Kapitalismus

Hallo,

nachdem der real existierende Sozialismus-Kommunismus
untergegangen ist, ereilt den Kapitalismus nun
dasselbe Schicksal?

http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,668324,00.html

Was glaubt ihr?

Was würde folgen, hypothetisch gesehen?

Gruß
Powenz

Servus,

das ist ja nicht das erste mal, dass der Kapitalismus am abgrund steht(siehe schwarzer Freitag, Weberaufstand …). Nur leider ist das blöde, dass die Schwachen Vielen nicht verstehen, dass der Kapitalismus halt blöd ist(siehe jetztige Wirtschaftslage^^).

Der Kapitalismus wird weiter gehen, die Welt entweder gerettet oder die Welt verarmt und der Mensch erkennt, dass Geld nicht alles ist im Leben.

mfg,

Hanzo

nachdem der real existierende Sozialismus-Kommunismus
untergegangen ist, ereilt den Kapitalismus nun
dasselbe Schicksal?

Hier müsste man, lieber Powenz, zunächst das ansatzweise definieren, worüber gesprochen werden soll.
Wenn man den Kapitalismus der Tradition entsprechend als eine bestimmte historisch spezifische Produktionsweise (freies Kapital, freie Arbeitskraft, Produktionsmittel in privater Hand, Ausrichtung auf Mehrwerterzielung zur Kapitalakkumulation) definieren mag, dann wird diese Produktionssphäre durch mögliche größere Paradigmenwechsel in der Finanzwirtschaft vermutlich wenig tangiert werden.

Was glaubt ihr?

Was würde folgen, hypothetisch gesehen?

Ich glaube, dass der „(neo)liberalen“ Phase des Kapitalismus der letzten 30 Jahre eine neue „staatskapitalische“ Phase folgen wird, in der nicht das kapitalistische System selbst Veränderungen erfährt, sondern lediglich das Verhältnis der globalen Ökonomie zum noch nicht ganz so globalen Staatensystem.
Dieses Globalisierungsdefizit des Staatensystems im Verhältnis zur Ökonomie wird sich m.E. in erster Linie massiv verringern - als Voraussetzung für eine wohl erwartbare Engführung des Verhältnis von Staatensystem und Ökonomie.
Das sind ja auch die Schlagworte derzeit: „globale soziale Marktwirtschaft“, „der Wirtschaft Pflöcke einschlagen“, „überall geltende Spielregeln“ usw.

Zusammengefasst: Staat und Staatsideologie werden noch weiter von „Reparatur“ auf „Prävention“ umstellen, die Finanzwirtschaft wird vielleicht vorübergehend ihr Casino ins Hinterzimmer verlegen müssen, aber für die Produktionssphäre sehe ich keinerlei grundsätzliche Veränderung anstehen.

_ ℂ Λ ℕ Ð I Ð € _

Hallo,

nachdem der real existierende Sozialismus-Kommunismus
untergegangen ist, ereilt den Kapitalismus nun
dasselbe Schicksal?

tatsächlich ist es nicht der Kapitalismus, der versagt hat, sondern es haben staatliche Eingriffe zu der Katastrophe geführt. Seit den 70ern haben die Staaten (allen voran die USA) den Finanzsektor immer wieder gestützt. Das hat dazu geführt, daß die untereinander berechneten Zinssätze nicht dem tatsächlichen Risiko entsprachen und zu riskante Geschäfte unternommen wurden.

Der zweite Eingriff in den Markt ist die in viel zu großem Maße und viel zu billig bereitgestellte Liquidität. Dadurch gab es Anlagedruck, der zu riskanten Investitionen (=Kredite u.ä.) führte. Man konnte ein praktisch unbegrenztes Geschäftsvolumen drehen, hat zwar nur kleine Margen erzielt, aber durch die Masse aber unfaßbare Gewinne gemacht - immer in dem Wissen, daß der Staat schon eingreifen wird, wenn es mal eng wird.

Genau das ist ja die Ursache dafür, daß die Finanzmärkte zusammengebrochen sind, nachdem man ausgerechnet Lehman umfallen ließ (um am nächsten Tag AIG zu stützen). Die Finanzmärkte waren so darauf eingestellt, daß der Staat eingreift, daß sie nicht so reagierten wie sonst, wenn ein Kreditnehmer pleite war: dumm kucken, Forderungen anmelden, teilweise abschreiben und anschließend weitermachen. Stattdessen kam es zur puren Panik und irrationalen Reaktionen, die teilweise bis heute anhalten.

Ursachen des Debakels sind also eine implizite Staatsgarantie für den Finanzsektor und massenweise billiges Geld. Dies hat man nun durch eine explizite Staatsgarantie und noch mehr billiges Geld ersetzt. Daß das nicht die Lösung sein kann, ist wohl offensichtlich.

Wenn wir also vermutlich in absehbarer Zeit einen noch größeren Kollaps erleben werden, liegt das nicht an zu viel Kapitalismus, sondern zu vielen (oder meinetwegen zu falschen) staatlichen Eingriffen in den Markt.

Gruß
Christian

Hi Candide,

Hier müsste man, lieber Powenz, zunächst das ansatzweise
definieren, worüber gesprochen werden soll.

