Katholiken im Dialog

Hallo Foris,
in letzter Zeit kann man in den Zeitungen erfahren, dass es in Deutschland eine Religionsgemeinschaft gibt, deren wichtige Mitglieder sich gerade entschlossen haben, endlich wieder miteinander zu reden.
Was haben sie denn vorher gemacht?

Und jetzt zur Frage:

Die katholischen Bischöfe werden ja nicht müde, Demokratie für die Kirche abzulehnen mit dem Argument, über die Wahrheit könne man nicht abstimmen. Kann man über sie dann einen Dialog führen? Ist es bei der Wahrheit immer so, dass einer sie hat und einer sie akzeptiert oder nicht? Ist das Dialog? Was ist mit der Wahrheit, die sich erst im Dialog heraustellt (quasi im herrschaftsfreien Diskurs, wie es die Frankfurter Schule fordert)? Passt so etwas zur katholischen Kirchenlehre?

Hallo,

das einzige was ich mich frage ist, wie Pädophilie in die katholische Kirchenlehre passt. Das wäre mal einen Dialog wert.

Gruss
pue

Hallo Pue,

das einzige was ich mich frage ist, wie Pädophilie in die
katholische Kirchenlehre passt.

Schon lange bevor die jüngsten Skandale aufgedeckt wurden war das Problem der klerikalen Obrigkeit bestens bekannt.

(Oton 27.03.05 Tageschau.de)
Für Diskussionen in Rom sorgt auch der Meditationstext der Kreuzwegprozession, den der deutsche Kardinal Joseph Ratzinger geschrieben hat. In ungewöhnlichen harten Worten kritisierte er darin den Zustand der Kirche und Fehlverhalten von Gläubigen und Priestern. Unter anderem heißt es in einem der Gebetstexte: „Das verschmutzte Gewand und Gesicht deiner Kirche erschüttert uns, …wir selber sind es doch, die sie verschmutzen“.
In italienischen Zeitungen wird dies als offener Angriff des Kurienkardinals auf Priester interpretiert, die in den vergangenen Jahren den Ruf der Kirche beschädigt haben - zum Beispiel durch Skandale um sexuellen Missbrauch von Kindern.

Grüße
Markus

Antworten des Inhalts, die falsche Frage gestellt zu haben, hatte ich eigentlich nicht ausllösen wollen. Es ist für mich logisch, dass kriminelles Verhalten nicht zur christlichen Lehre passt.

Mir ging es um die mögliche Diskrepanz zwischen der Rolle der Bischöfe im Kirchenrecht und ihrer Postition als Dialogpartner.

3 Like

Grüß Dich Bernd,

ich versuche einmal darzulegen, wie die katholische Kirche zumindest z.T. in ihren Entscheidungsprozessen tickt.
Beispiel Ökumene bei der Feier des Abendmahls. Hier wird Deine Frage vielleicht ganz gut wiedergegeben.

Katholiken Glauben an die Realpräsenz Gottes beim Abendmahl. Gewandeltes Brot und gewandelter Wein sind dann Gott im katholischen Glauben - und sollten auch so bei der Mahlfeier so behandelt werden. So wird zb auch eine heruntergefallene Hostie auch nicht mehr verspeist, sondern aufgehoben und nach dem Gottesdienst der Erde zugeführt.

Nun gibt es aber berechtigterweise die Forderung nach Ökumene - die Annäherung zwischen protestantischer und katholischer Kirche.
Das Problem bei der Mahlfeier ist, dass bei Protestanten die Mahlfeier einen ganz anderen Stellenwert besitzt, das Lesen der hl. Schrift ist Höhepunkt der Messe und die Realpräsenz wird anders aufgefasst. Die Hostie ist zu gleichen Teilen Brot und Gott. Die Katholiken meinen hier, dass nur noch die Gestalt der Brotes vorhanden ist, nicht aber das Brot selbst.

Um der besonderen Bedeutung Gottes im Abendmahl gerecht zu werden werden Protestanten deshalb explizit vom Abendmahl ausgeschlossen.
Nach „normaler“ gesellschaftlicher Auffassung richtet sich diese Entscheidung gegen die Protestanten, es geht hier aber primär um die Stellung Gottes. Da haben die Protestanten dann das Nachsehen.

