Kann mir das bitte mal jemand einordnen?

Moin,

die Beinaheattentäter von Bonn wurden zu lebenslanger Haft verurteilt, http://www.bild.de/regional/duesseldorf/urteil/lebenslang-fuer-salafist-marco-g-51129026.bild.html, sorry für die Blödzeitung, aber sie sind, wieder mal, die Schnellsten.
Meine Frage, welcher Paragraph im StGB gibt dieses Urteil her? Nicht, dass ich die Herrschaften verteidigen möchte. Aber keiner zu Schaden gekommen, keine Sachbeschädigung, gar nichts. Die Justiz tut sich öfters schwer, die Gesetze in voller Härte anzuwenden. Wie wird das jetzt hier begründet?
Ich würde gern mal den Stammtisch bemühen, dieses Urteil ist ein Schlag ins Gesicht von Vergewaltigungsopfern oder auch Kindesmissbrauchsopfern. Ich habe gerade das Gefühl, dass mit zweierlei Maß gemessen wird. Terroristen sind bäh. Schau mal Herr Maas, wir haben mit voller Härte zugeschlagen.

Data

Ich verstehe den Einwand nicht.

Versuchte mehrfacher Mord wiegt meines Erachtens schwerer als ein einfacher Mord, eine Vergewaltigung oder Kindesmißbrauch. Dass sie mit dem Mord keinen Erfolg hatten ist keinerlei Grund für eine Abmilderung, zumal die Täter keinerlei Anzeichen von Reue oder Bedauern zeigten. Vor allem letzteres rechtfertigt die härteste Auslegung der Gesetze.

In den Öffentlich-Rechtlichen kann man das aber auch schon seit heute früh lesen, und der Artikel wurde auch fortlaufend aktualisiert:

http://www1.wdr.de/nachrichten/rheinland/bonner-bombe-prozess-100.html

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Hallöle!

Ah, Du müsstest die brandaktuelle Software „StGB“ downloaden. Da findest Du ganz allgemein ausgeführt

https://dejure.org/gesetze/StGB/23.html

(2) Der Versuch kann milder bestraft werden als die vollendete Tat (§ 49 Abs. 1).

Und damit kann versuchter Mord auch so bestraft werden wie vollendeter

https://dejure.org/gesetze/StGB/211.html

(1) Der Mörder wird mit lebenslanger Freiheitsstrafe bestraft.
(2) Mörder ist, wer aus Mordlust, zur Befriedigung des Geschlechtstriebs, aus Habgier oder sonst aus niedrigen Beweggründen, heimtückisch oder grausam oder mit gemeingefährlichen Mitteln oderum eine andere Straftat zu ermöglichen oder zu verdecken,einen Menschen tötet.

Bei einer Bombe ist Heimtücke und gemeingefährliches Mittel gegeben. Und die Beweggründe werden allemal niederer Art gewesen sein.

Aus gleichem Grund kann ja auch einer, der nächtens einen Brandanschlag auf ein Haus verübt, wg. versuchten Mordes angeklagt und verurteilt werden.

Gruß
vdmaster

Nach § 23 Abs. 2 StGB „kann“ der Versuch milder als die vollendete Tat bestraft werden, muss es aber nicht. Da wir es hier mit einem fehlgeschlagenen Versuch in Bezug auf die Bombe zu tun haben, da das Gericht nicht der Argumentation der Verteidigung in Richtung „Attrappe ohne Zünder“ gefolgt ist, ist es nur konsequent diesen Versuch wie eine vollendete Tat zu bestrafen. Denn der Täter hatte durch das Ablegen einer - nach Ansicht des Gericht zündfähigen - Bombe bereits alles getan, damit es zu einer Explosion und damit zur Tötung von Menschen nach seiner Vorstellung kommen sollte. Insoweit ist es ihm nicht begünstigend zuzurechnen, dass die Bombe dann nicht funktioniert hat.

Anders wäre es gewesen, wenn er freiwillig von der Tat zurückgetreten wäre, und die an sich zündfähige Bombe nachträglich selbst entschärft oder zumindest über die Polizei eine rechtzeitige Räumung vor der Zündung veranlasst hätte.