Klar, nur ist die Thematik so komplex, dass ich das
in so einem kleinen thread nicht ausgeführt habe,
was du mit „ansatzsweise“ relativieren willst.
Also ganz schlicht, um das Thema nicht zu zerreden:
Kapitalismus: „Macht des Kapitals“.
Wenn es zum Supergau kommt und Geld nichts mehr
wert wäre. Der Mensch hat verlernt für sich selbst
zu sorgen, man delegiert ans Geld.

Das sind ja auch die Schlagworte derzeit: „globale soziale
Marktwirtschaft“, „der Wirtschaft Pflöcke einschlagen“,
„überall geltende Spielregeln“ usw.

Wie du selbst angesprochen hast, ohne „Global Governance“?
Ich denke jetzt extrem dialektisch und erinnere an den
Weltklimagipfel. Noch nicht einmal wenn es um den eigenen
Arsch geht, sind bestimmte Gruppen in der Lage, rational
zu handeln oder denken!

Zusammengefasst: Staat und Staatsideologie werden noch weiter
von „Reparatur“ auf „Prävention“ umstellen, die
Finanzwirtschaft wird vielleicht vorübergehend ihr Casino ins
Hinterzimmer verlegen müssen, aber für die Produktionssphäre
sehe ich keinerlei grundsätzliche Veränderung anstehen.

Der Spiegelartikel sieht die politisch Mächtigen
machtlos, glaubst du er übertreibt?

Gruß
Powenz

Hallo exc,

tatsächlich ist es nicht der Kapitalismus, der versagt hat,
sondern es haben staatliche Eingriffe zu der Katastrophe
geführt.

das differenziere ich nicht unbedingt, sondern betrachte
das global, die staatlichen Eingriffe als involvierten
Teil des Kapitalismus. Ich betrachte das aus
systemtheoretischer Sicht, solche Interaktionen und
Kommunikationen machen das Ganze aus. Jeder Part
agiert und reagiert selbsteferenziell, man kann das
glaube ich nicht wirklich trennen, höchstens theoretisch.

Der zweite Eingriff in den Markt ist die in viel zu großem
Maße und viel zu billig bereitgestellte Liquidität. Dadurch
gab es Anlagedruck, der zu riskanten Investitionen (=Kredite
u.ä.) führte. Man konnte ein praktisch unbegrenztes
Geschäftsvolumen drehen, hat zwar nur kleine Margen erzielt,
aber durch die Masse aber unfaßbare Gewinne gemacht - immer in
dem Wissen, daß der Staat schon eingreifen wird, wenn es mal
eng wird.

Glaubst du wirklich, dass hier nicht auch ein gewisses Maß an
„Draufgängertum“ wirkt? Ich habe bei Candide unten analog
den Weltklimagipfel angesprochen. Selbst wenn es keinen
Plan B gibt, sind bestimmte Gruppen von Leuten nicht
zu rationalem Denken fähig.

Genau das ist ja die Ursache dafür, daß die Finanzmärkte
zusammengebrochen sind, nachdem man ausgerechnet Lehman
umfallen ließ (um am nächsten Tag AIG zu stützen). Die
Finanzmärkte waren so darauf eingestellt, daß der Staat
eingreift, daß sie nicht so reagierten wie sonst, wenn ein
Kreditnehmer pleite war: dumm kucken, Forderungen anmelden,
teilweise abschreiben und anschließend weitermachen.
Stattdessen kam es zur puren Panik und irrationalen
Reaktionen, die teilweise bis heute anhalten.

Ganz genau und sind diese irrationalen Reaktionen
nicht apriorisch schon gegeben? Wenn man sich
vor seinem Handeln schon klar darüber ist,
welche kausalen Möglichkeiten warten und umgekehrt
stehen die politisch Mächtigen ja nicht vor einem
unvorhersehbaren „Unglück“, man diskutiert dieses
mögliche Szeanario schon lange. Risikomanagement,
wie du es betreibst, ist doch kein Fremdwort.

Ursachen des Debakels sind also eine implizite Staatsgarantie
für den Finanzsektor und massenweise billiges Geld. Dies hat
man nun durch eine explizite Staatsgarantie und noch mehr
billiges Geld ersetzt. Daß das nicht die Lösung sein kann, ist
wohl offensichtlich.

Wenn sich der Markt nicht eigendynamisch
konsolidiert, wird er pathetisch gesagt „sterben“?

Wenn wir also vermutlich in absehbarer Zeit einen noch
größeren Kollaps erleben werden, liegt das nicht an zu viel
Kapitalismus, sondern zu vielen (oder meinetwegen zu falschen)
staatlichen Eingriffen in den Markt.

Ist der Kapitalismus dann also nicht überlebensfähig?
Innerhalb dieser menschlichen Gesellschaft,
psychologisch betrachtet?

Danke für deine Ausführungen!

Gruß
Powenz

Hi Hanzo,

Der Kapitalismus wird weiter gehen, die Welt entweder gerettet
oder die Welt verarmt und der Mensch erkennt, dass Geld nicht
alles ist im Leben.

was immerhin, philosophisch betrachtet, ein Fortschritt wäre. :smile:

Gruß
Powenz

Umbau des Finanzsektors
Hallo,

Der Spiegelartikel sieht die politisch Mächtigen
machtlos, glaubst du er übertreibt?

das Problem ist wie so oft, daß es am Willen und/oder der Fähigkeit fehlt, Systembrüche ins Kalkül zu ziehen. Stattdessen nimmt man das vorhandene/bekannte Instrumentarium und dreht ein bißchen an den Stellschrauben.

