Kasteiung

Hallo alle,

Also ich sitze gerade in einem Café in Portugal und hatte jetzt eine Diskussion mit einem Freund. Die Diskussion ging um (selbst)Kasteiung, und er sagte das das unter Katholischen vor allem in Süd-Amerika sehr gewöhnlich ist (selbst peitschen und sich an Kruzifix nageln). Ich selbst weiß nicht viel darüber war mir aber ziemlich sicher das der Vatikan das nicht mit guten Augen sieht und sich das bestimmt um eine bestimmte Extremisten-Sekte handelt.

Also hätte ich jetzt mal gerne weitere Meinungen darüber und wo man eventuell darüber lesen kann. Da würde mir vor allem die Meinung des Vatikan über (selbst)Kasteiung interessieren.

Vielen Dank schon mal an alle und liebe Grüße aus Portugal,
Pedro.

Hallo,

Meinst du Südspanien? Und ev. Opus Dei? Das ist mir spontan dazu eingefallen. Viel mehr als den verlinkten Wikipedia-Artikel weiß ich über Opus Dei, das Thema Kasteiung und zeitgenössische Orden aber dann leider auch nicht.

hoffe trotzdem geholfen zu haben
fliegerbaer

Hallo Pedro,

wäre es eventuell möglich, dass Dein Bekannter die Philippinen mit Südamerika verwechselt hat? Dort sind nämlich in der Tat blutige Selbstgeißelungen üblich:

http://www.spiegel.de/fotostrecke/fotostrecke-30018…

Die katholische Kirche findet diesen im Volk verbreiteten Brauch tatsächlich nicht ganz so toll:

http://gloria.tv/?media=149107

Unblutige Grüße

=^…^=

Hallo Katze,

urrgs, das hatte ich ganz vergessen. Das geht ja vor allem zu Ostern oft genug durch die Presse. Danke für diesen Beitrag, auch wenns eigentlich - wie eingangs erwähnt - urrgs ist.

Grüße
fliegerbaer

Hi =^…^=

danke für diesen Link

http://gloria.tv/?media=149107

Kurios ist der Ausdruck: „mangelnde religiöse Bildung“. Die muß man vice versa dem dort agierenden christlichen Klerus vor die Nase halten. Diese blutigen Selbstkasteiungsrituale sind halt nur die christliche Adaption von unzähligen extremen Trancetechniken der indopazifischen Inseln (nicht nur die Philippinen), die um Jahrhunderte älter sind als die oktroyierende christliche Mission. Sie haben nur die Formen und Techniken variiert.

Auch die Unterstellung „zweifelhafter theologischer und sozialer Bedeutung“, nur weil die Akteure nur selten „zur Messe gingen“, spricht für die unglaubliche religionssoziologischer Ignoranz solcher Kommentatoren.

Gruß
Metapher

Hallo Metapher,

mir will scheinen, dass Selbstgeißelung recht weit verbreitet ist bzw. war und nicht nur vom Christentum, sondern auch von anderen Religionen aufgenommen und neu interpretiert wurde.

Recht bekannt sind auch die Selbstgeißelungen an Aschura, die im schiitischen Islam verbreitet sind, sowie die Flagellanten im europäischen Mittelalter. In dem einen oder anderen antiken Kult ist es, wenn ich mich recht entsinne, auch dazu gekommen.

Beste Grüße

=^…^=

Also ich würde jetzt die Jesuiten oder Opus dei nicht unbedingt als „Sekte“ bezeichnen; andererseits sind die „anerkannten Kirchen und Religionsgemeinschaften“ auch nichts anderes als Sekten, nur, daß sie etwas mehr Mitglieder haben…
Und schließlich stellt das vom Katholizismus eingeforderte „Zölibat“ ebenso eine Form der „Kasteiung“ dar wie das „Fleischverbot“ während der Fastenzeit; und auch der angestrebte „Märtyrertod“ diverser religiöser Selbstmordattentäter ist im Prinzip nichts anderes…

Hallo!

wäre es eventuell möglich, dass Dein Bekannter die Philippinen
mit Südamerika verwechselt hat? Dort sind nämlich in der Tat
blutige Selbstgeißelungen üblich:

Selbstgeißelungen im Rahmen der „Semana Santa“, dieser traditionellen spanischen Variante der Osterwoche, findest du in Süd-, und besonders in Mittelamerika, durchaus auch.
http://www.youtube.com/watch?v=2lJbBWBKB8w

