Hallo!
Ich zitiere mal (von meinem Ethik Lehrer):
"Die Diskursethik lässt sich als Weiterführung der formalen
Ethik Kants darstellen.
Das kann man so sehen, wenn man diese „Formalität“ ins Zentrum stellt, d.h. Kant und die Diskursethik geben, wie du ja selbst schon schreibst, keine inhaltlichen Moralstandards vor, sondern ein Prozedere.
Bei Kant ist das der Kategorische Imperativ, der verlangt, dass man sein Tun vom Standpunkt des Allgemeinen aus betrachten muss („Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz werde“), was dann Widerspruchsfreiheit, innere Konsistenz, Beständigkeit der Maximen impliziert.
Bei der Diskursethik ist es das Prinzip der Zwanglosigkeit/Herrschaftsfreiheit: eine moralische Norm kann nur Geltung erlangen, wenn sie von allen Betroffenen ohne Zwang anerkannt wird.
Der entscheidende Unterschied zwischen den beiden Konzepten ist sicherlich, dass Kant vom Subjekt ausgeht, während die Diskurstheorie von der Intersubjektivität ausgeht.
Was bei uns im Unterricht jedoch nicht zur Sprache kam, war
wie Kant zu dieser Behauptung, dass die Vernunft etwas
Transzendentales ist, kommt.
Das ist eine Setzung Kants.
Genauer setzt er die Existenz „synthetischer Sätze a priori“, deren Befragung auf ihre Möglichkeitsbedingung hin die Erkenntnis der „reinen Vernunft“ (= transzendental) ermöglicht.
Das also, was bei euch nicht zur Sprache kam, kann im Grunde auch nicht zur Sprache kommen, denn mit der Annahme Vernunft=transzendental steht und fällt der ganze Kant.
Ich bin der Meinung, dass wenn
dies zutreffen würde, jeder Mensch in der jeweils gleichen
Situation sich dann auf Kants (oder zu mindest die gleichen)
moralischen Werte stützen müsste, sofern man „erfahren“ genug
ist um mit ihnen umzugehen.
Ich denke, hiermit bist du schon in der Diskussion möglicher Lesarten Kants angekommen.
Idealerweise kann das allgemeine Gesetz nur widerspruchsfreie Maximen hervorbringen, also nur eine Maxime für eine Situation.
Die Frage ist, ob nach Kant das emprirische Leben dieses Ideal je vollkommen erreichen kann - ob im Leben eines Einzelnen, ob im Leben der Menschheit.
Argumentiere ich richtig, wenn ich
sage dass die Realität zeigt, dass Menschen in einer gleichen
Situation nicht immer gleich reagieren, und dass es deshalb
nicht möglich ist, dass die Vernunft etwas Transzendentales
ist?
Nein, dieses Argument hält schlichtweg Empirie und Transzendenz, so wie Kant diesen Gegensatz konzipiert, nicht auseinander, insofern kann das kein Argument gegen Kant sein.
Kant konzipiert die Vernunft, wie oben gezeigt, von synthetischen Sätzen a priori her, dann kann es sicherlich kein sinnvolles Argument sein, sie von Sätzen a posteriori her, also mittels aus der Empirie gewonnenen Sätzen, widerlegen zu wollen.
Hegel legt dem Bewusstsein auf einer seiner frühen Stufen den Satz „Das Jetzt ist die Nacht“ in den Mund. Mein Blick auf die Uhr (9:34) ist kein Argument dagegen.
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