hallo stefan,
ohne kontext ist das ganze auch nicht zu verstehen, denn kant benutzt die begriffe mit einer eigens zusammengebastelten bedeutung.
dahinter steckt aber folgender zusammenhang:
kant reagiert in diesem abschnitt auf descartes. descartes hat nämlich versucht, die existenz gottes zu beweisen, kant lehnt diesen beweis aus formalen gründen ab.
descartes’ beweis läuft grob folgendermaßen:
- ich habe die idee von etwas vollkommenem. diese idee nenne ich gott.
- ich kann mir nichts ausdenken, was besser (vollkommener) ist als die wirklichkeit (das, was tatsächlich existiert, was ich wahrnehmen kann). mein vorstellungsvermögen ist sozusagen beschränkt, meine ideen und vorstellungen können nicht vollkommener sein als die realität.
- da ich die idee von gott habe, muss gott auch existieren. denn existenz ist ein notwendiges merkmal von vollkommenheit. etwas, das in jeglicher hinsicht vollkommen ist, aber nicht existiert, hat ein manko.
descartes schließt also davon, dass er einem begriff (vollkommenheit) ein bestimmtes prädikat (existenz) beilegt, auf die tatsächliche existenz dessen, was der begriff bezeichnen soll. von der wortebene schließt er auf die ebene der wirklichkeit - also der gegenstände und dinge, die tatsächlich existieren und, zumindest zum teil, beobachtbar sind.
kant fand diesen gottesbeweis nicht sonderlich überzeugend. er meint, existenz bzw. sein sei kein prädikat (merkmal), das so wie andere prädikate funktioniere. der begriff sein hat nämlich eine doppelfunktion: in aussagen wie „der kaffee ist kalt“ fungiert das „ist“ nur als mittler - kopula - zwischen „kaffee“ und „kalt“. immer, wenn ich von einem ding ein merkmal angebe, kann ich das mit „ist“ machen (heiner ist groß, schokolade ist lecker, der winter ist kalt…). „ist“ selbst hat keine extra-bedeutung, es bezeichnet nichts, es verweist nur auf eine verbindung der merkmale mit dem ding.
die andere funktion ist diejenige, mit dem begriff „ist“ auszudrücken, dass etwas existiert (dann folgt normalerweise kein prädikat wie warm, laut, grün…) : „ich bin“ soll heißen „ich existiere“. das wörtchen existieren ist für diese funktion besser geeignet.
kant meint nun, dass descartes 1. nicht übersehen solle, dass „sein“ einfach nur eine kopula-funktion hat, wenn er sagt, gott sei dieses oder jenes. von der aussage, dass gott bärtig ist, kann man nicht drauf schließen, dass gott tatsächlich „ist“ / existiert.
und 2. meint er, dass man die ebenen schön auseinanderhalten solle: von begriffen lässt sich nicht einfach auf die wirklichkeit schließen. nur weil der begriff der vollkommenheit das prädikat existenz / existent beinhaltet (und wir ihn im kopf haben), heißt es nicht, dass etwas vollkommenes existieren muss.
DASS etwas existiert, können wir laut kant nur per erfahrung - also wahrnehmung - nachweisen (kant geht es in seiner kritik der reinen vernunft vor allem um überprüfung und rechtfertigung von aussagen). wir können die existenz von gott also nicht einfach begrifflich beweisen, wir müssten ihn schon wahrnehmen können…
hoffe, dich nun nicht noch mehr verwirrt zu haben. bei kant ist es schwierig, kurz und klar zu bleiben.
viel erfolg,
menil