Die Risiken kann man jedoch nur durch grundsätzliche, fundamentale Änderungen begrenzen. Als da wären:

Privatwirtschaftliche Kreditinstitute dürfen nur noch in Rechtsformen geführt werden, die eine persönliche Haftung der Geschäftsleiter mit sich bringen, also KG, KGaA, oHG.

  • Begrenzung des Geschäftsvolumen (also Bilanzsumme und außerbilanzielle Geschäfte) auf einen Betrag, der sich von der Wirtschaftskraft des Sitzlandes ableitet (z.B. 3% des BIP, d.h. für Deutschland rd. 60 Mrd.

  • Konzentration auf das originäre Einlagen- und Kreditgeschäft

  • Verbot staatlicher Stützungsmaßnahmen, lediglich Beibehaltung der Einlagensicherung für private Anleger

  • maximal drei Hierarchiestufen

  • Verbot von an Aktienkurse geknüpfter Gehaltsbestandteile (natürlich nicht nur für Kreditinstitute)

  • erfolgsabhängige Bestandteile für Führungskräfte werden frühestens nach fünf Jahren ausgezahlt und auch nur, wenn der Erfolg angehalten hat

  • persönliche Haftung (im Sinne der Strafbarkeit) von Mitarbeitern bei Verstößen gegen aufsichtsrechtliche Vorgaben und Bilanzierungsvorschriften

  • Begrenzung jeglicher Art des Risikotransfers aus Transaktionen auf Dritte auf maximal 50%

  • Eigenkapitalquote mindestens 15%

Das wars erst einmal für den Anfang.

Gruß
Christian

Lieber Powenz!

Hier müsste man, lieber Powenz, zunächst das ansatzweise
definieren, worüber gesprochen werden soll.

Klar, nur ist die Thematik so komplex, dass ich das
in so einem kleinen thread nicht ausgeführt habe,
was du mit „ansatzsweise“ relativieren willst.

Schon klar, aber der Begriff „Kapitalismus“ ist halt extrem polysem :wink:
Exc z.B. verwendet den Begriff oben ganz angelsächsisch weitgehend synonym mit Marktwirtschaft, während du und ich wohl eher ein Wirtschafts- und Gesellschaftssystem darunter verstehen.

Das sind ja auch die Schlagworte derzeit: „globale soziale
Marktwirtschaft“, „der Wirtschaft Pflöcke einschlagen“,
„überall geltende Spielregeln“ usw.

Wie du selbst angesprochen hast, ohne „Global Governance“?

wenn du darunter eine „multifokale Vernetzung der Staaten zur Insitutionalisierung von Lösungsansätzen für globale Probleme unter der Bedingung der Abwesenheit eines global governments“ (oder so ähnlich *schnauf*) verstehst, dann geht der Zug doch eindeutig in diese Richtung. Man betrachte doch bloß mal die ganze weltregionale Integration, die mehr und mehr einige wenige Foki der Welt als ‚Ansprechpartner‘ und Konfliktparteien hervorbringt und verstärkt hervorbringen wird: EU, NAFTA, MERCOSUR, ASEAN, etc.

Ich denke jetzt extrem dialektisch und erinnere an den
Weltklimagipfel. Noch nicht einmal wenn es um den eigenen
Arsch geht, sind bestimmte Gruppen in der Lage, rational
zu handeln oder denken!

Naja, es ging hier ja neben einer globalen Problematik doch auch sehr um massive Interessenskonflikte, die ich keineswegs für irrational halte. Diese „lähmenden“ Interessenskonflikte hättest du auch in der Situation einer Weltinnenpolitik bzw. hast du auch -auf anderen Gebieten- innerhalb eines Staates. Daher betrachte ich Kopenhagen gar nicht als ein Zeichen für das Scheitern weltpolitischer Integration.

Der Spiegelartikel sieht die politisch Mächtigen
machtlos, glaubst du er übertreibt?

Nein, du übertreibst :wink:

Auf der zweiten Seite des Artikels werden ja tatsächlich auch einige Instrumentarien angeführt mit denen die Politik sich gegen das Eigenleben des Finanzystems wehrt und noch besser wehren könnte.
Verhindert wird dies -laut Artikel- nicht durch eine ominöse ‚Eigenlogik‘ des Finanzsystems, die politischen Einfluss auf das Finanzystem prinzipiell subvertieren könnte (Herr Luhmann würde das jetzt behaupten, wenn er noch leben würde) oder durch eine Clique von Finanzoligarchen (das suggeriert der Artikel eher auf S. 1, aber das halte ich in der Form für blödsinnigen Populismus), sondern eben durch andere Politiker, also durch schnöde Interessens- und Machtpolitik.

gut, dass da neben den Amis und den Briten nun auch die Chinesen dabei sind.

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Hallo nochmal,

tatsächlich ist es nicht der Kapitalismus, der versagt hat,
sondern es haben staatliche Eingriffe zu der Katastrophe
geführt.

das differenziere ich nicht unbedingt, sondern betrachte
das global, die staatlichen Eingriffe als involvierten
Teil des Kapitalismus.

die Alternative zum Kapitalismus ist eine staatlich bestimmte Wirtschaftsordnung, in der Staat den Wirtschaftsusbjekten weitgehend vorschreibt, wie sie zu agieren haben. Wenn der Staat in die kapitalistische Marktwirtschaft eingreift, hebelt er wichtige Mechanismen aus. Insofern muß man das m.E. schon so differenziert sehen.

