Kein Gleichgewichtspreis bei Gewerbevermietungen?

Moin,
etwa in der ersten (oder zweiten :wink: ) Unterrichtsstunde eines Wirtschaftsfaches lernt man, dass es in einer Marktwirtschaft einen Gleichgewichtspreis gibt. Der Preis einer Ware findet sich also da wieder wo es einerseits Nachfrager gibt, die diesen Preis bezahlen und andererseits Anbieter, die zu diesem Preis verkaufen.
So weit so gut.

Aber warum gibt dieses Gesetz offenbar nicht für Gewerbe-/Ladenimmobilien z.B. in den deutschen Innenstädten?
Es gibt ein übergroßen Angebot zu einem Preis, den die Nachfrage offensichtlich nicht bezahlt. Man könnte nun meinen, der Preis würde sinken bis die Nachfrager zuschlagen, aber offensichtlich verkauft (vermietet) man seine Immobilien lieber jahrelang gar nicht als zu einen niedrigeren Preis. Warum?
Dass es keine Nachfrager gibt kann ich nicht glauben. Viele Läden aus den Nebenbereichen würden sicher gerne „nach vorne“ ziehen und viele langjährige Läden würde sicher gerne bleiben statt auf Grund hoher Mieten aufzugeben.

Man munkelt bisweilen, dass es billiger ist als Vermieter Verluste abzuschreiben als die Miete zu senken. Ist das so? Wie funktioniert das? Ich vermiete für €10000.- NICHT, habe also €10000.- Verlust statt €7000.- tatsächliche Mieteinnahmen. Und dann?

Danke für Aufklärung und VG,
J~

Hallo,

das ist so leicht nicht zu beantworten, zumal man ja nicht über alle Informationen verfügt. Eventuell wartet der Vermieter mit der Vermietung lieber in der Hoffnung, daß die erzielbaren Mieten wieder steigen und das dann die paar Monate Leerstand kompensiert, zumal Mietverträge über Gewerbeimmobilien gerne mal mehrere Jahre (2, 3, 5, 10) laufen. Vielleicht ist der Unterschied zur eigentlich erwarteten Miete tatsächlich so groß, daß sich die Sache über die zugewiesenen Abschreibung (d.h. durch Minderung der anderen erzielten Einkünfte) rechnet. Vielleicht sind die Nachfrager auch so unattraktiv, daß der Vermieter lieber nicht vermietet als den Ruf des Hauses zu versauen oder - sofern ihm auch bspw. ein Nachbarhaus gehört - die Gegend abzuwerten.

Und nicht zuletzt soll es auch vorkommen, daß Wirtschaftssubjekte nicht rational handeln, was eine der Prämissen für die ein oder andere Theorie ist, sondern mehr emotional und einfach halsstarrig darauf warten, daß einer den „richtigen“ Preis bezahlt. Und nicht zuletzt ist denkbar, daß der ein oder andere Vermieter genug andere Einkünfte erzielt und deswegen die Ausfälle aus dem einen Objekt verschmerzen kann (was auch nicht sonderlich wirtschaftlich gedacht wäre).

Gruß
C.

Man lernt spätestens in der zweiten Wirtschaftsstunde die Bedingungen für diesen Modellfall. Die für einen so definierten Gleichgewichtspreis geltenden Voraussetzungen („Prämissen“) sind in Deinem Beispielsfall nicht erfüllt: es handelt sich nicht um Angebot und Nachfrage für ein gleichartiges („homogenes“) Gut zu einem einzigen Zeitpunkt.

Dieses statische Gleichgewichtsmodell funktioniert also nicht in Deinem dynamisch verlaufenden Gewerbeimmobilienbeispiel. Es sind daher andere Überlegungen nötig.