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Ich nochmal. Vielleicht habe ich mich nicht deutlich genug ausgedrückt. Es ist gut, dass diese Spinner weggesperrt werden und keinen Schaden mehr anrichten können. Ich wusste nur nicht, dass der Versuch genauso hart bestraft werden kann, wie die Tat an sich. Wird das denn tatsächlich im Allgemeinen auch so angewendet?

Data

Ich habe gerade auf dem Heimweg Nachrichten gehört. Jetzt, zuhause, habe ich google angerissen und den zweiten oder dritten passenden Link angeschaut. Die anderen Links waren uralt.

Data

Btw ging es nicht nur um die Bombe, sondern auch den vereitelten Mordversuch am Parteichef der „Pro NRW“.

Das kommt auf den konkreten Einzelfall an. Es ist eben ein Unterschied, ob der Täter schon nach ersten, eher unbedeutenden Ansätzen von einer Tat ablässt, die er durchaus noch anderweitig unter Einsatz geeigneter Mittel hätte fortsetzen können, dem gerade so eben überschrittenen Punkt des „jetzt geht es los“ und einem Fall wie diesem, in dem es nur purer Zufall/Glück war, dass die Bombe nicht zündete.

Man muss sich da das subjektive Element ganz genau anschauen, also was im Kopf des Täters vorgeht, was er bezwecken will, und inwieweit er ggf. von sich aus etwas dafür tut/versucht zu tun, damit kein Taterfolg eintritt. Derjenige, der nur mit dem Schraubenzieher am Fensterrahmen gescheitert ist, aber nicht zur griffbereiten Steinplatte gegriffen hat, wird man anders bestrafen, als denjenigen, den man schon beim Betreten eines fremden Grundstücks mit Einbruchwerkzeugen erwischt hat, und den wiederum anders als denjenigen, der mit der Steinplatte an dem ihm vorher nicht bewussten Panzerglas gescheitert ist.

Versuch und Rücktritt nehmen im Studium einen recht breiten Raum ein, und es gibt dazu massenhaft Literatur und Meinungen. Das ist ein wirklich recht komplexes Thema. Aber dass man in einen Fall, in dem es wirklich vollkommen außerhalb der Einfluss- und Willenssphäre des Täters nicht zum Taterfolg eines sehr schweren Verbrechens kommt, das Strafmaß für die vollendete Tat voll ausschöpft ist durchaus üblich.

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Gott sei Dank, habe gerade ein bisschen an mir gezweifelt. Um das mal auf die Spitze zu treiben. Wenn mir ein Kumpel erzählt, dass er seine Frau umbringen möchte, weil sie ein Drachen ist, könnte er lebenslang bekommen? Verzeih mir bitte meine einfache, nichtjuristische Sprache, bin Buchhalterin und kein Jurist.

Data

Hallo Gesine!

Die Suchworte lebenslänglich und Mordversuch fördern etliche Urteile zutage, auch mit Feststellung besonderer Schwere der Schuld (keine Entlassung auf Bewährung nach 15 Jahren), z. B. http://www.abendblatt.de/vermischtes/article206752843/Sturz-von-Mauer-Lebenslaenglich-fuer-perfiden-Mordversuch.html .

Das herzallerliebste Früchtchen Marco. G. tat aber mit seinem jahrelangen Verhalten vor Gericht selbst alles dafür, möglichst lange hinter Gittern zu verschwinden.

Gruß
Wolfgang

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Hallo,

Nein, das ist gegebenfalls eine Absicht, aber kein Versuch.
So wie ich es verstehe (und ich bin auch kein Jurist) liegt der Unterschied darin, ob er mit gezogener Waffe und den Worten „die bring ich um“ ins Schlafzimmer stürzt, die Pistole zieht - und dann doch nicht abdrückt
ODER
abdrückt, aber die Waffe eine Ladehemmung hat und sich deshalb kein Schuss löst und er dann einfach geht.

Grüße
Siboniwe

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und wenn er abdrückt, aber nicht gut trifft und daneben schießt, dann kann man ihm das auch nicht an sich zugute rechnen.

