Guten morgen,
Das Experiment ist in etwa genauso gut verlaufen, wie der
Versuch, Ostdeutschland von 0 auf 100 in den Westen zu
integrieren oder den Afghanen die Demokratie aufzuschwatzen.
Das „Experiment Deutsches Wirtschaftswunder“ ab 1950 hingegen
hat gezeigt, dass man auch mit sehr wenig Rohstoffvorkommen
und einer demographisch auf unnatürliche Weise negativ
beeinflussten Bevölkerungsstruktur einen
gewaltigenwirtschaftlichen Erfolg und schliesslich ein
funktionierendes Sozialsystem bauen kann.
das hat mit der Situation Afrikas heute oder vor 50 Jahren überhaupt nichts zu tun.
In den typischen afrikanischen Ex-Kolonial- und heute
Bürgerkriegsländern war dies seitens großer Teile der
Bevölkerung nicht gewünscht.
Dafür, ich wiederhole mich, können wir nichts.
Die Situation der früheren Kolonialländer war eine völlig andere. Die Leute dort wurden über hunderte Jahre unterdrückt, versklavt und mißhandelt. Die einheimische Kultur und Identität der Menschen wurde ihnen systematisch ausgetrieben, jedes nationale und kulturelle Selbstbewußtsein nahezu flächendeckend ausgemerzt. Die Menschen waren es über hunderte von Jahren gewohnt, daß man ihnen einfache und einfachste Tätigkeiten aufdrückte, die keinerlei Eigeninitiative (die ohnehin nicht gewollt war) verlangten.
Das Staatswesen wurde von ausländischen Machthabern nach ihren Vorstellungen und Bedürfnissen ohne nennenswerte Beteiligung der einheimischen Bevölkerung gestaltet, was auch für die gesamte Verwaltung, die Kirche und – sofern überhaupt vorhanden –für die Schulsysteme, Sicherheitskräfte usw. galt.
Am Ende der Kolonialzeit rückten die Ausländer zum überwiegenden Teil ab und hinterließen Länder, denen sie über hunderte Jahre ihren Willen aufgedrückt hatten und ohne sie nicht funktionierte. Die Bevölkerung war ungebildet, ihrer kulturellen Wurzeln beraubt, völlig unselbständig und auf das Ausführen von einfachen Arbeiten nach genauen Anweisungen getrimmt.
Das ist der Grund dafür, daß in so vielen Ländern Diktaturen entstanden, in denen den Menschen genauso gesagt wurde, was sie zu tun und zu lassen hatten. Im Grundsatz hatte sich nur die Hautfarbe der herrschenden geändert und ggfs. das Ausmaß der Gewalt, das zur Anwendung kam.
Sich über diese Tatsachen Gedanken zu machen, hat nichts mit „Gutmenschentum“ und „Betroffenheitsmoral“ zu tun, sondern gehört zu den Mindestanforderungen an eine vernünftige Analyse der Situation. In praktisch allen anderen Regionen ist die Geschichte/Entwicklung anders verlaufen als bei uns und diese Unterschiede gilt es zu verstehen, wenn man die aktuelle Lage verstehen will und nach Lösungen für Probleme für die betreffende Region sucht bzw. wenn man sich überlegt, ob eine bestimmte Situation überhaupt ein Problem darstellt.
Wenn Menschen über hunderte Jahren ausschließlich als
Arbeitsmittel dienten, entführt, herumkommandiert, mißhandelt
und mißbraucht werden, dann kann man ihnen nicht von heute auf
morgen die Schlüssel hinwerfen und sie alleine lassen.
Das ist auch nicht passiert. Vielmehr wurden Milliarden an
Hilfsgeldern aus aller Welt nach Afrika gepumpt und
Generationen sozialbewegter Jugendlicher aus aller Herren
Länder haben sich dort am Aufbau vernünftiger Strukturen
versucht.
Hat irgendwie nicht geklappt.
Ja, weil das der falsche Lösungsansatz ist. Materielle Zuwendungen alleine sind genauso wenig eine Lösung wie das gut gemeinte Rumgedaddel von engagierten jungen Menschen. Es müssen lang angelegte Aufbauprogramme her wie das vor 60 Jahren in Deutschland der Fall war. Das dumme ist, daß das in Afrika vielfach an den instabilen politischen Verhältnissen bzw. der herrschenden kleptokratischen Klasse scheitert.
Darüber hinaus muß man die Menschen dort vernünftig ausbilden, zur selbständigen Arbeit anleiten und ganz generell Eigeninitiative und Verantwortungsbewußtsein fördern. Das ist aber ein Vorgang, der nicht nach 5 Jahren abgeschlossen ist. Wenn dann zwischendurch für 10 Jahre der nächste Diktator an die Macht kommt, der einen Großteil der Bevölkerung abschlachtet, ist das für die Entwicklung auch nicht wirklich hilfreich.
