Guten Tag!
Was dachte man im 17. und 18. Jahrhundert darüber?
Jean-Jacques Rousseau fand deutliche Worte:
„1764 notiert Rousseau im Wörterbuch der Musik zum Stichwort Castrato: ‚In Italien gibt es barbarische Völker, die die Natur dem Profit zum Opfer bringen und ihre Kinder dieser Operation ausliefern - nur zum Vergnügen wollüstiger und grausamer Leute, die sich nicht entblöden, immer wieder nach dem Gesang jener Unglücklichen zu verlangen. Überlassen wir den ehrwürdigen Frauen großer Städte die unterdrückten Lacher, die entwürdigenden Mienen und die charmanten Aufforderungen, deren ewiger Gegenstand sie sind; aber laßt, wo immer es geht, die Stimme der Entrüstung und der Menschlichkeit erschallen, die sich laut erheben möge gegen diesen schändlichen Brauch.‘“
(Joseph Haydn: Leben und Werk, S. 30, Hans-Josef Irmen)
Napoleon ließ diesen Eingriff verbieten:
„Zwei Jahre später, als die Grande Armée in Rußland einmarschierte, fand Napoleon die Zeit, die in Italien gängige Entmannung von Knaben zur Produktion von Kastraten bei Todesstrafe zu verbieten (vgl. Panconcelli-Calzia: 1941, 29).“
(Ästhetik von unten: Empirie und ästhetisches Wissen, Marie Guthmüller, Wolfgang Klein, S. 153)
Goethe schrieb in Faust II, Akt 5:
„Mißtöne hör’ ich, garstiges Geklimper,
Von oben kommt’s mit unwillkommnem Tag;
Es ist das bübisch-mädchenhafte Gestümper,
Wie frömmelnder Geschmack sich’s lieben mag.
Ihr wißt, wie wir in tiefverruchten Stunden
Vernichtung sannen menschlichem Geschlecht;
Das Schändlichste, was wir erfunden,
Ist ihrer Andacht eben recht.“
Nun frage ich mich, ob es noch weitere kritische Stimmen zu diesem entwürdigenden Eingriff gibt, z.B. von Komponisten. Es kann ihnen doch nicht alles gleichgültig gewesen sein.
Gluck ist einer meiner Lieblingskomponisten. Aber auch er ließ den „Orfeo“ von einem Kastraten singen. Gluck war wohl „zu sehr Künstler“. Solche Tatsachsen mindern für mich den Wert des Komponisten (oder verderben mir zumindest den Geschmack).
Fast alle berühmten Komponisten der Barockzeit schrieben Rollen für Kastraten. Haben sie sich dieser „Mode“ ohne Gewissensbisse geneigt?