Hätte es die beiden Faktoren, die ich nannte, nicht gegeben, wäre es nie so weit gekommen, daß bspw. massenweise risikobehaftete und nicht risikoadäquat verzinste und strukturierte Kredite vergeben wurden. Erstens weil die Liquidität in dem Maße und zu dem Preis gar nicht vorhanden gewesen wäre und zweitens weil kein KI eine derartige Risikopolitik auf Dauer hätte betreiben können, ohne die Existenz zu riskieren.

Schönes Beispiel dafür ist die Citibank, die eine Zeitlang sinnlos Geld unters Volk warf. Schon wenge Jahre später waren die Risiken so groß, daß man die Risikopolitik überdachte und die verantwortlichen Personen entfernte.

Ich betrachte das aus
systemtheoretischer Sicht, solche Interaktionen und
Kommunikationen machen das Ganze aus. Jeder Part
agiert und reagiert selbsteferenziell, man kann das
glaube ich nicht wirklich trennen, höchstens theoretisch.

Ich sehe das anders. Daß die Landesbanken vor Ende der Gewährträgerhaftung riesige Beträge billig aufnahmen und anschließend nahezu blind investierten, wurde bewußt von der Geschäftsleitung entschieden. Fonds und Kreditinstitute hätten unter normalen Bedingungen niemals so viel und so billig Fremdkapital aufnehmen können, um ein derart großes Rad zu drehen. So arbeitet bspw. die Deutsche Bank heute noch mit einem Leverage (also Verhältnis Fremdkapital zu Eigenkapital) von ca. 50.

Der zweite Eingriff in den Markt ist die in viel zu großem
Maße und viel zu billig bereitgestellte Liquidität. Dadurch
gab es Anlagedruck, der zu riskanten Investitionen (=Kredite
u.ä.) führte. Man konnte ein praktisch unbegrenztes
Geschäftsvolumen drehen, hat zwar nur kleine Margen erzielt,
aber durch die Masse aber unfaßbare Gewinne gemacht - immer in
dem Wissen, daß der Staat schon eingreifen wird, wenn es mal
eng wird.

Glaubst du wirklich, dass hier nicht auch ein gewisses Maß an
„Draufgängertum“ wirkt?

Das kann man ja steuern, durch Vorgaben u.ä. Die Devise „raus mit der Kohle“ war aber Programm.

Genau das ist ja die Ursache dafür, daß die Finanzmärkte
zusammengebrochen sind, nachdem man ausgerechnet Lehman
umfallen ließ (um am nächsten Tag AIG zu stützen). Die
Finanzmärkte waren so darauf eingestellt, daß der Staat
eingreift, daß sie nicht so reagierten wie sonst, wenn ein
Kreditnehmer pleite war: dumm kucken, Forderungen anmelden,
teilweise abschreiben und anschließend weitermachen.
Stattdessen kam es zur puren Panik und irrationalen
Reaktionen, die teilweise bis heute anhalten.

Ganz genau und sind diese irrationalen Reaktionen
nicht apriorisch schon gegeben? Wenn man sich
vor seinem Handeln schon klar darüber ist,
welche kausalen Möglichkeiten warten und umgekehrt
stehen die politisch Mächtigen ja nicht vor einem
unvorhersehbaren „Unglück“, man diskutiert dieses
mögliche Szeanario schon lange. Risikomanagement,
wie du es betreibst, ist doch kein Fremdwort.

Das fand doch offensichtlich nicht statt - jedenfalls nicht so, wie es nötig gewesen wäre. Selbst als das Ende des Immobilienbooms schon absehbar war, haben noch Institute neue Verbriefungprogramme aufgelegt. Man hat schlichtweg nicht geglaubt, daß die ganzen gestreuten Risiken (abertausende Immobilienfinanzierungen) tatsächlich nur ein einziges waren: ein systematisches USA-Risiko.

Daß eine deutsche Bank ein systematisches Deutschland-Risiko hat, ist zwangsläufig so. Sich aber ein zweites aufzuladen, ist unter normalen Umständen selbstmörderisch. „Triple A-Rating“, „kleine Marge aber große Programme“, „Risikostreuung“ waren regelrechte Zauberformeln, mit denen sich alles begründen und genehmigen ließ.

Ursachen des Debakels sind also eine implizite Staatsgarantie
für den Finanzsektor und massenweise billiges Geld. Dies hat
man nun durch eine explizite Staatsgarantie und noch mehr
billiges Geld ersetzt. Daß das nicht die Lösung sein kann, ist
wohl offensichtlich.

Wenn sich der Markt nicht eigendynamisch
konsolidiert, wird er pathetisch gesagt „sterben“?

Wenn es den Notenbanken nicht gelingt, das Geld langsam und gleichzeitig schnell genug aus dem Markt zu ziehen, wird es so oder so schlimme Folgen haben. Entweder folgt eine langanhaltende Wirtschaftskrise wie in den 20er und 30er Jahren (wenn es zu schnell passiert) oder es gibt Inflation - oder beides.