Hinzu kommen die schwierigen Rahmenbedingungen, d.h. die klimatischen, pedologischen und biologischen Spezialitäten. Wüste, Regenwald und Steppe sind nun einmal für die Landwirtschaft nicht geschaffen, erst recht nicht für flächendeckende, intensive Landwirtschaft. Dazu kommen ganz banale Probleme wie bspw. die Versorgung mit Ersatzteilen für die bereitgestellten westlichen, hochmodernen Landmaschinen, deren Unverträglichkeit bzgl. der klimatischen Verhältnisse usw. Das alles sind Sachen, die man mit Geld und guten Worten nicht kompensieren kann.
Auch heute gibt es unter nicht wenigen jungen Erwachsenen, die
die DDR nie bewußt erlebt haben, noch bestimmte Ansichten,
Erwartungen und Verhaltensweisen, die durch die zwei
Generationen geprägt wurden, die in der DDR gelebt haben. Das
Abschütteln von 150 Jahren Kolonialherrschaft auf einem
weitgehend isolierten Kontinent dauert etwas länger als das
Abschütteln von 40 Jahren an der Grenze zwischen Ost und West.
Die DDR ist 20 Jahre her, die Kolonialzeit mindestens 56.
Die DDR gab ziemlich genau 50 Jahre. Die Kolonialzeit dauerte teilweise 400 Jahre. Hinzu kommt, in diesen 400 Jahren in Europa ein paar Sachen passierten, die in Afrika weitgehend ausfielen: Aufklärung, industrielle Revolution, Entwicklung bzw. Einführung des Schul- und Universitätswesens, die moderne Medizin, Abschaffung der Feudalherrschaft und Demokratisierung usw. usf.
Was stattdessen passiert ist: Korruption, Stammeswirtschaft,
Genozide.
Stammeswirtschaft hat über Jahrtausende funktioniert.
Das ist richtig, alleridngs nicht so, wie man sich das hier
häufig vorstellt. Stämme überfielen sich gegenseitig, raubten
die FRrauen und töteten die Männer.
Also das, was in unserem Mittelalter - und auch davor - Gang und Gäbe war und man in Kriegszeiten, die es ja durchaus häufiger kam, immer wieder gerne praktizierte.
Aber wie bei einem Küchenmesser ist der Hersteller und
Verkäufer nicht oder nur sehr bedingt dafür verantwortlich,
was dann mit seinem Produkt gemacht wird.
Wenn man in Krisengebiete Waffen liefert, ist man für das, was dann passiert, sehr wohl verantwortlich. Ich habe auch noch nicht davon gehört, daß man mit einem Küchenmesser auf 100 Meter Entfernung 100 Menschen pro Stunde töten könnte. Auch wenn man es immer wieder liest: das Küchenmesserargument war noch nie ein gutes.
Wer denkt, die 1. Welt sei schuld und müsse nun helfen, räumt
automatisch ein, dass die Afrikaner zu blöde sind, das Problem
selbst zu lösen.
Offensichtlich sind die Europäer ja auch zu blöde bzw. schaffen die Gebietsbereinigung auch nur mit Waffengewalt.
3 Generationen dürften ausreichen. Deutschland hat nur zwei
benötigt…
Wovon sprichst Du?
Von der Entnazifizierung und später dann der Ent-DDR-isierung.
Ersteres war in den 70ern vom Tisch, letzteres ist in
spätestens 10 Jahren auch passé.
Also 30 Jahre für 50 Jahre DDR. Bei durchschnittlich 200 Jahren Kolonisierung sollte man also Afrika 120 Jahre einräumen. Eine Schätzung, mit der ich mich durchaus anfreunden kann.
Der Blick über den Tellerrand bundedeutscher
Betroffenheitsmoral schadet in den seltensten Fällen.
Siehe oben. Saubere Analyse hat nichts mit Betroffenheitsmoral zu tun, sondern mit vernünftiger Vorgehensweise. Daß es einfacher ist, simple Schuldzuweisung zu betreiben und seine Hände in Unschuld zu waschen, bestreite ich nicht. Nur wird das dem Problem nicht gerecht. Außerdem geht es nicht um Schuldzuweisung (wie Du die Sache aufzufassen scheinst), sondern um Ursachenforschung zwecks besserer Problemlösung.
Wer das Problem vereinfacht, indem er den Schwarzen Peter nach Afrika schiebt, ignoriert die eigentlichen Ursachen und trägt zur Problemlösung ganz sicher nicht bei.
Gruß
C.