Kants Bezeichnung des Seiende

Hallo zusammen :smile:
ich muss gerade eine Ausarbeitung über Immanuel Kant machen.
Bei der Recherche bin ich auf dessen Beschreibung vom Seienden gestoßen.

http://de.wikipedia.org/wiki/Seiendes

Da ich die Beschreibung absolut nicht verstanden hab fänd ichs cool wenn mir dies jemand so erklären kann, dass auch ich als Realschüler des versteht???

schonmal danke im Vorraus

gruß stefan

Hi Stefan,
zunächst mal kann ich Dich beruhigen. Kant ist für alle Menschen schwere Kost. Warum Du für eine Ausarbeitung über Kant ein so spezielles Thema bearbeitest, verstehe ich allerdings nicht. Wie lautet genau Deine Aufgabe?
Ansonsten ein allgemeiner Tipp zum schulischen/akademischen Philosophiestudium: nimm Dir die Zeit, die Texte 3,4 oder sogar 5 mal zu lesen. Mach Dir Notizen und versuche den Text in eigenen Worten wiederzugeben. Irgenwann macht es „klick“ und Du weisst, worum es geht.
Viel Spass dabei!
PS

hallo stefan,

ohne kontext ist das ganze auch nicht zu verstehen, denn kant benutzt die begriffe mit einer eigens zusammengebastelten bedeutung.
dahinter steckt aber folgender zusammenhang:

kant reagiert in diesem abschnitt auf descartes. descartes hat nämlich versucht, die existenz gottes zu beweisen, kant lehnt diesen beweis aus formalen gründen ab.
descartes’ beweis läuft grob folgendermaßen:

  1. ich habe die idee von etwas vollkommenem. diese idee nenne ich gott.
  2. ich kann mir nichts ausdenken, was besser (vollkommener) ist als die wirklichkeit (das, was tatsächlich existiert, was ich wahrnehmen kann). mein vorstellungsvermögen ist sozusagen beschränkt, meine ideen und vorstellungen können nicht vollkommener sein als die realität.
  3. da ich die idee von gott habe, muss gott auch existieren. denn existenz ist ein notwendiges merkmal von vollkommenheit. etwas, das in jeglicher hinsicht vollkommen ist, aber nicht existiert, hat ein manko.

descartes schließt also davon, dass er einem begriff (vollkommenheit) ein bestimmtes prädikat (existenz) beilegt, auf die tatsächliche existenz dessen, was der begriff bezeichnen soll. von der wortebene schließt er auf die ebene der wirklichkeit - also der gegenstände und dinge, die tatsächlich existieren und, zumindest zum teil, beobachtbar sind.

kant fand diesen gottesbeweis nicht sonderlich überzeugend. er meint, existenz bzw. sein sei kein prädikat (merkmal), das so wie andere prädikate funktioniere. der begriff sein hat nämlich eine doppelfunktion: in aussagen wie „der kaffee ist kalt“ fungiert das „ist“ nur als mittler - kopula - zwischen „kaffee“ und „kalt“. immer, wenn ich von einem ding ein merkmal angebe, kann ich das mit „ist“ machen (heiner ist groß, schokolade ist lecker, der winter ist kalt…). „ist“ selbst hat keine extra-bedeutung, es bezeichnet nichts, es verweist nur auf eine verbindung der merkmale mit dem ding.
die andere funktion ist diejenige, mit dem begriff „ist“ auszudrücken, dass etwas existiert (dann folgt normalerweise kein prädikat wie warm, laut, grün…) : „ich bin“ soll heißen „ich existiere“. das wörtchen existieren ist für diese funktion besser geeignet.

kant meint nun, dass descartes 1. nicht übersehen solle, dass „sein“ einfach nur eine kopula-funktion hat, wenn er sagt, gott sei dieses oder jenes. von der aussage, dass gott bärtig ist, kann man nicht drauf schließen, dass gott tatsächlich „ist“ / existiert.
und 2. meint er, dass man die ebenen schön auseinanderhalten solle: von begriffen lässt sich nicht einfach auf die wirklichkeit schließen. nur weil der begriff der vollkommenheit das prädikat existenz / existent beinhaltet (und wir ihn im kopf haben), heißt es nicht, dass etwas vollkommenes existieren muss.