So… und damit komme ich jetzt auf Deine Frage zurück:

Die katholischen Bischöfe werden ja nicht müde, Demokratie für
die Kirche abzulehnen mit dem Argument, über die Wahrheit
könne man nicht abstimmen. Kann man über sie dann einen Dialog
führen? Ist es bei der Wahrheit immer so, dass einer sie hat
und einer sie akzeptiert oder nicht? Ist das Dialog? Was ist
mit der Wahrheit, die sich erst im Dialog heraustellt (quasi
im herrschaftsfreien Diskurs, wie es die Frankfurter Schule
fordert)? Passt so etwas zur katholischen Kirchenlehre?

Wie willst Du eine die ökumenische Mahlfeier z.B. auf einer Tagung denn dann diskutieren? Wie nähert man sich an? Worauf kommt es bei der Mahlfeier an?

Das sind Fragen, die nicht einfach per Abstimmung beschlossen werden sollten - sondern es wird, wie du sagst ein DIALOG geführt. Und dieser dauert. Das Beispiel kannst Du jetzt auf verschiedene Themenbereich übertragen.

PS:
Noch eine Anmerkung zum Thema Pädophilie, das hier (mal wieder) aufkam. Die Missbrauchsfälle (um das Thema mal so einzugrenzen) sind ein generelles gesellschaftliches Problem und keines, das speziell die Kirche betrifft, auch wenn das häufig in den Medien so rüberkommt.
Das macht mich ehrlich gesagt echt wütend. Aber das Phänomen taucht ja wirklich überall auf. Z.B. Dioxin-Skandal (der eigentlich keiner war, der zugelassene Grenzwert für Fisch liegt 70 mal höher als beim Ei und die Leute futtern munter weiter) oder beim E10-Skandal und Motorschaden-Mythos (die Schweden fahren mit E85, d.h. 85% Ethanolanteil).

Nach Fukushima kaufen die Leute Geigerzähler… aber das ist ja nicht das Thema. Ich hoffe ich konnte Dir ein wenig Klarheit im Bezug auf Kirche + Dialog + Demokratie verschaffen.

Hallo Holowachuk,

erstmal vielen Dank, endlich mal jemand, der ein Experten- von einem Laberforum unterscheiden kann.

Die Sache mit der Realpräsenz sehe ich ähnlich, und es ist dann ja klar, dass man über solche Themen in der Kirche keine Abstimmungen durchführen kann. Man stimmt ja auch im Vegetarierverein nicht darüber ab, ob man auf Fleischkonsum umstellen will.

Das kirchliche Selbstverständnis geht aber noch weiter. Benedikt XVI erklärt das so, dass der „Zwölferkreis“ (also die Apostel) in der Kirche quasi weiter existiert, in Gestalt der Nachfolger, der Bischöfe. Schwierig finde ich nur, mir vorzustellen, dass diese Apostelnachfolger dann in einen Dialog mit den anderen Kirchenmitgliedern (Laiengremien und so) eintreten sollen, wenn sie doch eigentlich allein das Sagen haben.

tja… aber dir stellt sich ja auch ein anderes problem:
die katholische kirche ist die größte kirche auf dem erdenkreis und nach meiner erfahrung ist es schon immer einfacher gewesen eine bestehende institution zu informieren, anstatt eine neue zu gründen.
das sieht man ganz gut an neuen parteien, die jetzt „alles besser“ machen wollen. die dümpeln alle bei 0,03 prozent :wink:.
dann doch lieber zb in die cdu eintreten und den laden von innen beeinflussen, soweit es geht. das nur so als beispiel.

deshalb wirst du mit einem dialog mehr erfolg haben, der kirchenintern geführt wird, d.h. also als studierter theologe.

nach meiner erfahrung ist es schon immer
einfacher gewesen eine bestehende institution zu informieren,
anstatt eine neue zu gründen.

Wenn man es aber nicht bei der Information belassen, sondern eine echte Reformation erreichen möchte, tut man sich in der katholischen Kirche schwer. Wer nicht weit genug oben in der Hierarchie steht, kann noch so gute Argumente haben, er wird nichts erreichen - siehe Jan Hus und Martin Luther. Heute ist die Bibel und Gottesdienste in der Landessprache auch in der kath. Kirche selbstverständlich, aber alleine dafür hat sie fast ein halbes Jahrtausend gebraucht.

das sieht man ganz gut an neuen parteien, die jetzt „alles
besser“ machen wollen. die dümpeln alle bei 0,03 prozent :wink:.

