Hi,
Kann man Polen noch mögen und akzeptieren?
Ich finde es relativ bestürzend, was dieser Tage in diesem
Forum so alles über Polen gesagt wird;
ich dachte ich wäre auf einer Comedy Seite gelandet, als
ich die Nachricht gelesen habe, dass Polen beim EU Gipfel
die Toten ‚hochrechnet‘.
warum soll das denn „Comedy“ sein?
Ich bin immer misstrauisch, wenn man einem Vorschlag nicht nur
ablehnend gegenübertritt, sondern darüber hinaus glaubt, ihn
auch noch vernichten zu müssen, ins vollkommen Lächerliche
ziehen zu müssen.
Der Punkt ist, dass Polen nicht mit der Forderung „Tote
hochrechnen“ auf den Gipfel gegangen ist, sondern mit der
Forderung, den Abstimmungsmodus im EU-Ministerrat zu
reformieren;
und zwar zu Gunsten der kleineren Länder, indem die
Bevölkerungszahl nicht mehr linear in Stimmanteil abgebildet
wird, sondern mit dem vorgeschlagenen „Quadratwurzelsystem“;
diese Forderung war absolut legitim, sie wurde m.W. auch von
Tschechien unterstützt, und ähnliche Forderungen gab es schon
zuhauf in der Geschichte der EU, weil die Angst kleinerer
Staaten vor der Übermacht der bevölkerungsreichen Staaten seit
langem ein Dauerbrenner ist - und auch eine ernstzunehmende
Angst, gewiss keine Comedy.
Desweiteren ist die Sache mit dem Verweis auf den 2. Weltkrieg
durchau ebenfalls legitim, weil das Argument als
solches korrekt ist:
Der zweite Weltkrieg hat auf Polen, seine Grenzen und seine
Bevölkerungszahl, gravierende Auswirkungen gehabt und
historische Tatsachen geschaffen, die heute politische
Bedeutungen haben.
Diese Auswirkungen schreibt die EU fest bzw. nimmt sie
unkritisch auf, wenn sie solche Dinge etwa für ihre
Abstimmungsmodi nicht berücksichtigt.
Aus meiner Sicht ist dieses Argument als solches gewiss nicht
lächerlich, dass es gute Gegenargumente gibt, ist mir auch
bewusst.
Was seltsam anmutet, ist die undiplomatische Haltung der
Brüder Kaczynski, und die erkennbare Instrumentalisierung
dieser Argumente, allgemein der antideutschen Argumente, für
ihre politischen (Wahl)zwecke;
noch seltsamer finde ich aber,
-
wie sehr doch nicht einfach schlechte Politik der
Kaczynskis kritisiert wird, nein, sie müssen gleich zu
„Comedy“ gemacht werden, zu „Kartoffeln“ (taz) und zu Despoten.
-
warum auch hier im Forum so sehr ein Graben betont wird
zwischen den Kaczynski und „den Polen“;
meines Wissens unterstützt die Mehrheit der Polen die
Forderung, die auf dem Gipfel eingebracht wurde, lediglich die
Vehemenz wird mehrheitlich nicht geteilt, aber auch nicht
gerade unisono verurteilt.
-
warum hier und allgemein in der medialen Öffentlichkeit
gerade Polen so ausgiebig diskutiert wird, während etwa die
britische Blockadehaltung, die eine Dauerhaltung ist, kaum
eine Schlagzeile oder einen Thread wert ist.
Immer machen die Polen den Ärger … die Autos, Auschwitz, die
Spargelstecher, die Vertriebenen, die Zwillinge … (in
alphabetischer Reihenfolge; und den ganzen Ärger des 19.
Jhdts. mal außen vor gelassen)
Disclaimer: aus meiner politischen Haltung heraus sind die
Kaczynskis meine erklärten politischen Gegner, aber ich bin
immer da überaus misstrauisch, wo nicht einfach eine bestimmte
Politik abgelehnt wird, sondern gleich
Politikhaftigkeit, wo also ein Vorstoß nicht nur
falsch ist, sondern gleich auch noch „Comedy“ und
ähnliches sein muss.
Viele Grüße
Franz