Hinzu kommt, daß die Staatsverschuldungen schon so hoch sind, daß es in absehbarer Zeit meiner Meinung nach zu Währungszusammenbrüchen kommt (wie auch immer die dann im Detail aussehen). Beim Dollar könnte es schon im ersten Halbjahr 2010 passieren, beim Euro kommt es darauf an, ob man sich entschließt, erst Griechenland und anschließend Spanien, Österreich, die Niederlande, Irland und wer denn noch alles ankommt zu helfen.

Wenn wir also vermutlich in absehbarer Zeit einen noch
größeren Kollaps erleben werden, liegt das nicht an zu viel
Kapitalismus, sondern zu vielen (oder meinetwegen zu falschen)
staatlichen Eingriffen in den Markt.

Ist der Kapitalismus dann also nicht überlebensfähig?
Innerhalb dieser menschlichen Gesellschaft,
psychologisch betrachtet?

Kapitalismus in irgendeiner Form ist quasi ein Naturgesetz. Das Kollektiv Mensch strebt nach Nutzenmaximierung und das geht nicht ohne Kapitalismus, also Gewinnstreben. Hinzu kommt, daß Gewinnstreben auch die wesentliche Triebkraft für Veränderung und Innovation ist. Man täte sich keinen Gefallen, den Menschen irgendeine pseudo-kommunistische Wirtschaftsform aufzudrücken, was ohne Zwang sowieso nicht geht.

Worüber man diskutieren kann, ist die Ausgestaltung des Kapitalismus. Der Neoliberalismus fordert je gerade regulierende Eingriffe des Staates, um den Kapitalismus abzumildern:
http://de.wikipedia.org/wiki/Neoliberalismus

Die beiden Ursachen der Krise habe ich ja schon als nichtkapitalistisch beschrieben. Letzten Endes haben die staatlichen Eingriffe dazu geführt, daß der Kapitalismus, das bedingungs- und rücksichtslose Gewinnstreben sich überhaupt entfalten und diese Dimensionen erreichen konnte. Der Kapitalismus in seiner reinen Form hätte diese Exzesse wie beschrieben gar nicht ermöglicht.

Gruß
Christian

Hallo,

Schon klar, aber der Begriff „Kapitalismus“ ist halt extrem
polysem :wink:
Exc z.B. verwendet den Begriff oben ganz angelsächsisch
weitgehend synonym mit Marktwirtschaft, während du und ich
wohl eher ein Wirtschafts- und Gesellschaftssystem darunter
verstehen.

die Diskussion über die Abgrenzung von Kapitalismus und Marktwirtschaft ist eine alte und letztlich philosophische. Gängig ist, daß beides letztlich gleichgesetzt wird, was ich auch so sehe, weil die Grundprinzipien die gleichen sind. Ich verwende den Begriff Kapitalismus nicht so gerne, weil ~ismen generell etwas ideologisches anhaftet. In der Diskussion habe ich ihn allerdings gelegentlich verwendet, weil der Artikelbaum nun einmal diese Überschrift trägt.

Gruß
C.

Hallo!

die Diskussion über die Abgrenzung von Kapitalismus und
Marktwirtschaft ist eine alte und letztlich philosophische.
Gängig ist, daß beides letztlich gleichgesetzt wird, was ich
auch so sehe, weil die Grundprinzipien die gleichen sind.

Das sagte ich doch auch so, dass deine Begriffsverwendung so war.

Im angelsächsischen Sprachgebrauch ist die synonyme Verwendung der beiden Begriffe sicherlich gängiger, im kontinentaleuropäischen Diskurs wohl nicht in dem Maß; da zielt „Marktwirtschaft“ m.E. eher auf die Wirtschaftsordnung, während „Kapitalismus“ eher auf eine (historisch situierte) Gesellschaftsordnung zielt.

_ ℂ Λ ℕ Ð I Ð € _

Hallo,
gute Vorsaetze, wahrscheinlich, kann es nicht im Detail beurteilen.
Aber
wer damit anfaengt, geht zuerst pleite.
Wenn Angela das hier durchsetzt, machen nur noch auslaendische Banken das Geschaeft. Und die Deutsche Bank verlagert ihren Hauptsitz nach London.
Wenn das viele Industrienationen durchsetzen, muessen alle grossen Banken nach Cayman Islands oder wo sonst die letzten Ausnahmen moeglich sind.

Gruss Helmut

Hallo,

wer damit anfaengt, geht zuerst pleite.
Wenn Angela das hier durchsetzt, machen nur noch auslaendische
Banken das Geschaeft. Und die Deutsche Bank verlagert ihren
Hauptsitz nach London.

daß das nicht im Alleingang geht, ist offensichtlich.

