Kategorischer Imperativ -> NPD-Verbot

Hallo,
in meiner letzten Vorlesung ging es um den kategorischen Imperativ bei Kant, der ist ja bestimmt den meisten hier geläufig :smile:
„Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die zugleich wollen kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz werde“

Unser Professor beendete das ganze mit der Frage, in wie Fern man diesen Imperativ denn auf das NPD-Verbot anwenden könnte.
Irgendwie lässt mich die Frage seitdem nicht mehr los. Bei einer ersten Betrachtung kam ich auf das Ergebnis, dass ein NPD-Verbot
nach dem kategorischen Imperatv nicht moralisch richtig ist, da meine Maxime dann vorraussetzen werde, dass Parteienverbote legitimiert werden.
Andererseits sind Parteienverbote gegen verfassungsfeindliche Parteien ja de facto legitim…
Und wenn ich meine Maxime so formuliere: Immer, wenn eine Partei verfassungsfeindlich ist, verbiete ich Sie. könnte ja so theoretisch allgemeines Gesetz werden, oder was spricht hierbei dagegen?
Wie könnte man das ganze denn noch weiter ausbauen?

Was wären denn überhaupt mögliche Maximen mit folgenden allgemeinen Gesetzen?

Hi.

„Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die zugleich wollen
kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz werde“
Unser Professor beendete das ganze mit der Frage, in wie Fern
man diesen Imperativ denn auf das NPD-Verbot anwenden könnte.

Die NPD verbieten ist kein moralischer, sondern ein rechtlicher Akt. Ihr Vorsitzender (seit 2011) H. Apfel selbst bezeichnte seine Partei öffentlich als „verfassungsfeindlich“. Warum sie nicht oder noch nicht verboten wird, ist ein spezielles und unphilosophisches Thema.

Bei einer ersten Betrachtung kam ich auf das Ergebnis, dass ein
NPD-Verbot
nach dem kategorischen Imperatv nicht moralisch richtig ist,
da meine Maxime dann vorraussetzen werde, dass Parteienverbote
legitimiert werden.

„Legitimiert“ sind nur Verbote verfassungsfeindlicher Parteien, was ohnehin schon der Fall ist. Eine solche Legitimation hat aber mit Moral nichts zu tun, sie ist rein logischer Natur. Grundlage einer demokratischen Gesellschaft ist nun einmal ihre Verfassung. Da wäre es absolut widersinnig, Feinden dieser Verfassung ein legislatives Mitspracherecht (im Parlament) zu gewähren.

Und wenn ich meine Maxime so formuliere: Immer, wenn eine
Partei verfassungsfeindlich ist, verbiete ich sie. Könnte ja
so theoretisch allgemeines Gesetz werden, oder was spricht
hierbei dagegen?

Genau genommen eine Menge. Es geht beim KI um praktische Vernunft: „Was soll ich tun?“ Du kannst als Einzelner aber keine Partei „verbieten“. Das geht nur in der Phantasie. Also kannst du es auch nicht tun. Kants Maxime macht Sinn bei Fragen konkreten Handelns, aber nicht auf der Ebene rein juristischer Reflexionen. Das würde nur zu elfenbeintürmernen Gedankenspielereien führen. Ich kenne z.B. einen Freak, der Frauen am liebsten generell das Schminken verbieten würde. Soll der sich jetzt auf Kant berufen? So geht es also nicht.

Moral und Rechtsdenken sollten strikt getrennt werden. Habermas hat die Grenze von Kants KI übrigens klar aufgezeigt:

Der kategorische Imperativ bedarf einer Umformulierung in dem vorgeschlagenen Sinne: Statt allen anderen eine Maxime von der ich will, dass sie allgemeines Gesetz sei, als gültig vorzuschreiben, muss ich meine Maxime zum Zweck der diskursiven Prüfung ihres Universalitätsanspruchs allen anderen vorlegen. Das Gewicht verschiebt sich von dem, was jeder (einzelne) ohne Widerspruch als allgemeines Gesetz wollen kann, auf das, was alle in Übereinstimmung als universale Norm anerkennen wollen.

(Jürgen Habermas in „Moralbewusstsein und kommunikatives Handeln“, 77)

Chan

Hallo,

der KI, soll kein ewiges in Stein gemeißeltes Gesetzt hervorbringen.
Er soll ein Beispiel in die Welt bringen - Ein Vorbild setzten - für die Gegenwart.

Wenn man jetzt ein Vorbild für das „Recht auf Freiheit“ setzen möchte, dann kann man durchaus gegen ein Verbot der NPD sein.
Man muss halt nur bedenken, das dann, wenn irgendwann mal so eine Partei die Regeln vorgibt, das es dann erheblich schwieriger wird, diesen freiheitlichen Vorbild-Charakter aufrecht zu erhalten. :o)

Deswegen wäre es vielleicht klug, solange gegen ein solches Verbot zu sein - einfach aus dem Grunde, damit solche Verbote nicht auf andere Bereiche ausgedehnt werden - bis man zu der Meinung kommt, sie hätten wirklich irgendeine Chance.
Dann kann man sich immer noch neu orientieren und einen, dann gegenwärtig sinnvolleren KI-Standpunkt einnehmen.

Grüße
K.

Maxime, Freiheit, Reziprozität
Hi Klaus.

der KI, soll kein ewiges in Stein gemeißeltes Gesetz hervorbringen.