DASS etwas existiert, können wir laut kant nur per erfahrung - also wahrnehmung - nachweisen (kant geht es in seiner kritik der reinen vernunft vor allem um überprüfung und rechtfertigung von aussagen). wir können die existenz von gott also nicht einfach begrifflich beweisen, wir müssten ihn schon wahrnehmen können…

hoffe, dich nun nicht noch mehr verwirrt zu haben. bei kant ist es schwierig, kurz und klar zu bleiben.
viel erfolg,
menil

Hey Phillip
ja danke da habe ich schon mehrmals versucht aber hat irgendwie immer noch net geklappt.
Warum ich da Thema gewählt hatte?
Mmh ich hab halt ziemlich oft den Namen Immanuel Kant gelesn und dann dacht ich dass des bestimmt interessant ist:smile: aber demnacht war nicht so:smiley: das thema is umfangreicher und komplizierter als ich dachte
aber danke für deinen tipp
gruß Stefan

Hey
also erst mal vielen Dank für deine starke erklärung!
Habs jetzt wirklich verstanden. Also echt gut erklärt!
was ich aber noch nicht verstanden habe ist das mit dem Beziehungsweise?ich habe das so verstanden gehabt, dass wenn man sagt Gott ist allmächtig, also dann Gott und Allmacht, dass man für das „ist“ genausogut „beziehungweise“ einsetzen kann, also es dann heist Gott bzw. Allmacht??Ist der Gedanke falsch?
Vielen dank für deine schnelle und sehr gute Antwort
Gruß Stefan

Geduld, Geduld… des wird scho!

Ansonsten: Weinschedel (oder ähnlich heisst der Herr) „Die philosophische Hintertreppe“. Darin findest Du eine schöne, kurze (schön-kurze) Einführung zu Kant und vielen anderen Philosophen. Kostet nicht viel im Laden und ist sonst sicher in jeder Stadtbibliothek erhältlich.

Grüsse
PS

hallo stefan,

schön, dass mein text helfen konnte.

was ich aber noch nicht verstanden habe ist das mit dem
Beziehungsweise?ich habe das so verstanden gehabt, dass wenn
man sagt Gott ist allmächtig, also dann Gott und Allmacht,
dass man für das „ist“ genausogut „beziehungweise“ einsetzen
kann, also es dann heist Gott bzw. Allmacht??

also, kant schreibt:

Der Satz Gott ist allmächtig enthält zwei Begriffe, die ihre Objekte haben: Gott und Allmacht; das Wörtchen: ist, ist nicht noch ein Prädikat, sondern nur das, was das Prädikat beziehungsweise auf das Subjekt setzt.

das „beziehungsweise“ bezieht sich auf eine funktion des „ist“: in dem satz „gott ist allmächtig“ setzt das „ist“ nämlich das Prädikat „allmächtig“ in beziehung zum subjekt „gott“. „ist“ klärt sozusagen, was allmächtig mit gott zu tun hat: es ist eine subjekt-prädikat-beziehung, das prädikat beschreibt das subjekt näher.
„beziehungsweise“ darf hier nicht in seiner üblichen bedeutung verstanden werden im sinne von „respektive“ / „oder“. kant meint es ganz wörtlich: es geht um die beziehung.

dahingegen haben die begriffe „gott“ und „allmächtig“ eine bedeutung, man kann sich etwas mehr oder weniger konkretes darunter vorstellen (analog zu z.B. „apfel“ oder „katze“) und eigenschaften der dinge, die man sich vorstellt, angeben. gott z.b. wird als allwissend und allmächtig angesehen; allmächtig sein bedeutet, über unbegrenzte macht verfügen; äpfel sind materiell, meist mehr oder weniger kugelförmig, haben einen bestimmten geschmack; katzen sind tiere, verfügen über krallen etc.
diese geschichte ist mit „ist“ in der oben genannten funktion nicht möglich, da ist nur eine beziehung herstellt, bezieht es sich nicht auf etwas bestimmtes, man kann ihm keine eigenschaften zuordnen.
Kant unterscheidet hier klar zwischen den beiden funktionen von „ist“ (s. mein anderer text).

du schreibst:

man sagt Gott ist allmächtig, also dann Gott und Allmacht,
dass man für das „ist“ genausogut „beziehungweise“ einsetzen
kann, also es dann heist Gott bzw. Allmacht??

jein: ja zu man kann sagen „gott und allmacht“, nein zu man kann beziehungsweise für ist einsetzen. man müsste sagen „gott steht in einer beziehung zu allmacht“ (klingt blöd, ist aber so) - nämlich in jener, dass allmacht als prädikat gott zugerechnet wird.

ähnlich: „der apfel ist grün.“ ist auseinandergenommen: apfel + grün + eigenschaftsbeziehung; dann noch ein bisschen subjekt-verb-objekt-ordnung und wir haben wieder den ausgangssatz.

ich hoffe, es ist verständlich…
viele grüße,
menil