleicht kann das ja die neue Forensoftware?
Schöne Grüße,
Jule
Nun ist er schon ein sehr gebremster Typ, unternimmt fast nichts, hat nur wenige Freunde, die er selten sieht oder spricht. Er leidet unter Depressionen oder wenigstens depr. Verstimmungen. Das Leben macht ihm keine Freude.
Hallo Simone,
mir selbst geht es ähnlich wie Deinem Mann. In Deiner Beschreibung erkenne ich auch mich wieder, obwohl ich kein Lehrer bin oder war. Vielleicht kann ich mit einer (relativ) nüchternen Beschreibung zu etwas Verständnis beitragen.
Auch ich (63) habe mich beruflich und sozial weitgehend zurückgezogen und stelle fest, dass ich mich am wohlsten fühle, wenn niemand etwas von mir will und wenn ich unter keinerlei (Zeit- und Aufgaben-) Druck stehe, sondern jeden Tag frei gestalten (oder nichts tun) kann. Seit ich vorzeitig Altersrente beziehe, erlaube ich mir, immer dann zu Bett zu gehen, wenn ich wirklich Müdigkeit empfinde (oft erst weit nach Mitternacht). Meist stehe ich erst am späten Vormittag auf. Wecker habe ich abgeschafft und mein Telefon ist zwischen Mitternacht und 10 Uhr morgens stumm geschaltet. Das Wissen, zu bestimmten Zeiten für alle Anderen unerreichbar zu sein, ist für mein Seelenheil essenziell. Ein Handy oder Smartphone ist für mich völlig unvorstellbar. Wenn ich unterwegs bin, habe ich genug damit zu tun, mich auf die Umwelt und die realen Menschen zu konzentrieren.
Mir ist bewusst, dass das nur als berenteter Single reibungslos funktioniert. In einer Ehe oder Beziehung haben Partner und Kinder typischerweise Erwartungshaltungen, die dem individuellen Rückzugsbedürfnis entgegenstehen.
Mittlerweile glaube ich, dass eine Depression nicht die Ursache solchen Rückzugsverhaltens ist, sondern dass sie als eigenständiges Symptom hinzutritt. Ich habe solange unter der Depression gelitten, wie ich von allen Seiten erleben musste, dass mein Bedürfnis „Ruhe zu haben und in Ruhe gelassen zu werden“ nicht akzeptiert wird. Heute halte ich mein nach und nach gewachsenes Ruhebedürfnis für den eigentlichen Auslöser. (In jüngeren Jahren war ich durchaus auch extravertiert und habe es genossen, mich mit anderen Menschen zu umgeben).
Ich weiß nicht, ob es Deinem Mann ähnlich geht, wie mir: Ich war mein Leben lang vegetativ übererregbar (sympathikoton mit beschleunigtem Puls, Extrasystolen und Tachykardien in Stresssituationen). Eine psychogene Ursache (wie z. B. ein erlebtes Trauma) ist mir nicht bekannt, so dass ich davon ausgehe, entweder transgenerational traumatisiert (durch die übernommenen Kriegstraumata beider Eltern) oder aber genetisch vorbelastet zu sein (sensibleres Vegetativum in Verbindung mit angeborenen Herzreizleitungs-Anomalien). Leider habe ich über 6 Jahrzehnte gebraucht, diese grundsätzlich erhöhte Sensibilität gegenüber Stressreizen, Sorgen und Ängsten zu erkennen und zu akzeptieren. Vorher habe ich mich immer „verkehrt“ gefühlt. Jetzt ist meine Haltung: "Menschen sind keine genormten Maschinen. Die einen sind extravertiert, vegetativ robust und lieben sogar Stressreize bzw. Adrenalinausstöße. Die anderen sind eher introvertiert, vegetativ übersensibel und fühlen sich nur dann wohl, wenn sie den Adrenalinspiegel - wie auch immer - möglichst niedrig halten können.
Auch kann es sein, dass diese Übersensibilität im Lauf der Jahre zunimmt, während man sie in jüngeren Jahren besser wegstecken konnte. (So manches ändert sich beim Älterwerden - leider meist nicht zum Besseren oder Vitaleren).