Gruß
Tyll

Hallo KamikazeKatze,

Die katholische Kirche findet diesen im Volk verbreiteten
Brauch tatsächlich nicht ganz so toll:

Naja, der Brauch ist ja schon ziemlich extrem. Aber Selbstgeisselungen wurden sogar vom Chef selbst durchgeführt, wie diese Notiz über Johannes Paul II. zeigt:
„Johannes Paul II. verbrachte die Nacht immer wieder auf dem nackten Boden. Ab und zu geißelte sich der Papst, wie auch seine Mitarbeiter berichteten. „In seinem Schrank hing ein Hosengürtel, den der Papst als Peitsche verwendete“, berichtete Oder.“
http://www.kath.net/detail.php?id=25392
Weiter unten wird dann in einem Kommentar ein Kirchenrechtler Scacchi erwähnt, der so etwas geradezu als Bedingung für eine Selig-(oder Heilig?)Sprechung macht:
Scacchi hatte geschrieben, wenn sich im Leben eines, der nicht als Märtyrer gestorben ist, nichts von Kasteiung finde, so sei der Kanonisationsprozeß aufzugeben (De notis et signis Sanctorum, sect. 5 c. 2).
dazu müssten aber die Experten was sagen…

Bemerkenswert finde ich auch den letzten Kommentar ganz unten:
„Seine Heiligkeit Johannes Paul 2 hat sich auch einen Swimmingpool bauen lassen, den er wahrscheinlich auch im Winter ohne Beheizung benutzt hat. Das ist doch immerhin besser als den ganzen Tag zu jammern, über den schlimmen Zölibat. Der Zölibat ist etwas sehr Schönes.“
Das grenzt für mich an Realsatire…

Viele Grüße
Marvin

Das grenzt für mich an Realsatire…

Die Frage sollte doch aber von wissenschaftlichem Interesse geleitet sein, um zu verstehen, warum die Kasteiung sozusagen eine „Voraussetzung“ ist für einen entsprechenden Glauben, wo die tiefere psychologische Motivation liegt für diese Art von Ritual? Zunächst scheint das aber absolut unverständlich, d. h. wie eine Realsatire, kann aber kaum ein wirkliches Verstehen sein, wie so etwas zustande kommt!

Nehmen wir an, das Ideal einer Glaubensgemeinschaft bestünde daraus, FLIEGEN zu können. Wir sehen am Himmel die tollsten Naturwunder herumfliegen, die wir mit dem Begriff in deutscher Sprache „Vögel“ nennen, wissen aber damit noch lange nicht im Kant’schen Sinne vom „Ding an sich“ und darüber, warum es überhaupt Lebewesen gibt, die fliegen können und wollen. Oder wie es der US-Philosoph Prof. Thomas Nagel thematisiert: „Wie ist es, eine Fledermaus zu sein?“ Von da aus wäre weiter zu fragen: Wie ist es, wenn ich als Mensch FLIEGEN könnte? Dazu gibt es die Fantasien vom fliegenden Super-, Spider-, Batman usw. Es gibt als Fantasie auch Frauen, die durch die Hochhäuser der Städte fliegen…

Man wünscht sich also zunächst ein Ideal und dann macht man Werbung dafür und gewinnt Gläubige, die das Ideal erstreben sollen. Und weil es so aussichtslos erscheint, dieses Ideal jemals wirklich zu erreichen, erfindet man die Idee der „Sünde“, weil man sich gegenüber dem Ideal stets minderwertig fühlt. Nun kann man für seine „Sünden“ Buße tun, sie einer Autorität beichten oder sich selber bestrafen, d. h. mit anderen Worten:

Sich blutig geißeln!!!

CJW

Und schließlich stellt das vom Katholizismus eingeforderte „Zölibat“ ebenso eine Form der „Kasteiung“ dar wie das „Fleischverbot“ während der Fastenzeit;

Das Fleischverbot ist doch keine Kasteiung, sondern eine Umgehung des wirklichen Fastens. Beim Fasten isst man doch eigentlich gar nichts. Das wäre allerdings eine Kasteiung.

Hallo alle!

Vielen Dank für all die Beiträge. Ich werde mir jetzt noch die ganzen Links angucken und das alles nochmal mit meinem Freund besprechen.

Liebe Grüsse aus Portugal,
Pedro.