Keine Religion mit unpersönlichem Gott?

Hallo,

Wenn ich Dich richtig verstehe, nennst Du folgende Gott-Arten
unpersönlich:
a) Ein personifizierter Gott der die Menschen und die Welt
ihrem Schicksal überlässt ohne sich nach der Schöpfung im
geringsten um sie zu kümmern.

nein, kein personifizierter, sondern ein (mit menschlichen Mitteln unvorstell- und) unbeschreibbarer Gott

b) Eine Kraft, ähnlich einem Naturgesetz das ohne Bewusstsein
das Dasein bewirkt hat und nun am Laufen hält.

nein, die Natur- und Geistesgesetze halten es am Laufen, die Gott mit dem Dasein geschaffen hat

Das mag für den einen oder anderen eine attraktive
Gottesvorstellung sein, aber warum sollte sich eine
Glaubensgemeinschaft finden und als Gemeinschaft(!) an so
etwas glauben?

weil sie attraktiv ist, wie du (richtig) bemerkst :wink:.
Viele einzelne bilden eine Gemeinschaft, wie im richtigen Leben.

Es gibt nichts zu verkünden, es gibt keine Regeln, es braucht
keine Rituale, keine Opfer, keine Anbetung, …

Ein moderner Gott also.
Warum sollte man dem Schöpfer (wenn man an einen solchen glaubt) nicht huldigen und Rituale zu seiner Ehre abhalten, wenn man sich dann gut fühlt? Man muss doch nicht immer etwas von Gott wollen, wenn man betet oder Rituale abhält. Do ut des?
Hilft doch beim christlichen Gott eh nichts. Was sagte der Papst dem weinenden Mädchen auf den Philippinen, das ihn fragte, warum Gott all das Schreckliche zulässt? „Die Frage kann keiner beantworten.“
Für eine derartige Antwort braucht es keinen Papst. Oder vielleicht doch.
Ich finde die Antwort mutig und sie bekommt meinen Respekt.
Grüße
C.

Deismen und Atheismen
Hall K.,

wie andernorts erwähnt, fällt sowas:

a) Ein personifizierter Gott der die Menschen und die Welt ihrem Schicksal überlässt ohne sich nach der Schöpfung im geringsten um sie zu kümmern.

unter den Begriff „Deismus“

Und sowas

b) Eine Kraft, ähnlich einem Naturgesetz das ohne Bewusstsein das Dasein bewirkt hat und nun am Laufen hält.

(auch wenn diese Kurzfassung ein wenig schief ist) umreißt grob eine atheistische Religion.

aber warum sollte sich eine Glaubensgemeinschaft finden und als Gemeinschaft(!) an so etwas glauben?

Für beides finden sich zahlreiche Beispiele unter der großen Menge von Religionen. Einige wurden bereits genannt.

Gruß
Metapher

Hallo Metapher,
danke für die -ismen, danach hatte ich vergessen zu fragen. Kannst du dir mir für die beiden fehlenden noch nachreichen?
Aber warum ist der Glaube an einen Gott, der sich nicht zeigt, ein A-Theismus?
Ich hatte bei Atheismus eigentlich die Vorstellung von jemandem, der die Existenz eines Gottes völlig leugnet, im Sinn.
Grübelt
C.

Hallo,

wie andernorts erwähnt, fällt sowas:

a) …

unter den Begriff „Deismus“

Und sowas

b) Eine Kraft, ähnlich einem Naturgesetz das ohne Bewusstsein das Dasein bewirkt hat und nun am Laufen hält.

(auch wenn diese Kurzfassung ein wenig schief ist) umreißt
grob eine atheistische Religion.

aber warum sollte sich eine Glaubensgemeinschaft finden und als Gemeinschaft(!) an so etwas glauben?

Für beides finden sich zahlreiche Beispiele unter der großen
Menge von Religionen. Einige wurden bereits genannt.

Kann man denn tatsächlich von deistischen „Glaubensgemeinschaften“ sprechen?
Ist der Deismus denn nicht eher ein Oberbegriff individueller Ansichten?

Und unter b) meinte ich das eigentlich so eng verstanden, wie es da steht. Ein weiteres (Ober-)Naturgesetz.