Die Grünen waren auch mal eine „neue Partei“ - die Älteren unter uns werden sich daran erinnern. Heute stellen sie den ersten Ministerpräsidenten. Weltweit mag die kath. Kirche zahlenmäßig die größte sein, aber suchen Sie mal in Griechenland, England oder Finnland eine römisch-katholische Kirche… :wink:. Da „dümpelt“ eher die „alte“ Kirche bei 0,3%.

dann doch lieber zb in die cdu eintreten und den laden von
innen beeinflussen, soweit es geht. das nur so als beispiel.

deshalb wirst du mit einem dialog mehr erfolg haben, der
kirchenintern geführt wird, d.h. also als studierter theologe.

Wenn sie schon so ein Beispiel bringen, dann bleiben Sie bitte konsequent im Bild: Wenn in der kath. Kirche nur die Theologen etwas zu sagen haben, dann wären es in der CDU nur die Politikwissenschaftler und nicht jedes normale Mitglied. Der Eintritt wäre also für die meisten völlig fruchtlos. Davon abgesehen haben in der kath. Kirche nicht „die Theologen“ das Sagen, sondern nur die oberen hierarchischen Ränge. Nicht der normale Pfarrer und gleich zweimal nicht der Pastoralreferent, der auch Theologe ist.

Gruß, Martinus

1 Like

Hallo,

Noch eine Anmerkung zum Thema Pädophilie, das hier (mal wieder)
aufkam. Die Missbrauchsfälle (um das Thema mal so einzugrenzen) sind
ein generelles gesellschaftliches Problem und keines, das speziell
die Kirche betrifft, auch wenn das häufig in den Medien so
rüberkommt.

da Du Dich schon auf dieses schmale Brett begibst, reden wir doch mal Tacheles. Zu Deinen Gunsten möchte ich einmal annehmen, dass Du lediglich falsch informiert bist, also z.B. der Aussage von Dr. Bernd Ottermann, Ärztlicher Direktor des Kriminal-Forensischen Instituts am Bezirkskrankenhaus in Straubing, Glauben schenkst, dass pädophiler Kindesmissbrauch in der Berufsgruppe katholischer Priester im Vergleich zur Bevölkerung unterrepräsentiert sei.

Leider verschweigt Dr. Ottermann, aufgrund welcher statistischer Erhebungen er zu dieser kühnen Behauptung kommt. Die polizeiliche Kriminalstatistik (aktuellster Stand 2005) weist unter dem Schlüssel 1310 (sexueller Missbrauch von Kindern, § 176, 176a, 176b StGB) für das Jahr 2005 13.962 erfasste Fälle aus, mit insgesamt 9.805 Tatverdächtigen. Beschränken wir uns auf die Tatverdächtigen älter als 21 Jahre (72,1 % - die zweitgrößte Altersgruppe mit 15,3% sind 14-18jährige), kommen wir auf 7.070 Personen. Geschlechtszugehörigkeit der Tatverdächtigen (96,4 % Männer) müssen wir hier außer Betracht lassen, da die nicht nach Altersgruppen aufgeschlüsselt ist. Die 7070 Tatverdächtigen sind also eine Obergrenze; die tatsächliche Zahl männlicher Tatverdächtiger dürfte leicht darunter liegen.

Das statistische Bundesamt gibt für 2005 eine männliche Bevölkerung von 40.340.000 (einschließlich Ausländern) an, davon sind 20% unter 20 Jahre alt - mithin können wir ausrechen, welcher Prozentsatz von 32.272.000 erwachsenen, in Deutschland lebenden Männern 2005 Tatverdächtiger in Fällen sexuellen Missbrauchs von Kindern war: 0,022 %.

Die Personalstatistik (Nachweisungen) der Deutschen Bischofskonferenz weisen für das Jahr 2005 in Deutschland einen Personalbestand von insgesamt 16.190 Priestern (Welt- und Ordenspriester) aus. Bei Ansatz derselben Quote wie bei der erwachsenen männlichen Gesamtbevölkerung (also 0,022%) wäre zu erwarten, dass unter den 7070 Tatverdächtigen des Jahres 2005 maximal 4 Priester waren. Wenn man mal davon ausgeht, dass Priester als Berufsgruppe kein ethisch höherstehendes Verhalten erwarten lassen als Männer anderer Berufsgruppen - also Metzger, Gebrauchtwagenhändler, Immobilienmakler usw. usf. …

Die Quote von 0,22% der erwachsenen männlichen Gesamtbevölkerung dürfte sich seit 2005 kaum merklich verändert haben - anders als die Anzahl von Priestern, gegen die wegen Verdacht auf einschlägige Straftaten ermittelt wird. Von den bereits verjährten, aber erst nachträglich öffentlich gemachten Fällen (in denen Staatsanwaltschaft und Polizei gar nicht erst ermitteln) ganz zu schweigen. Soviel zum „unterrepräsentiert“.