Du vermeidest immerhin das Missverständnis, dem MyBlueberryNights hinsichtlich des Kantschen Gesetzesbegriffs unterliegt. MBBN meint offensichtlich, dass es Kant um ein staatliches Gesetz geht. Dem ist nicht so. Kant meint ein sittliches/moralisches Gesetz, also, genaugenommen, eine Regel. Für Kant rivalisieren im Menschen Neigung und Vernunft um die Herrschaft über den Willen. Dieser Wille ist nur dann ein „guter“ Wille, wenn er der Pflicht gemäß handelt, d.h. den Geboten der Vernunft entsprechend. Diese Vernunft zeigt sich darin, dass das Handeln von Grundsätzen bestimmt wird, welche die Menschheit als Ganzes im Auge haben und nicht nur die Interessen des handelnden Subjekts. Der Kategorische Imperativ bestimmt die innere Struktur dieses Handelns. Es muss so ausgerichtet sein, dass es als Maxime widerspruchsfrei für alle Menschen gelten könnte. Ich muss also so handeln, wie ich es in vergleichbaren Situationen auch von anderen Menschen erwarten würde.

Beispiel:

Maxime: Immer wenn ich knapp bei Kasse bin, beschließe ich, dem Nächstbesten auf der Straße sein Geld abzunehmen.

Daraus folgt, dass ich jedem anderen in vergleichbarer Situation das Recht zugestehe, genauso zu handeln.

Daraus aber folgt, dass ggf. ich das Opfer eines solchermaßen handelnden Menschen sein könnte.

Fazit:

Die Maxime taugt nichts. Es muss eine Maxime her, die alle Menschen - auch mich - nicht der Gefahr aussetzt, zu Opfern individueller Interessen zu werden. Es geht also um Reziprozität - die Handlungsmaximen der Menschen sollten in einem symmetrischen Verhältnis zueinander stehen.

Er soll ein Beispiel in die Welt bringen - Ein Vorbild setzten - für die Gegenwart.

Das ist, denke ich, nicht präzise genug, und teilweise auch falsch. Es geht weder um Beispiel noch um Vorbild noch um Gegenwart. Es geht um das durch die Vernunft gesteuerte konkrete Handeln. Dass es Modellcharakter haben könnte, ist ein sekundärer Aspekt. Außerdem soll die Maxime (also die Ausrichtung des Handelns) zeitlos gelten, nicht nur in der „Gegenwart“.

Wenn man jetzt ein Vorbild für das „Recht auf Freiheit“ setzen möchte, dann kann man durchaus gegen ein Verbot der NPD sein. Man muss halt nur bedenken, das dann, wenn irgendwann mal so eine Partei die Regeln vorgibt, das es dann erheblich schwieriger wird, diesen freiheitlichen Vorbild-Charakter aufrecht zu erhalten. :o)

Hier vermischst du wieder, was du eingangs getrennt zu haben schienst: Das Thema „Kategorischer Imperativ“ hat nichts mit staatlicher Gesetzgebung und somit nicht mit einem Parteienverbot zu tun (siehe auch meine Antwort an BBN).

Außerdem ist Freiheit nicht Chaos. Chaos aber entstünde, wenn alles, was im Widerspruch zu (demokratischer) Freiheit steht (z.B. NPD), deshalb nicht verboten würde, weil ein Verbot angeblich ein Verstoß gegen Freiheit wäre. Damit würde sich (demokratische) Freiheit selbst zerstören. Deine Argumentation ist also nicht logisch. Sie beruht auf einem unreflektierten Freiheitsbegriff, der hart an der Grenze zum Willkürbegriff liegt.

Chan

Hallo,

MBBN meint offensichtlich, dass es Kant um ein
staatliches Gesetz geht. Dem ist nicht so. Kant meint ein
sittliches/moralisches Gesetz,

Doch, ich denke schon das das Verstanden wurde.
Von der legislativen Seite aus gesehen sollten staatliche Gesetze allerdings optimalerweise sittlich/moralische Gesetzte wiederspiegeln bzw. sie verbindliche umsetzten.
Ich meinte diese Verknüpfung als Fragestellung verstanden zu haben.

Er soll ein Beispiel in die Welt bringen - Ein Vorbild setzten - für die Gegenwart.

Das ist, denke ich, nicht präzise genug, und teilweise auch
falsch. Es geht weder um Beispiel noch um Vorbild noch um
Gegenwart. Es geht um das durch die Vernunft gesteuerte
konkrete Handeln.

OK. Aber wieso kommt die Vernunft zu diesem bestimmten Schluss?
Wieso sollte man denn nach dem KI handeln?
Der, der so handelt ist - wenn er es als einziger tut - sogar im Nachteil. Er bleibt berechenbar und es gibt keinerlei Grund so zu handeln wie er - wenn er nicht als Vorbild dient. Dann wäre die Empfehlung nach dem KI zu handeln auch keine „Vernünftige“.

Außerdem soll die Maxime (also die
Ausrichtung des Handelns) zeitlos gelten, nicht nur in der
„Gegenwart“.

Die Annahme, es gäbe so etwas wie eine zeitlose Gültigkeit sehe ich in allen Bereichen als einen romantischen Irrtum.

Hier vermischst du wieder, was du eingangs getrennt zu haben
schienst: Das Thema „Kategorischer Imperativ“ hat nichts mit
staatlicher Gesetzgebung und somit nicht mit einem
Parteienverbot zu tun

Aber wie gesagt, der KI kann als Motivation zu solch einem Gesetz, das diese Dinge regelt, verstanden werden.

Außerdem ist Freiheit nicht Chaos.

Der Freiheitsbegriff bleibt problematisch … :o)

Grüße
K.