Hinduismus, Daoismus, Buddhismus unterscheiden sich bspw. davon, das sie nicht verstandesmäßig konstruiert wurden. Ihnen liegt ja ein Erleben zugrunde. Auch hier wird den „Erwählten“ ja etwas offenbart, bzw. „es“ offenbart sich etwas.

Etwas provokant würde ich sogar soweit gehen das der Unterschied zwischen einem allmächtigen, unergründbaren Gott und den unsagbaren Erfahrungen von Dao, Nirvana, etc. keine allzu grossen sind.
Menschen machen persönliche Erfahrung mit dem Mysterium. Sie sprechen darüber in personifizierter oder abstrakter Darstellung und andere glauben ihnen, das diese Information einen Wahrheitsgehalt enthält.
Im Unterschied dazu steht eine verstandesmäßige Schlussfolgerung das ein Gott existiert. D.h. b), wie ich es gemeint habe, ist eher Deismus als Atheismus.

Grüße
K.

Hi C.,

Kannst du dir mir für die beiden fehlenden noch nachreichen?

Gern, aber ich weiß nicht, was du jetzt mit „die beiden fehlenden“ meinst?
Einiges - und mit Beispielen - hatte ich ja in der direkten → Antwortan dich schon erwähnt.

Aber warum ist der Glaube an einen Gott, der sich nicht zeigt, ein A-Theismus?

Das ist ein Mißverständnis. Ein Gottesbegriff, bei dem der Gott (z.B. nach getanem Schöpfungswerk) nicht mehr in das Weltgeschehen eingreift und auch nicht im Hymnus als „Du“ angesprochen wird (sondern wenn überhaupt, als „Er“), gehört eben gerade zu einem „Deismus“.

„Atheismus“ bezeichnet in diesem Zusammenhang eine Religion, die gar keinen Gottesbegriff hat, stattdessen andere abstrakte Prinzipien bzw. Leitideen. Prominente Beispiel für eine atheistische Religionen sind z.B. der Buddhismus und der schon erwähnte Daoismus.

In solchen Atheismen wird auch die Existenz eines Gottes nicht „geleugnet“. Er ist also nicht „gegen“ einen solchen Begriff. Vielmehr spielt ein Gottesbegriff darin schlicht keine Rolle. .

Ich hatte bei Atheismus eigentlich die Vorstellung von jemandem, der die Existenz eines Gottes völlig leugnet, im Sinn.

Ja, auch dafür wird der Ausdruck „Atheismus“ verwendet. Also für aktive „Entgegen“-Haltung. In unserem hier diskutierten Kontext würde man das daher besser „Antitheismus“ (zusammen mit einer anti-religiösen Haltung) nennen, um es nicht (z.B. mit dem Buddhismus) zu verwechseln.

Gruß
Metapher

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Hallo,

Wenn ich Dich richtig verstehe, nennst Du folgende Gott-Arten
unpersönlich:
a) Ein personifizierter Gott der die Menschen und die Welt
ihrem Schicksal überlässt ohne sich nach der Schöpfung im
geringsten um sie zu kümmern.

nein, kein personifizierter, sondern ein (mit menschlichen
Mitteln unvorstell- und) unbeschreibbarer Gott

Aber wie können wir einen unvorstellbar- und unbeschreibbaren Gott derart beschreiben, „das er die Welt ihrem Schicksal überlässt ohne sich nach der Schöpfung im geringsten um sie zu kümmern“?

Ich denke, das geht nicht zusammen.
Mit der Vorstellung, was der Gott mit der Welt macht, verlässt Du die Vorstellung des „unvorstellbar- und unbeschreibbaren Gottes“ und personifizierst ihn - ob Du willst oder nicht.

b) Eine Kraft, ähnlich einem Naturgesetz das ohne Bewusstsein
das Dasein bewirkt hat und nun am Laufen hält.

nein, die Natur- und Geistesgesetze halten es am Laufen, die
Gott mit dem Dasein geschaffen hat

Ich dachte, das Göttliche sollte bei dieser Annahme ständig präsent sein?

Ein moderner Gott also.
Warum sollte man dem Schöpfer (wenn man an einen solchen
glaubt) nicht huldigen und Rituale zu seiner Ehre abhalten,
wenn man sich dann gut fühlt?