Er hofft, durch die Meditation zumindest seinen Geist soweit „runterzufahren“ (seine Formulierung), dass ihn die situation in der Arbeit nicht so aufregt, denn das tut sie täglich. Er ist Lehrer.
Wenn man sich mal erlaubt, einen Standpunkt außerhalb von Raum und Zeit einzunehmen, dann kann man doch nur den Kopf darüber schütteln, was die Menschheit in den letzten paar hunderttausend Jahren (nicht) geleistet hat: Es gibt einen enormen technischen Fortschritt - alle Achtung! Aber tief im Kern der Seele sind wir auch heute noch archaische Wesen geblieben, die nichts besser können, als Kriege zu führen und Gewalt gegeneinander auszuüben, um sich irgendwelche Vorteile, Reichtümer oder Macht zu verschaffen und das Gegenüber (möglichst) zu versklaven.
Ich glaube, als Lehrer ist man heute mit diesem urmenschlichen Phänomen besonders massiv konfrontiert: Die Schüler machen was sie wollen, demütigen ihre Lehrer indem sie jede erwitterte Schwäche schamlos ausnutzen und üben teils psychische und teils physische Gewalt gegen Ihre Lehrer aus. Das war vor 50 Jahren noch umgekehrt: Da konnten Lehrer sich mit allen Mitteln gegen den Ungehorsam von Schülern durchsetzen. Damals gab es kaum ausgebrannte Lehrer, dafür aber umso mehr „gefürchtete“.
Welcher Lehrer ist denn heute noch „gefürchtet“? Wenn’s hoch kommt, wird ein Lehrer in Einzelfällen vielleicht noch geachtet / respektiert. Aber sind vermutlich außergewöhnliche pädagogische Begabung, gepaart mit seelischer Robustheit, Selbstsicherheit und dem Gefühl in der Welt sicher geborgen zu sein notwendig. (Anders gesagt: Ein tiefer Glaube an irgendeinen Gott, verbunden mit Angstfreiheit vor dem Leben UND vor dem Tod. Aber welcher Lehrer hat das noch?)
Wenn es jemandem nicht mehr gelingt, die Augen davor zu verschließen, dass das Leben ein ewiger Kreislauf von Angegriffenwerden aus egoistischen Motiven und dem Sich-zwangsläufig-verteidigen-müssen ist, bleibt im Grunde nur irgendeine Form von Weltflucht. Die Flucht nach innen - in die eigene Innenwelt - scheint mir humaner, als die endgültige Flucht aus der Welt.
Das Bedürfnis nach Meditation kann ich sehr gut verstehen und bin selbst gar nicht glücklich darüber, dass mir die Fähigkeit dazu fehlt, sodass ich Meditation - oder besser: „das In-mir-selbst-ruhende Gelassensein“ nur mit chemischen Hilfsmitteln induzieren kann.
Aber letztlich steht hinter dem Wunsch nach Meditation doch nichts anderes, als das Bedürfnis, sich von der (als zu lärmend, hektisch, feindlich und belastend empfundenen) Außenwelt zurückzuziehen in die eigene Innenwelt , also die Welt der Fantasie und der Träume.
Das nach außen gesendete Signal ist dann: „Lasst mich alle in Ruhe. Lasst mich so sein, wie es mir gut tut und zwingt mich nicht (länger), äußeren Normen zu genügen und zu funktionieren!“ Dieses Signal erleben andere Menschen aber zwangsläufig als Zurückweisung. Und weil es nicht der gesellschaftlichen Norm entspricht, muss es wohl Krankheitswert haben. Diese Etikettierung als krank wiederum setzt den Betroffenen unter zusätzlichen Druck: „Du bist nicht in Ordnung! Du musst Dich heilen lassen!“ Damit wird dann oft ein circulus vitiosus in Gang gesetzt.
