Kann mir jemand folgendes Zitat erklären ?

„Die Annahme einer Anpassung an wirkliche Verhältnisse kann als These nur einen Sinn haben, wenn diese wirklichen Verhältnisse selbst bekannt sind. Das heißt aber, dass der evolutionäre Erkenntnistheoretiker die Anpassung des menschlichen Erkenntnisapparats an eine Wirklichkeit behauptet, die er selbst in ihren Eigenschaften erkannt haben muss. Hier tut sich ein Zirkelproblem auf.“ - Peter Janich

ich interessiere mich echt sehr für Philosophie und möchte mehr über die modernen Erkenntnistheorien erfahren…da kommt man um Peter Janich eben nicht herum und dabei bin ich auf dieses Zitat gestoßen, aber auch das Internet konnte mir nicht wirklich helfen, deshalb wende ich mich an euch!.. wie würdet ihr dieses Zitat interpretieren? wie versteht ihr die Aussage des Zitats?

Sagen wir, der Erkenntnisapparat seien die Sinne, das Gedächtnis und das Erkenntnisvermögen. Dann haben wir eine Anpassung der Sinne an das sichtbare Licht, weil es auf dem Weg durch das Medium Luft die geringsten Verluste erleidet, des Gedächtnisses an die stärksten Eindrücke und des Denkapparats oder des Weltbildes an die wiederkehrenden Erscheinungen, aus denen wir zB den Begriff der Kausalität gewinnen. Janich meint nun: wie könnten wir von einer Anpassung an die Kausalität sprechen, wenn uns dieselbe nicht bekannt gewesen wäre?

Das Problem ähnelt dem des Verhältnisses von Lernen und Erkennen. Wir können keine Erscheinung erkennen oder deuten, von der wir zuvor nie etwas erfahren haben. So etwas findet keine Resonanz in uns - wir sehen / hören nur Chaos. Wir haben keine Möglichkeit der Zuordnung. D.h. wir brauchen immer ein gewisses Vorwissen, um aus den Erscheinungen lernen zu können, ja, um nur sagen zu können: ah, das ist ja …das und das. Wenn wir sagen, der Verstand ist ein weißes leeres Blatt ohne jedes Vorwissen, dann können wir auch nichts lernen. Aus dem Zirkel kommt man raus, wenn man sagt, der Mensch bringt die Lernfähigkeit, das erste Vorwissen aus der Vererbung mit.

Der einfache Fall der Anpassung an den Landgang im Silur / Karbon brachte die Verwandlung von Flossen in Gehwerkzeuge. Der Unterschied zwischen Land und Wasser ist uns gut bewußt und wir können die Funktionsweise von Flossen und Beinen damit in Zusammenhang bringen. Wir sehen die Wechselwirkung von Umwelt und Anpassung ziemlich klar. Was ist es aber mit der Entstehung oder Bildung von Federn? Es gab sie ja vor den Vögeln. Wir haben eine Anpassung und wissen nicht an was. (Hier müßte man einen Unterschied zwischen Anpassung und Mutation machen. Aber wir sagen jetzt, eine von der Umwelt genehmigte Mutation sei eine Anpassung.) In diesem Fall müßte man gewissermaßen aus der geschehenen Anpassung rückwärts die Umwelt erschließen, die sie zugelassen hat. Und wenn man sich diese Umwelt vorgestellt hat, muß man wieder prüfen, ob sie die Anpassung in der vorliegenden Form ermöglichen kann. Die Erkenntnis der Evolution (wie auch die Ev. selbst) weisen damit ein Muster auf, das der Erkenntnis der Erkenntnis entspricht. Nämlich jenen Zirkel, der uns zum Vorwissen des Vorwissens führt.

Es bedeutet in etwa folgendes:
Die ev. Erkenntnistheorie ist selbstwidersprüchlich (also unhaltbar),
weil sie behauptet, die Wahrheit könne nicht (endgültig) erkannt werden, sondern bestünde nur in einer Annäherung an die (unerkennbare) Wirklichkeit.
Damit setzt sie aber gerade das voraus, was sie erklären wollte, nämlich die Erkennbarkeit der Wirklichkeit, die Wahrheit über den Vorgang des Erkennens und die Wahrheit selbst.
LG
Rolf