Weil es dann keine „Gottesverehrung“ ist, sondern ein Freizeitvergnügen wie Joggen oder Musik hören?
D.h., es hat in Wahrheit rein gar nichts mit einem Gott zu tun, sondern ausschliesslich mit einem selbst und seinem Hang sich wohl zu fühlen.

Ich finde die Antwort mutig und sie bekommt meinen Respekt.

Das ist das Mindeste :o)

Grüße
K.

Ist schon eine Weile her, seit ich da mal ein wenig zu gelesen hatte, aber ich glaube, es war mit Beginn der Renaissance, wo mit den Schriften von Thomas von Aquin und Nikolaus von Kues der Gedanke in den Vordergrund trat, Gott in allem zu sehen.

Der vielzitierte Satz „Gott ist Liebe“ ist genaugenommen auch ein unpersönlicher Ansatz.

Hi,

ich frage mich und euch, ob es eine Religion mit einem
unpersönlichen Gott gibt oder überhaupt möglich ist.

Was ist es denn sonst? Jeder hat seinen persönlichen oder personifizierten Gott? In der Masse kann ein solcher Gott nur unpersönlich sein. Oder meinst Du, daß dieser jeden Namen des Fanclubs auswendig weiss?

Jeder monotheistischen Religion ist gemein, daß sie zu einem Gott sprechen, beten, Rituale veranstalten usw.

Was ist überhaupt Gott? Ist es nicht ein virtuelles Gebilde an welchen viele versuchen etwas zu finden?

Virtuell ist genau das - es ist nicht personifiziert.

Gruß vom Raben

Hallo Klaus,

Mit der Vorstellung, was der Gott mit der Welt macht, verlässt
Du die Vorstellung des „unvorstellbar- und unbeschreibbaren
Gottes“ und personifizierst ihn - ob Du willst oder nicht.

nein, er macht ja nichts, das kann nicht als „machen“ bezeichnent werden. Und ihn zu einer Person mit menschlichem Antlitz zu machen trifft es wohl nicht.
Aber ich denke, wir bekommen hier ein semantisches Problem, kein theologisches.

Ich dachte, das Göttliche sollte bei dieser Annahme ständig
präsent sein?

wie kommst du darauf?

Weil es dann keine „Gottesverehrung“ ist, sondern ein
Freizeitvergnügen wie Joggen oder Musik hören?
D.h., es hat in Wahrheit rein gar nichts mit einem Gott zu
tun, sondern ausschliesslich mit einem selbst und seinem Hang
sich wohl zu fühlen.

Ok, beides sind egoistische Motive. Sowohl die christlichen wie die von mir beschriebenen. Aber so ist Glaube nun einmal.
Grüße
C.

Hallo Metapher,

Gern, aber ich weiß nicht, was du jetzt mit „die beiden
fehlenden“ meinst?

Ich war, wohl fälschlicherweise, davon ausgegangen, dass die von mir beschriebenen vier Gottesvorstellungen unterschiedliche -ismen darstellen. Aber da hast du mich schon korrigiert. Danke dafür.
Was bleibt ist die Frage, ob der christliche Gott der Bibel und der Sixtinischen Kapelle mit dem persönlichen Gott des Herzens (ohne den Gott für alle) kompatibel ist. Anders gefragt: Gibt es nur einen Gott für alle Christen oder auch einen ganz für mich persönlich?
Gruß
Castiglio

Ich hatte bei Atheismus eigentlich die Vorstellung von
jemandem, der die Existenz eines Gottes völlig leugnet, im

Dieser reine Atheismus tritt ohnehin nur selten auf. Wer seine Ansichten auf Rationalität gründet kann die Möglichkeit der Existenz Gottes gar nicht leugnen. Selbst „New Atheists“ wie Richard Dawkins halten die Existenz Gottes nur für „sehr, sehr unwahrscheinlich“ :smiley:

Dieser reine Atheismus tritt ohnehin nur selten auf. Wer seine
Ansichten auf Rationalität gründet kann die Möglichkeit der
Existenz Gottes gar nicht leugnen.

Leugnen ist hier grundfalsch, er verneint und das ist was ganz anderes:smile: Man kann nämlich etwas nur leugnen was sonst existiert/te.