Was das hier angeht:

sind ein generelles gesellschaftliches Problem und keines, das
speziell die Kirche betrifft,

möchte ich Deinem Verständnis auch noch in anderer Hinsicht etwas auf die Sprünge helfen. Natürlich ist sexueller Kindesmissbrauch ein „generelles gesellschaftliches Problem“. Aber ein Arbeitgeber, der seine Beschäftigten in solchen Fällen durch Verletzung der Anzeigepflicht und gezielte Vertuschung vor staatlicher Strafverfolgung schützt und damit weiteren Straftaten sogar Vorschub leistet - das ist kein

generelles gesellschaftliches Problem.

Das betrifft

speziell die Kirche

und genau das ist auch der Grund für die völlig berechtigte Kritik speziell an ihr, wenn es um sexuellen Kindesmissbrauch geht. Nicht, dass einzelne ihrer Funktionsträger straffällig werden, sondern dass die Kirche vielmehr nach Kräften und immer wieder versucht hat, solche Fälle zu vertuschen - sie ausschließlich geheim und intern nach der Instruktion crimen sollicitationis zu behandeln und der staatlichen Strafverfolgung (und damit der öffentlichen Aufmerksamkeit) zu entziehen.

Damit hat sich die Kirche über weltliches Recht gestellt und der Strafvereitelung und Justizbehinderung schuldig gemacht. Nur aufgrund öffentlichen Drucks gibt sie diese Praxis nun (hoffentlich) allmählich auf - und genau deswegen ist dieser öffentliche Druck nicht nur gerechtfertigt, sondern notwendig. Auch wenn Dich und Andere dieser Druck

ehrlich gesagt echt wütend

macht. Vermutlich, weil sie gar nicht verstehen, worum es dabei geht. Es gibt wahrlich angemessenere Dinge, über die man wütend sein kann. Und nur wenige Dinge, über die ein Dialog zwischen Laien und Priesterschaft in der katholischen Kirche in größerem Ausmaß notwendig war und ist.

Freundliche Grüße,
Ralf

5 Like

Die Sache mit der Realpräsenz sehe ich ähnlich,

Die tatsächliche Gegenwart Christ im Abendmahl wird von den Lutheraner ebenso angenommen wie von den Katholiken, auch wenn man sich da nicht auf eine exakte Art und Weise der Realpräsenz festlegt sondern allgemein von „in mit und unter Brot und Wein“ spricht. Auch die Tatsache, daß diese Gegenwart Gottes an die aktuelle Feier gebunden ist (eine konsekrierte Hostie nach dem Gottesdienst wieder zur normalen Teigscheibe wird) ist eher ein Randproblem. Lutheraner halten sowohl mit Reformierten (keine Annahme der Realpräsenz) als auch Altkatholiken (dauerhafte Wandlung) Abendmahlsgemeinschaft. Es geht, wenn man will.

Allerdings war und ist der Ausschluß vom Empfang der Eucharistie ein Mittel der Kirchenzucht, also der Strafe z.B. für Gemeindeglieder, die in Scheidung leben und wieder geheiratet haben oder eben für Menschen, die sich von der Kirche abgewandt haben oder ihr immer noch nicht beigetreten sind. Das dürfte schon eher der Grund für den Ausschluß von Protestanten von der Eucharistie sein.

und es ist
dann ja klar, dass man über solche Themen in der Kirche keine
Abstimmungen durchführen kann. Man stimmt ja auch im
Vegetarierverein nicht darüber ab, ob man auf Fleischkonsum
umstellen will.

Warum eigentlich nicht? Können nicht Christen gemeinsam feiern, auch wenn sie zu manchen Punkte unterschiedliche Ansichten haben? Glauben Sie tatsächlich, daß alle, die sonntags in der Messe zur Eucharistie kommen, den gleichen Glauben bezüglich Realpräsenz, Unfehlbarkeit… haben? Im Vegetarierverein kann’s auch Veganer geben, und ob Fisch Fleisch ist, dazu kann man auch geteilter Meinung sein.

Das kirchliche Selbstverständnis geht aber noch weiter.
Benedikt XVI erklärt das so, dass der „Zwölferkreis“ (also die
Apostel) in der Kirche quasi weiter existiert, in Gestalt der
Nachfolger, der Bischöfe.

Warum vom Kreis der 12 jüdischen Männer heute nur noch das Merkmal „Mann“ übrig geblieben ist, ist ein weiteres Rätsel der Kirchengeschichte :wink:.

Gruß, Martinus

1 Like