Gruß
C.

guten morgen,

ist das alles nicht ein wenig zuviel der regulierung?
an anderer stelle nennst du eben diese selektiven eingriffe als die wurzel des übels.

vielleicht sollte man noch einmal ein paar schritte zurückgehen:
was war denn eigentlich wirklich der auslöser der krise?
die gehälter der bankmanager oder händler?
die kreditvergabe unserer banken?
der erfindergeist der finanzindustrie?
die plötzliche spekulationslust von bisher konservativen anlegern?

ich vermute, jeder dieser punkte ist ein baustein des ganzen.
und so finde ich nun ein einseitiges prügeln auf die bankmanager nicht korrekt und vorallem kontraproduktiv.
die nachfrage regelt das angebot.wir hatten in der letzten dekade ein reges nachfragen nach hochrentablen anlagemöglichkeiten für die generation der erben.d.h. nach immobilien, beteiligungen und sonstigen produkten.jede noch so bizarre „innovation“ wurde gerne genommen.fiskalisch wurde begleitend ein nicht geringes mass an steueranreizen gesetzt, diese befeuerten die nachfrage noch zusätzlich.

ich erinnere auch an den börsengang der dt. post/telekom.mit medialer unterstützung sollte ein volk von sparbuchbesitzern über nacht zu aktionären modelliert werden.auch das trug zur lust am neuen bei, ohne sich aber die risiken zu vergegenwärtigen.
selbstverständlich sollen die verantwortlichen in den führungsstäben keinen freibrief erhalten.verstöße gegen gesetze müssen folgen haben.
mit weitaus mehr elan als dies bisher von der politik gezeigt wird.

aber erstens, können wir uns als nation nicht gegen den strom stemmen und z.b. sagen, unsere manager erhalten nur gedeckelte gehälter bei maximalen unternehmerischen risiko.das bringt uns ins hintertreffen.
zweitens würden wir auch bankern, die gute leistung zum wohle aller erbringen ,durch begrenzte monetäre anerkennung keinen respekt zollen.

ich finde, dass mehr bildung in finanzwirtschaftlichen zusammenhängen
,schon in der basisausbildung, ein großer schritt in die richtige richtung sein kann.

bartholomäus

Hallo,

ist das alles nicht ein wenig zuviel der regulierung?

alles eine Frage der Abwägung von Ziel und Mittel.

an anderer stelle nennst du eben diese selektiven eingriffe
als die wurzel des übels.

„eben diese“? Mir geht es um genau das Gegenteil dessen, was bisher passierte. Bisher hat man die Kreditinstitute mit billigem Geld überhäuft, sie gebeten, damit keinen Unsinn zu machen und ihnen gleichzeitig zugesichert, daß man ihnen schon helfen wird, wenn sie sich verzocken. Das hat mit meinen Maßnahmen genau nichts zu tun.

was war denn eigentlich wirklich der auslöser der krise?
die gehälter der bankmanager oder händler?
die kreditvergabe unserer banken?
der erfindergeist der finanzindustrie?
die plötzliche spekulationslust von bisher konservativen
anlegern?

All das hat es früher auch schon gegeben. Neu sind die implizite Staatsgarantie für US-amerikanische Kreditinstitute (seit den 70ern) und die Unmengen an billiger Liquidität (seit 2000/2001).

ich vermute, jeder dieser punkte ist ein baustein des ganzen.
und so finde ich nun ein einseitiges prügeln auf die
bankmanager nicht korrekt und vorallem kontraproduktiv.
die nachfrage regelt das angebot.wir hatten in der letzten
dekade ein reges nachfragen nach hochrentablen
anlagemöglichkeiten für die generation der erben.

Die Anlagen in US-Immobilien waren nicht hochrentabel. Die Margen für die AAA-Tranchen lagen bei ca. 0,5%-1%; damit zwar höher als andere AAA-Anlagen aber immer noch zu günstig, um damit unter normalen Umständen Geld verdienen zu können. Das war nur möglich, weil die KI das Geld noch günstiger über die Notenbanken und den Kapitalmarkt bekommen konnten. Privatkunden haben von diesen Papieren sowieso praktisch nichts mitbekommen. Die landeten bei anderen institutionellen Anlegern.

d.h. nach
immobilien, beteiligungen und sonstigen produkten.jede noch so
bizarre „innovation“ wurde gerne genommen.fiskalisch wurde
begleitend ein nicht geringes mass an steueranreizen gesetzt,
diese befeuerten die nachfrage noch zusätzlich.

Das hat alles nichts mit unseren Problemen zu tun.

ich erinnere auch an den börsengang der dt. post/telekom.mit
medialer unterstützung sollte ein volk von sparbuchbesitzern
über nacht zu aktionären modelliert werden.auch das trug zur
lust am neuen bei, ohne sich aber die risiken zu
vergegenwärtigen.

Ach ja, der Mythos von der Abzocke der T-Aktionäre. Die Aktie kam damals für 28 DM an die Börse und erreichte in der Folge um die 95 Euro, also in etwa das sechsfache. Wer mit dem Papier keinen Gewinn gemacht hat, war entweder zu doof oder zu gierig.

aber erstens, können wir uns als nation nicht gegen den strom
stemmen und z.b. sagen, unsere manager erhalten nur gedeckelte
gehälter bei maximalen unternehmerischen risiko.das bringt uns
ins hintertreffen.
zweitens würden wir auch bankern, die gute leistung zum wohle
aller erbringen ,durch begrenzte monetäre anerkennung keinen
respekt zollen.

Ich habe nie etwas anderes geschrieben und wenn Du genau hinschaust, ist eine Begrenzung der Gehälter nicht in meinem weiter unten zu findenden Maßnahmenkatalog.

ich finde, dass mehr bildung in finanzwirtschaftlichen
zusammenhängen
,schon in der basisausbildung, ein großer schritt in die
richtige richtung sein kann.