Dazu muss er täglich ein Nickerchen halten. Leider komme jetzt ich ins Spiel. … Ich bin der Meinung, dass man sich auch zuviel „runterregeln“ kann, und dass es sinnvoller wäre, einen Ausgleich durch Aktivität, Bewegung, z.B. auch körperliche Arbeit oder Gehen mit dem Hund herbeizuführen.
Wenn die dazu notwenige vitale Energie und vegetative Stabilität vorhanden ist, kann ein solcher Ausgleich sehr hilfreich sein. Aber der Betroffene sollte nicht dazu gedrängt werden. Vielleicht reicht seine Vitalenergie dazu nicht aus …?
Ich denke, dass immer, wenn ein familiär gebundener Mensch irgendwann feststellt, dass er sich (nach innen - in sich selbst) zurückziehen muss, um entspannt und gelassen zu bleiben, Konflikte mit der Familie unausweichlich sind, weil diese nicht an der Innenwelt teilhaben kann. Vielmehr wird von jedem Familienmitglied erwartet, dass es seine Funktion erfüllt.
Hier stehen sich zwei völlig gegensätzliche Bedürfnisse gegenüber. Und weil der Rückzug oft als persönlicher Affront empfunden wird (denn früher war der Betroffene doch anders!), fragt man sich als Partner / Familienmitglied manchmal, was man selbst vielleicht falsch gemacht hat und anders machen könnte. Ich denke, dass hier nur gegenseitige Akzeptanz hilfreich ist, weil nur sie die Chance bietet, dass keiner der Beteiligten sich - neben der Belastung - auch noch als „nicht in Ordnung“ fühlen muss.
Akzeptanz bedeutet aber, zu akzeptieren, dass sich etwas Grundlegendes - im Gegenüber UND in der Beziehung - geändert hat: Die frühere extravertierte Zuwendung ist nicht mehr möglich. Ein zugegeben schwieriger Zustand, zumal man bei innerseelischen Wandlungen von außen fast nichts sehen kann, ganz im Gegensatz zu Kriegsverstümmelungen: Wenn beide Beine abgerissen wurden, ist es für alle Außenstehenden eindeutig, dass dieser Mensch nicht mehr so funktionieren kann, wie vor der Verstümmelung.
Seelische Verstümmelungen aber erfolgen meist unsichtbar und schleichend - bis irgendwann das viel zitierte Fass überläuft. Früher habe ich immer gedacht, dass es dann mindestens einen dafür Verantwortlichen geben müsse. Heute bin ich überzeugt, dass es in vielen Fällen einfach „passiert“: Da kommt dann langsam kumulierend zusammen, dass die vitale Energie nachlässt, dass äußere Belastungen früher mehr oder weniger weggesteckt werden konnten, heute aber nicht mehr. Und oft meinen es die „Belastenden“ gar nicht mal (ausgesprochen) böse, sondern glauben, sich ganz normal zu verhalten. Ich könnte mir sogar vorstellen, dass etliche der „lehrerzerstörenden“ Schüler und Kollegen ihre Gewalt und das Mobbing für „ganz selbstverständlich zum Alltag gehörend“ betrachten.
Eine Lösung dieses systemübergreifenden Problems ist oft sehr schwierig und manchmal gar nicht möglich. Selbst eine (vorzeitige) Berentung muss nicht unbedingt alle Probleme lösen. So manches kann posttraumatisch auch noch lange ins Rentenalter nachwirken.
Wenn überhaupt, kann es m. E. immer nur ganz individuelle Lösungen geben. Ob die aber allen Beteiligten gerecht werden können …
Leider können wir das Bedürfnis nach intensiver Meditation (fast) nur bei (buddhistischen) Mönchen akzeptieren. Aber selbst die wollen wir in der Regel nicht in unserer ständigen Umgebung wissen, weil sie in unserem Kulturkreis, eigentlich zu nichts Sinnvollem zu gebrauchen sind. Ich kenne keine Frau, die mit solch einem Mönch verheiratet sein möchte - umgekehrt aber auch nicht. Es sind eben zwei verschiedene Welten.
Viele Grüße,
FatzManiac