Kann man trotz Mord erben?

Hallo zusammen,

ich habe Fragen, die den fiktiven Fall eines Vorabendkrimis, den ich gerade sah, weiter denken.

Der Fall: aus einer Familie leben nur noch ein alter Mann und sein Neffe. Der Neffe wäre, soweit mein laienhaftes Halbwissen reicht, ohnehin Alleinerbe. Trotzdem hat der alte Mann ein Testament gemacht. Der Neffe ist ein undankbarer Lebemann, der das Erbe versilbern würde, was dem alten Herren nicht gefällt. Daraufhin kündigt er an, er würde ein anderes Testament schreiben und den Neffen „enterben“. Der Neffe tötet seinen Onkel, um das Erbe antreten zu können. Die Ermittler können ihn aber überführen.

Soweit die Geschichte.

Was mich interessiert: da es kein anderes Testament gibt, ist doch der Neffe immer noch Alleinerbe, richtig? Nehmen wir an, ein Gericht verurteilt den Neffen aufgrund niederer Beweggründe zu 25 Jahren Haft. Kann der Neffe das Erbe antreten? Kann das Gericht verhängen, dass das Erbe dem Staat zufällt? Kann der Neffe aus dem Gefängnis rechtskräftig Geschäfte tätigen, zum Beispiel das geerbte Haus verkaufen? Kann er sich somit, nach Verbüßen der 25-jährigen „Wartezeit“, ein lustiges Leben mit dem Erbe machen?

Vielen Dank im Voraus
Pierre

Hallo,

wer den Erblasser vorsätzlich tötet, ist erbunwürdig:
§ 2339 BGB - Einzelnorm

Allerdings muss die Erbunwürdigkeit aktiv durch Anfechtung eines Mit- bzw. potentiellen Erben geltend gemacht werden, d.h. wenn keiner was sagt, kann der Neffe Erbe werden.

Gruß
C.

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Hallo,

ja, Dein Szenario ist grundsätzlich möglich.

Zuerst einmal ist festzuhalten, daß es sich bei einem Neffen nicht um einen pflichteilsberechtigtem Erben gem. § 2303 BGB
§ 2303 BGB - Einzelnorm
handelt, womit die speziellen Regelungen für diesen personenkreis nicht gelten.

Der Neffe hätte also rechtswirksam „enterbt“ werden können.

Durch die Tötung des Erblassers wäre der Neffe zwar grundsätzlich „erbunwürdig“ iSd § 2339 BGB,
§ 2339 BGB - Einzelnorm
diese Erbunwürdigkeit kann aber nicht durch das Strafgericht festgestellt werden, sondern muß gem. § 2340 BGB
§ 2340 BGB - Einzelnorm
durch eine Anfechtung vor dem Nachlassgericht geltend gemacht werden.
Berechtigt zur Anfechtung sind allerdings nur potentielle weitere Erben gem. § 2341 BGB:
§ 2341 BGB - Einzelnorm

Für die Anfechtung gelten die Fristen des § 2082 BGB:
§ 2082 BGB - Einzelnorm

Wenn sich also kein Anfechtungsberechtigter findet, der innerhalb der Fristen des § 2082 den Erbschaftserwerb anficht, kann auch ein Erbunwürdiger eine erbschaft einfordern.
Völlige Rechtssicherheit für den an sich erbunwürdigen Erben besteht allerdings gem. § 2340 Abs. 3 iVm § 2082 Abs. 3 BGB erst nach 30 Jahren.

&tschüß
Wolfgang

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Vielen Dank für die sehr ausführliche Antwort.

Jetzt bin ich wieder ein bisschen schlauer. :wink:

Eine Kleinigkeit, die mit dem Fall direkt nichts zu tun hat:

25 Jahre Freiheitsstrafe können deutsche Gerichte nicht verhängen.
Die höchst mögliche „zeitige“ Strafe beträgt 15 Jahre.
Darüber gibt es nur die „lebenslange Freiheitsstrafe“, bei aber die Verurteilten nach bestimmten Prozeduren frühestens nach 15 Jahren (oder viel später) freikommen können. Dies wird aber nicht schon bei der Verurteilung, sondern erst sehr viel später festgelegt.

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Der potentielle Alternativerbe wäre wohl der Staat. Könnte auch der die Erbunwürdigkeit prüfen lassen?

VG
J~

Als möglicher gesetzlicher Erbe (§ 1936) ist der Staat immer anfechtungsberechtigt.

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Welche Instanz bzw. welche Behörde würde das Erbe anfechten?

Letzter möglicher Erbe ist immer der Fiskus, also das Staats- bzw. Landesvermögen, verteten durch die jeweilige Finanzverwaltung, in der die Zuständigkeit unterschiedlich geregelt sein kann (in NRW z.B. liegt die Verwaltung von Nachlässen bei den Bezirksregierungen). Nach § 1936 BGB bestimmt sich die örtliche Zuständigkeit nach dem letztem Wohnsitz/gewöhnlichem Aufenthaltsort in einem deutschen Bundesland. Ansonsten trifft es die Finanzverwaltung des Bundes.

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Vielen Dank für die ausführliche Information!