Ich stimme exc (/t/kapitalismus–5/5624528/4
Nur in einem Punkt stimme ich nicht zu: Das die Ursache sei, dass zu viel Liquidität bereitgestellt wurde. Das ist für mich ein Symptom. Als Ursache sehe ich vielmehr folgendes an:
Wenn es Liquidität gibt, die zu einem Zins x keine langfristigen Kreditnehmer findet und diejenigen, die über die Liquidität verfügen auch keine Direktinvestitionen für rentabel halten, diese Liquidität also erhalten bleibt bzw. sogar wächst, dann muss das meiner Meinung nach an einem zu hohen Zins liegen.
Das erscheint paradox, weil doch das Zinsniveau so niedrig ist. Nun, zum einen gilt das für den Anlagezins, nicht aber für den Kreditzins, denn dort ist noch eine Risikoprämie enthalten, die auch schon vor 2 Jahren für die einzelnen Kreditnehmer recht hoch war (wenn auch gesamtwirtschaftlich noch zu niedrig). Zum anderen ist der Anlagezins zwar nur recht knapp über 0%, aber wer sagt eigentlich, dass 0% eine natürlich Untergrenze wäre?
Wenn ich Leistung über die Zeit transportieren will, also als Anleger heute (oder früher) geleistet habe aber erst in der Zukunft konsumieren möchte, bzw. andersherum als Kreditnehmer heute konsumieren (oder investieren) möchte, aber erst in Zukunft dafür leisten kann, dann ist das i.d.R. nur möglich, wenn beide Richtungen gerade paarig sind. Denn Leistungen selbst lassen sich nur schwierig über die Zeit transportieren (Produkte vergammeln, verrotten, veralten, bzw. bei Dienstleistungen geht’s gar nicht) und wenn, dann nur in die Zukunft und nicht andersherum.
Wenn aber selbst zum Zins von 1% nicht genügend Kreditnehmer da sind, die Kredit wollen und diesen zzlg. Bankmarge und Risikoprämie, also vielleicht 12% dafür zahlen können, dann muss Liquidität übrig bleiben ODER der Zins müsste fallen. Aber wenn gerade fast keine Preisinflation vorhanden ist und somit Bargeld mit ca. 0% real „verzinst“ ist, warum sollte man dann die Chance auf bessere Zeiten aufgeben und sein Geld für 0% verliehen?
Dass Bargeld mit nominal 0% verzinst ist und in Abschwungzeiten üblicherweise kaum Preisinflation vorhanden ist bzw. sogar Preisdeflation, wirkt also praktisch wie ein Mindestpreis im Kreditmarkt:
http://michael.hoennig.de/dokumente/negativer-Gleich…
Zu im Diagramm genannten negativen Gleichgewichtszins (equlibirium interest rate) wäre der Markt geräumt, die Paare Kreditangebot und Kreditnachfrage wären ausgeglichen. Doch da der Zins positiv durch die Zentralbankgesetzgebung positiv gehalten wird, liegt der tatsächliche Zins höher (im Falle der FED und des US$ ist es etwas komplexer, und kommt auf einen negative Realzins hinaus, der aber dennoch oberhalb des noch tieferen Gleichgewichtszinses liegt). Und da zudem zu jeder Geldforderung schon eine Geldverbindlichkeit gehört, liegt die Kreditangebotsmenge oberhalb der zum (verzerrten) Marktzins vorhandenen Kreditnachfragemenge.
Achtung: Nachfrage beinhaltet Bedarf UND Zahlungsfähigkeit. Und genau an letzterer fehlt es dann logischerweise: Die Lücke ist das Sub-Prime Potential, also Kredite mit außergewöhnlich hohem Risiko - Risiken die auch von den Risikoprämien gar nicht mehr gedeckt sind.
Wieviel von dem Potential genutzt wird, hat nun aber auch wieder etwas mit der Geldpolitik zu tun. Die Frage ist nur, wozu eine stringentere Geldpolitik geführt hätte: Nämlich AUCH zu einer weiter fallenden Kreditnachfrage. D.h. der Gleichgewichtszins wäre noch tiefer abgesunken!
Natürlich war es irgendwie naiv, massenweise Sub-Prime Kredite zu vergeben. Andererseits war das eben nur eine Folge eines Angebotsüberhangs durch einen (wenn auch in einem Substitutionsgut versteckten) Mindestpreis. D.h. das oft so genannte „billige Geld“ war erstens genaugenommen immer noch zu teuer (sonst hätten ja die Kredite bedient werden können) und zweitens war „massenweise billiges Geld“ nicht Ursache, sondern Folge eines tieferen strukturellen Fehlers.
Wenn alle großen Zentralbanken RECHTZEITIG wenigstens einen negativen Einlagesatz (http://de.wikipedia.org/wiki/Einlagefazilit%C3%A4t) festgelegt hätten - wie es die Schwedische Nationalbank getan hat (!) - wäre die Blase vielleicht nie so groß geworden. Aber die untere Grenze für den Einlagesatz ist das Risiko von Bargeldhaltung, denn dann wären die Anleger einfach auf Bargeld (in Safes) umgeschwenkt.
Wer nicht glauben kann, dass Gleichgewichtszinsen (also die Zinssätze, die markträumend wären) negativ sein können, möge auch dieses Artikel lesen:
Paul Krugman (Wirtschaftsnobelpreisträger 2008) geht von einem derzeit negativen Gleichgewichtszins aus: http://bit.ly/17D8nq
Greg Mankiw (Harward-Professor) empfiehlt einen negativen Zins auf Geldbasis: http://bit.ly/5joER
Prof. Dr. Ulrich van Suntum ebenfalls: http://bit.ly/OSkTT
Prof. Dr. Willem Buiter (London School of Economics und ab Januar Chefvolkswirt der City-Group) hat auch interessante Gedanken zu dem Thema: http://bit.ly/YyJqq
Wenn wir weiterhin versuchen, Erscheinungen zu behandeln, die wir für die Ursachen halten, die aber nur Symptome sind, kommen wir vermutlich wirklich irgendwann zum Schluss, der Kapitalismus hätte nicht funktioniert. Tatsächlich haben wir aber mit unseren Therapien mehr und mehr Planwirtschaft eingeführt, ohne es zu merken. Und dass die funktioniert, glaube ich zumindest nicht.