Na ja, da müsste man sich halt die Frau mal ansehen :wink:

Nein, nur von einer noch vollkommen unkonkreten Tat zu reden, ist nicht strafbar. Es muss für die Versuchsstrafbarkeit sogar der Bereich der Vorbereitungshandlungen überschritten sein, und zur konkreten Tat angesetzt werden („jetzt geht es los“). D.h. wenn der Kumpel mit dem Bild seines Drachens zum Apotheker geht und damit ein bei ausreichender Dosierung tödlich wirkendes Medikament besorgt („Ich habe hier ein Rezept“), dann sind wir immer noch nicht in der Versuchsstrafbarkeit für den Mord.

Es gibt da nur zwei exotische Ausnahmen, in denen die Vorbereitungshandlungen selbst schon Strafbar sind: §§ 30 und §§ 89a StGB.

Um bei deinem Beispiel zu bleiben, müsste der Täter das Gift in ein Getränk oder eine Speise mischen, bei der nach normalem Gang der Dinge davon auszugehen ist, dass das Opfer diese arglos trinken oder essen wird.

Wie komplex das werden kann, zeigt sich in der Passauer Giftfallen-Entscheidung des BGH, wo ein Einbruchsopfer vergifteten Wein in seinen Keller legte, dem Mann dann aber Zweifel an seinem Tun überkamen, und er der Polizei von den Flaschen berichtete, die diese dann rechtzeitig sicherstellte. Hier wurde mangels des nötigen Zutuns des Opfers nicht von einer Versuchsstrafbarkeit ausgegangen.

Nein, er müsste schon einen Menschen zu töten versuchen. :grin:

Evtl. würde dem Kumpel noch der Tatenschluss nachgewiesen werden können, was aber schon schwierig wird. Sein Verteidiger würde natürlich argumentieren, dass der Verdächtige nur gescherzt habe oder es sich um impulsives Geplapper wg. eines vorangegangenen Streits gehandelt habe.

Mehr hier https://de.wikipedia.org/wiki/Versuch_(StGB) unter „Tatentschluss“ und „unmittelbares Ansetzen“.

Gruß
vdmaster

Dass faktisch kein Zündmechanismus vorgefunden wurde, lässt den Schluss auf ein „politisches“ Urteil zu.
Die Annahme, dass ein „Konstruktionsfehler“ vorgelegen habe, ist eine Vermutung ohne Nachweis, ein Indiz. Nun wiegt in diesem Fall eine Vermutung eben höher als ein Fakt. Moslems müssen das aushalten hierzulande (SCNR).

Franz

Hallo,
man sollte sich mal etwas genauer mit den Taten (!) dieser Gruppe beschäftigen: die Strafhöhe dürfte sich vorallem deshalb in die Höhe geschraubt haben, weil die vier auf „frischer Tat“ kurz vor einem geplanten Anschlag auf einen Lokalpolitiker verhaftet wurden. Dabei wurden - nur noch 600 m vom Wohnhaus des potentiellen Opfers - u.a. zwei Schusswaffen sichergestellt. Das dürfte für die Akzeptanz des Strafmaßes etwas einleuchtender sein als das Dilemma um die mangelhafte Sprengsatzkonstruktion!

Gruß vom
Schnabel

Das „Dilemma“ betrifft die Verurteilten…nicht die Sprengsatzkonstruktion.

Franz

Ich wurde gerufen? Bin schon da.

Ich sehe die deutsche Justiz, speziell die Strafjustiz, gegenwärtig hauptsächlich als Instrument des Machterhalts für das herrschende System, dessen Vertreter Ämter und Positionen bekleiden, die von der Regierung bis hin zum Lehrer oder zum Schreiberling in der Lokalredaktion reichen.

In der Strafjustiz dürfte der Fall Kirsten Heisig noch einigen bekannt sein. Wohl dem Richter, der sich mit Schwarzfahrern und LaDis (Ladendieben) beschäftigen darf und der nicht vor die Wahl gestellt wird. Nur ein Beispiel, gerade vor kurzem auf der Achse (die darfst du auch gerne lesen) von Broder vorgestellt: Das Landeskriminalamt lädt eine Frau vor, die sich in einer E-Mail über das Versagen einer Ausländerbehörde in NRW aufgeregt haben soll. Die Behörde hatte mit Amri zu tun. Wie wird später das Urteil ausfallen? Meine Vermutung schreibe ich hier nicht.

