Hallo,
Noch eine Anmerkung zum Thema Pädophilie, das hier (mal wieder)
aufkam. Die Missbrauchsfälle (um das Thema mal so einzugrenzen) sind
ein generelles gesellschaftliches Problem und keines, das speziell
die Kirche betrifft, auch wenn das häufig in den Medien so
rüberkommt.
da Du Dich schon auf dieses schmale Brett begibst, reden wir doch mal Tacheles. Zu Deinen Gunsten möchte ich einmal annehmen, dass Du lediglich falsch informiert bist, also z.B. der Aussage von Dr. Bernd Ottermann, Ärztlicher Direktor des Kriminal-Forensischen Instituts am Bezirkskrankenhaus in Straubing, Glauben schenkst, dass pädophiler Kindesmissbrauch in der Berufsgruppe katholischer Priester im Vergleich zur Bevölkerung unterrepräsentiert sei.
Leider verschweigt Dr. Ottermann, aufgrund welcher statistischer Erhebungen er zu dieser kühnen Behauptung kommt. Die polizeiliche Kriminalstatistik (aktuellster Stand 2005) weist unter dem Schlüssel 1310 (sexueller Missbrauch von Kindern, § 176, 176a, 176b StGB) für das Jahr 2005 13.962 erfasste Fälle aus, mit insgesamt 9.805 Tatverdächtigen. Beschränken wir uns auf die Tatverdächtigen älter als 21 Jahre (72,1 % - die zweitgrößte Altersgruppe mit 15,3% sind 14-18jährige), kommen wir auf 7.070 Personen. Geschlechtszugehörigkeit der Tatverdächtigen (96,4 % Männer) müssen wir hier außer Betracht lassen, da die nicht nach Altersgruppen aufgeschlüsselt ist. Die 7070 Tatverdächtigen sind also eine Obergrenze; die tatsächliche Zahl männlicher Tatverdächtiger dürfte leicht darunter liegen.
Das statistische Bundesamt gibt für 2005 eine männliche Bevölkerung von 40.340.000 (einschließlich Ausländern) an, davon sind 20% unter 20 Jahre alt - mithin können wir ausrechen, welcher Prozentsatz von 32.272.000 erwachsenen, in Deutschland lebenden Männern 2005 Tatverdächtiger in Fällen sexuellen Missbrauchs von Kindern war: 0,022 %.
Die Personalstatistik (Nachweisungen) der Deutschen Bischofskonferenz weisen für das Jahr 2005 in Deutschland einen Personalbestand von insgesamt 16.190 Priestern (Welt- und Ordenspriester) aus. Bei Ansatz derselben Quote wie bei der erwachsenen männlichen Gesamtbevölkerung (also 0,022%) wäre zu erwarten, dass unter den 7070 Tatverdächtigen des Jahres 2005 maximal 4 Priester waren. Wenn man mal davon ausgeht, dass Priester als Berufsgruppe kein ethisch höherstehendes Verhalten erwarten lassen als Männer anderer Berufsgruppen - also Metzger, Gebrauchtwagenhändler, Immobilienmakler usw. usf. …
Die Quote von 0,22% der erwachsenen männlichen Gesamtbevölkerung dürfte sich seit 2005 kaum merklich verändert haben - anders als die Anzahl von Priestern, gegen die wegen Verdacht auf einschlägige Straftaten ermittelt wird. Von den bereits verjährten, aber erst nachträglich öffentlich gemachten Fällen (in denen Staatsanwaltschaft und Polizei gar nicht erst ermitteln) ganz zu schweigen. Soviel zum „unterrepräsentiert“.
Was das hier angeht:
sind ein generelles gesellschaftliches Problem und keines, das
speziell die Kirche betrifft,
möchte ich Deinem Verständnis auch noch in anderer Hinsicht etwas auf die Sprünge helfen. Natürlich ist sexueller Kindesmissbrauch ein „generelles gesellschaftliches Problem“. Aber ein Arbeitgeber, der seine Beschäftigten in solchen Fällen durch Verletzung der Anzeigepflicht und gezielte Vertuschung vor staatlicher Strafverfolgung schützt und damit weiteren Straftaten sogar Vorschub leistet - das ist kein
generelles gesellschaftliches Problem.
Das betrifft
speziell die Kirche
und genau das ist auch der Grund für die völlig berechtigte Kritik speziell an ihr, wenn es um sexuellen Kindesmissbrauch geht. Nicht, dass einzelne ihrer Funktionsträger straffällig werden, sondern dass die Kirche vielmehr nach Kräften und immer wieder versucht hat, solche Fälle zu vertuschen - sie ausschließlich geheim und intern nach der Instruktion crimen sollicitationis zu behandeln und der staatlichen Strafverfolgung (und damit der öffentlichen Aufmerksamkeit) zu entziehen.
Damit hat sich die Kirche über weltliches Recht gestellt und der Strafvereitelung und Justizbehinderung schuldig gemacht. Nur aufgrund öffentlichen Drucks gibt sie diese Praxis nun (hoffentlich) allmählich auf - und genau deswegen ist dieser öffentliche Druck nicht nur gerechtfertigt, sondern notwendig. Auch wenn Dich und Andere dieser Druck
ehrlich gesagt echt wütend
macht. Vermutlich, weil sie gar nicht verstehen, worum es dabei geht. Es gibt wahrlich angemessenere Dinge, über die man wütend sein kann. Und nur wenige Dinge, über die ein Dialog zwischen Laien und Priesterschaft in der katholischen Kirche in größerem Ausmaß notwendig war und ist.
Freundliche Grüße,
Ralf