Nicht, dass das nun eine Generalerklärung wäre, aber ein Aspekt vielleicht:
Ich (also leider nicht ich, sondern man) besitze ein Haus in der Innenstadt. Im Erdgeschoss einen Laden, darüber auf mehren Stockwerken Wohnungen.
Nun müsste ich auf Grund des Strukturwandels (v.a. wegen des Onlinehandels) den Laden deutlich günstiger vermieten als früher, während ich für die Wohnungen immer mehr bekomme.
Will ich nicht, auch weil der Laden eine Menge Lärm und Behinderungen mit sich bringt, was sich auf die Vermietung der viel lukrativeren Wohnungen darüber niederschlägt.
Nun hab ich eh genug Einnahmen mit den Wohnungen, und da hier in der Innenstadt eh viele Läden leer stehen, warte ich lieber noch ein paar Jahre auf eine baurechtliche Nutzungsänderung im Straßenzug, auf dass ich dann irgendwann das Erdgeschoss auch als Wohnung vermieten kann. Aber da muss ich nicht nur auf die Behörden warten, sondern es kostet mir auch eine Stange Geld. Die nehme ich nicht unbedingt sofort in die Hand, sondern erst in ein paar Jahren, wenn mir das sinnvoller erscheint, weil dann vielleicht die Umbaukosten geringer sind als zu Zeiten des gegenwärtigen Baubooms. Lohnt sich unter Strich, den Laden mehrere Jahre leer stehen zu lassen.

Gruß
F.

Hallo,
ich bin auf der Seite von @LittleArrow, die Voraussetzungen gelten nicht. Nicht alle vermieteten Objekte liegen am exakt gleichen Ort und sind exakt gleich ausgestattet, deswegen entsteht hier gar nicht erst ein Markt eines homogenen Guts, es kann zumindest nicht zwei oder mehr Vermieter des gleichen Objekts geben.

Desweiteren ist der Gleichgewichtspreis (das müßte die erste Stunde Preistheorie sein) ein Grenzwert eines Prozesses, der Walras-Auktion. Wenn es einen Überlapp zwischen Nachfragenden und Anbietenden gibt, dann ensteht der höchste Umsatz beim Gleichgewichtspreis und es gilt Nachfragemenge gleich Angebotsmenge.

Andersherum gilt gar nichts. Du siehst hier lediglich je einen Eintrag auf Geld- und Briefseite des Auktionsbuchs, aus o.g. Gründen werden hier keine weiteren Briefeinträge zu erwarten sein. Man kann vielleicht im Zuge des Grenzwertgedankens festhalten, daß der Vermieter bei lediglich einem Gebot deutlich unterhalb seines Preises sicher keinen Anlaß sieht, seinen eigenen Preis noch zu erhöhen. Und auch der Mieter wird bei Bekanntgabe des Angebots sich nicht denken, daß er ausgehend von seinem 7000er Gebot nochmal etwas nach „unten verhandeln“ kann.

Genau genommen existiert dieser Modellfall nirgendwo auf der Welt. Er dient allein zur Anschauung in der Lehre.

Was übrigens einiges über diese Lehre aussagt.

Das klingt sehr negativ bzw. scheinst Du etwas missverstanden zu haben, denn nach der Diskussion über den Modellfall und seinen Prämissen bleibt die Lehre nicht stehen, sondern geht weiter und nähert sich in weiteren Schritten der Realität.

Ist es auch.

Mag sein. Aber das Problem besteht darin, dass die Prämisse der gesamten ‚Lehre‘ falsch gesetzt ist, weil sie ganz einfach von der völlig falschen Voraussetzung ausgeht, es könne eine unendliche Steigerung von allem geben. Wohin das führt sehen wir gerade: Umweltzerstörung, Rohstoffknappheit, weltweite Armut bei überall vorherrschendem Eigennutz und Verantwortungslosigkeit.
Der Abgrund ist bereits sichtbar, aber nur weiter so - Gewinnmaximierung ist alles!

Im Hinblick auf die gestellte Frage kommst Du jetzt zusätzlich mit diversen egozentrischen Totschlagsargumenten.

Ähm - nö. Das ist nun wirklich das genaue Gegenteil von egozentrisch, das ist aber sowas von geozentrisch.