Moment, wirst du jetzt sagen, denn in deinem Fall ging es doch um mutmaßliche Islamisten. Diese wurden nun auch hart bestraft. Wie passt das zusammen? Überleg’ doch mal: Die Vertreter der multikulturellen Gesellschaft glauben an die Integration, sie glauben an ein friedliches Zusammenleben mit fremden Kulturen. Diese Salafisten haben aber keinen Rückhalt beim weitaus größten Teil der muslimischen Zuwanderer. Keiner regt sich auf, wenn einer von denen verknackt wird, was unter Umständen an der religiösen Ausrichtung liegt, die bei denen schon sehr speziell ist. Überdies gibt es keinen wirklichen Herkunftsbezug, was man etwa an Pierre Vogel sieht.

Und ohne diesen Rückhalt bei größeren Zuwanderergruppen braucht es auch keinen Rückhalt in der Justiz. Da kann man die Gelegenheit nutzen, der einheimischen Bevölkerung eine scheinbar starke Justiz zu präsentieren. Wir tun etwas gegen Terrorismus. Das bringt Schlagzeilen. Was die ungesteuerte Zuwanderung an strukturellen Gefahren durch die Veränderung der Gesellschaft mit sich bringt, da wirst du in der Bild-Zeitung keinen Artikel über finden. Die Strafjustiz wird an diesen Folgen nur minimalst etwas ausrichten können, da sie immer dann aktiv wird, wenn alles schon geschehen ist.

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Das lässt gar keinen Schluss zu, weil Gutachter nachgewiesen haben werden, dass der Zündmechanismus bei der Sprengung zerstört worden sein kann.

http://www.olg-duesseldorf.nrw.de/behoerde/presse/Presse_aktuell/20170403_PM_Urteil-Marco-G_-u_a_/index.php

Für den Senat steht fest, dass die verwendete Konstruktion der Rohrbombe tatsächlich mit einer selbstgebauten Zündvorrichtung, nämlich einem kleinen Behältnis für den Initialsprengstoff, ausgestattet war. Insoweit stützt der Senat seine Überzeugung insbesondere auf konkret feststellbare Recherche- und Beschaffungsbemühungen des Angeklagten zu der Konstruktion der Zündvorrichtung.

Und? Schon einmal etwas von Indizienprozessen gehört? Es gab auch schon Verurteilungen wg. Mordes, obwohl nicht einmal das Ableben des Opfers faktisch (mittels Leiche) nachgewiesen wurde.

Gruß
vdmaster

Das wirkliche Leben ist leider nicht ganz so eindeutig wie der Tatort im Fernsehen. Dass man sich an der ein oder anderen Stelle auf Indizien stützen muss, ist daher keine Besonderheit dieses Falles.

Wer tatsächlich davon überzeugt ist, dass Menschen, die man dann bewaffnet kurz vor dem Tatort eines geplanten Mordes abfängt, tatsächlich nur zum Spaß den Aufwand des Bombenbaus betrieben haben, um das Ergebnis dann ohne Zünder in der Öffentlichkeit zu positionieren, der zieht sich vermutlich auch die Hose mit der Kneifzange an. Denn der Gesamtzusammenhang gibt so rein gar nichts dafür her, dass man sich hier nur einen „Spaß“ erlauben wollte.

Hingegen spricht nach mit klarem Menschenverstand nachvollziehbarer Überzeugung des Gerichts alles dafür, dass bei der Sprengung ein erwiesenermaßen vom Täter zuvor recherchierter und offensichtlich auch erworbener, und tatsächlich in der Bombe verbauter Zünder so zerstört wurde, dass dieser hinterher lediglich aus rein technischen Gründen nicht mehr nachweisbar war.

Aber dieses Urteil wird voraussichtlich ja nicht das Ende der Veranstaltung sein. Warten wir mal ab, wie der BGH die Sache sehen wird.