Auch das schreibe ich immer wieder, wie zuletzt in Kredite, Wertpapierhandel & Geldanlage. Das hätte aber unsere Krise weder verhindert noch hat es damit zu tun.

Ansonsten: bitte verwende Groß- und Kleinschreibung. So ist mir das zu anstrengend zu lesen.

Gruß
C.

Im angelsächsischen Sprachgebrauch ist die synonyme Verwendung
der beiden Begriffe sicherlich gängiger, im
kontinentaleuropäischen Diskurs wohl nicht in dem Maß; da
zielt „Marktwirtschaft“ m.E. eher auf die Wirtschaftsordnung,
während „Kapitalismus“ eher auf eine (historisch situierte)
Gesellschaftsordnung zielt.

Komisch, ich hätte es genau andersherum zugeordnet. Im übrigen habe ich regionale Präferenzen, was die beiden Begriffe bzw. deren Definition, bisher nicht feststellen können.

Allein das ~ismus-Problem bleibt.

C.

Guten Tag,

in der Tat ist es für uns Deutsche noch schwierig grenzüberschreitend zu denken und auch zu handeln.Wir müssen erkennen, dass nationale Politik um den Kapitalverkehr zu regulieren ,völlig nutzlos ist.Dort, wo Beschränkungen sinnvoll und produktiv sind,sollten sie im europäischem Rahmen gelten und beschlossen werden.

Zu den T-Aktionären:
Bestimmt hätten viele der Anleger rechtzeitig den Ausgang finden können und sollen.
Das setzte aber Information und Synergiewissen voraus.Tatsächlich haben/hatten viele dieser neuen Aktionäre keinerlei Erfahrung und auch oft keine adäquate Möglichkeit die richtigen Schlüsse zu ziehen. Und es sei noch einmal wiederholt: Im Zuge der Privatisierung war das Geld dieser Anlege höchst willkommen.Als wirksamer Verstärker wurde natürlich auch die Aussicht auf einen höheren Zugewinn der Jungaktionäre, mit großem medialen Aufwand, beworben.

Eine ganze Generation,die bisher überwiegend dem konservativen Anlagertypus zugeordnet werden kann, ist seit geraumer Zeit in der Lage in bisher ungewohnte Anlageklassen zu investieren.D.h. diese Generation muss nun erste Erfahrungen sammeln,und hat auch den nötigen finanziellen Spielraum.Sie suchen also gezielt nach Anlagemöglichkeit und die Finanzakteure haben das Angebot zu schaffen.Wir dürfen bei all dem ja nicht vergessen,auch in dieser Branche herrscht ein Verteilungskampf um die Kunden.
Staatliche,nationale Interventionen bewirken da wenig, denn findet man inländisch keine Anlage sucht man sie global.Genau das geschah dann auch mit den immer undurchsichtiger werdenden Finanzkonstrukten.

Es zeigt sich,wo und wie auch immer fiskalisch national eingegriffen wird,entweder die Hausaufgaben nicht gemacht werden oder wider besseren Wissens reine Klientelpolitik betrieben wird.

Bartholomäus

Hallo,

erkennen, dass nationale Politik um den Kapitalverkehr zu
regulieren ,völlig nutzlos ist.Dort, wo Beschränkungen
sinnvoll und produktiv sind,sollten sie im europäischem Rahmen
gelten und beschlossen werden.

das wird nicht reichen. Man müßte sich schon weltweit verständigen. Daß das unrealistisch ist, weiß ich.

Bestimmt hätten viele der Anleger rechtzeitig den Ausgang
finden können und sollen.
Das setzte aber Information und Synergiewissen
voraus.Tatsächlich haben/hatten viele dieser neuen Aktionäre
keinerlei Erfahrung und auch oft keine adäquate Möglichkeit
die richtigen Schlüsse zu ziehen.

Wer bei einer Versechsfachung des Kurses nicht aussteigt, braucht weder Informationen noch Erfahrung, sondern ein neues Gierzentrum für sein Gehirn.

Darüber hinaus möchte ich das Schicksal der T-Aktionäre hier und jetzt nicht weiter diskutieren. Finanz- & Wirtschaftspolitik ist das Thema im allgemeinen, notwendige Änderungen im Finanzsektor im speziellen.

Gruß
C.

Ich stimme exc (/t/kapitalismus–5/5624528/4

Nur in einem Punkt stimme ich nicht zu: Das die Ursache sei, dass zu viel Liquidität bereitgestellt wurde. Das ist für mich ein Symptom. Als Ursache sehe ich vielmehr folgendes an:

Wenn es Liquidität gibt, die zu einem Zins x keine langfristigen Kreditnehmer findet und diejenigen, die über die Liquidität verfügen auch keine Direktinvestitionen für rentabel halten, diese Liquidität also erhalten bleibt bzw. sogar wächst, dann muss das meiner Meinung nach an einem zu hohen Zins liegen.

Das erscheint paradox, weil doch das Zinsniveau so niedrig ist. Nun, zum einen gilt das für den Anlagezins, nicht aber für den Kreditzins, denn dort ist noch eine Risikoprämie enthalten, die auch schon vor 2 Jahren für die einzelnen Kreditnehmer recht hoch war (wenn auch gesamtwirtschaftlich noch zu niedrig). Zum anderen ist der Anlagezins zwar nur recht knapp über 0%, aber wer sagt eigentlich, dass 0% eine natürlich Untergrenze wäre?

Wenn ich Leistung über die Zeit transportieren will, also als Anleger heute (oder früher) geleistet habe aber erst in der Zukunft konsumieren möchte, bzw. andersherum als Kreditnehmer heute konsumieren (oder investieren) möchte, aber erst in Zukunft dafür leisten kann, dann ist das i.d.R. nur möglich, wenn beide Richtungen gerade paarig sind. Denn Leistungen selbst lassen sich nur schwierig über die Zeit transportieren (Produkte vergammeln, verrotten, veralten, bzw. bei Dienstleistungen geht’s gar nicht) und wenn, dann nur in die Zukunft und nicht andersherum.

Wenn aber selbst zum Zins von 1% nicht genügend Kreditnehmer da sind, die Kredit wollen und diesen zzlg. Bankmarge und Risikoprämie, also vielleicht 12% dafür zahlen können, dann muss Liquidität übrig bleiben ODER der Zins müsste fallen. Aber wenn gerade fast keine Preisinflation vorhanden ist und somit Bargeld mit ca. 0% real „verzinst“ ist, warum sollte man dann die Chance auf bessere Zeiten aufgeben und sein Geld für 0% verliehen?

Dass Bargeld mit nominal 0% verzinst ist und in Abschwungzeiten üblicherweise kaum Preisinflation vorhanden ist bzw. sogar Preisdeflation, wirkt also praktisch wie ein Mindestpreis im Kreditmarkt:

http://michael.hoennig.de/dokumente/negativer-Gleich…

Zu im Diagramm genannten negativen Gleichgewichtszins (equlibirium interest rate) wäre der Markt geräumt, die Paare Kreditangebot und Kreditnachfrage wären ausgeglichen. Doch da der Zins positiv durch die Zentralbankgesetzgebung positiv gehalten wird, liegt der tatsächliche Zins höher (im Falle der FED und des US$ ist es etwas komplexer, und kommt auf einen negative Realzins hinaus, der aber dennoch oberhalb des noch tieferen Gleichgewichtszinses liegt). Und da zudem zu jeder Geldforderung schon eine Geldverbindlichkeit gehört, liegt die Kreditangebotsmenge oberhalb der zum (verzerrten) Marktzins vorhandenen Kreditnachfragemenge.

Achtung: Nachfrage beinhaltet Bedarf UND Zahlungsfähigkeit. Und genau an letzterer fehlt es dann logischerweise: Die Lücke ist das Sub-Prime Potential, also Kredite mit außergewöhnlich hohem Risiko - Risiken die auch von den Risikoprämien gar nicht mehr gedeckt sind.

Wieviel von dem Potential genutzt wird, hat nun aber auch wieder etwas mit der Geldpolitik zu tun. Die Frage ist nur, wozu eine stringentere Geldpolitik geführt hätte: Nämlich AUCH zu einer weiter fallenden Kreditnachfrage. D.h. der Gleichgewichtszins wäre noch tiefer abgesunken!

Natürlich war es irgendwie naiv, massenweise Sub-Prime Kredite zu vergeben. Andererseits war das eben nur eine Folge eines Angebotsüberhangs durch einen (wenn auch in einem Substitutionsgut versteckten) Mindestpreis. D.h. das oft so genannte „billige Geld“ war erstens genaugenommen immer noch zu teuer (sonst hätten ja die Kredite bedient werden können) und zweitens war „massenweise billiges Geld“ nicht Ursache, sondern Folge eines tieferen strukturellen Fehlers.

Wenn alle großen Zentralbanken RECHTZEITIG wenigstens einen negativen Einlagesatz (http://de.wikipedia.org/wiki/Einlagefazilit%C3%A4t) festgelegt hätten - wie es die Schwedische Nationalbank getan hat (!) - wäre die Blase vielleicht nie so groß geworden. Aber die untere Grenze für den Einlagesatz ist das Risiko von Bargeldhaltung, denn dann wären die Anleger einfach auf Bargeld (in Safes) umgeschwenkt.

Wer nicht glauben kann, dass Gleichgewichtszinsen (also die Zinssätze, die markträumend wären) negativ sein können, möge auch dieses Artikel lesen:

Paul Krugman (Wirtschaftsnobelpreisträger 2008) geht von einem derzeit negativen Gleichgewichtszins aus: http://bit.ly/17D8nq

Greg Mankiw (Harward-Professor) empfiehlt einen negativen Zins auf Geldbasis: http://bit.ly/5joER

Prof. Dr. Ulrich van Suntum ebenfalls: http://bit.ly/OSkTT

Prof. Dr. Willem Buiter (London School of Economics und ab Januar Chefvolkswirt der City-Group) hat auch interessante Gedanken zu dem Thema: http://bit.ly/YyJqq

Wenn wir weiterhin versuchen, Erscheinungen zu behandeln, die wir für die Ursachen halten, die aber nur Symptome sind, kommen wir vermutlich wirklich irgendwann zum Schluss, der Kapitalismus hätte nicht funktioniert. Tatsächlich haben wir aber mit unseren Therapien mehr und mehr Planwirtschaft eingeführt, ohne es zu merken. Und dass die funktioniert, glaube ich zumindest nicht.