Selbst „New Atheists“ wie Richard Dawkins halten die Existenz Gottes nur für „sehr, sehr
unwahrscheinlich“ :smiley:

Nicht verwunderlich. Die Existenzbehauptung konvergiert kontinuierlich gegen Null:smile:))

Balázs

Der Gott ‚für alle‘ vs. der Gott ‚für mich‘
Hallo Castiglio

Gibt es nur einen Gott für alle Christen oder auch einen ganz für mich persönlich?

Dadurch, daß du diese beiden Aspekte durch ein „oder“ separierst, ergibt sich eine interessante Fragestellung. Ich wüßte nämlich einerseits keine christliche theologische Tradition, in der das anders aufgefaßt wurde/wird als daß beides dasselbe sei. Also der Gott „für alle“ (btw nicht nur für die Gläubigen) und btw auch für alle s (woraus ja gerade das sog. Theodizeeproblem entsteht), ist zugleich der Gott „für mich“, und zwar als das Privateste, Persönstlichste, Individuellste, Intimste, das dem je Einzelnen zukommt.

Andererseits ist erstaunlich, daß man schon gründlich nach christlichen und jüdischen Text-Zeugnissen (oder anderen kultischen Signaturen) suchen muß, in denen das explizit zum Ausdruck kommt, daß beides dasselbe ist: Daß der Gott „für alles“ identisch ist mit dem „je meinigen“ Gott. Dagegen findet sich zahllose Literatur, in der problematisiert wird, ob der jüdische und der christliche und der islamische Gott derselbe ist oder nicht. Derweil ist in der gesamten Theologiegeschichte (zumindest dieser sog. abrahamitischen Religionen) wohl immer wortlos impliziert, daß „mein Gott“ und „dein Gott“ einunddasselbe ist. Ebenso, daß „mein Gott“ und „unserer Gott“ (wie zB. im christlichen „Vaterunser“) einunddasselbe ist. Ob es tatsächlich immer mitgedacht ist, möchte ich gern bezweifeln.

Deutlichste Belege für die Identität finden sich derweil in der johanneischen Literatur (Joh. und 1. Joh.) des NT. Und tatsächlich explizit dann in Traditionen der europäischen Mystik, in denen das „Du (Gott) und wir“ der kultischen Gebetsform gegenüber dem „Du (Gott) und ich“ des subjektiven Erlebens und Suchens vollkommen zurücktritt.

Zugleich wird in dieser Tradition aber bedacht, daß genau das für jedes Subjekt so ist. Ein deutliches Textbeispiel dafür findet sich z.B. in dem „Geistlichen Tagebuch“ der frz. Mystikerin Lucie Christine (1844-1908): „… sprach der göttliche Meister zu mir: ‚Außer dir und mir ist nichts.‘ - Ich sagte: ‚Herr, und die anderen?‘ - Da antwortete er: ‚Für jede Seele gibt es nur mich und sie‘“ (Übers. Romano Guardini)

Gruß
Metapher

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Hallo,

nein, er macht ja nichts, das kann nicht als „machen“
bezeichnent werden. Und ihn zu einer Person mit menschlichem
Antlitz zu machen trifft es wohl nicht.

Du hattest doch geschrieben:
„Gott hat sich irgendwohin verkrümelt und denkt über einen neuen Kosmos nach, ohne sich im Mindesten um die Marginalie Mensch zu kümmern. Es ist auch keine Person wie oben beschrieben, sondern unbeschreibbar (und unpersönlich).“

D.h., auch wenn er sich von seine Schöpfung später abwendet, hat er sie ja erst einmal gemacht.
Dieses ursprüngliche „Machen“, genauso wie das anschliessende „irgendwohin verkrümeln“ ist schon eine ziemlich aussagekräftige Beschreibung eines Gottes. Und das steht halt im Widerspruch zu einem „unvorstell- und unbeschreibbaren Gott“.

Ich dachte, das Göttliche sollte bei dieser Annahme ständig
präsent sein?

wie kommst du darauf?

Weil Du es geschrieben hattest: „Nun sind wieder zwei Varianten denkbar: alles, was ist, ist Gott (unpersönlich)“

Grüße
K.

wo mit den Schriften von Thomas von Aquin und Nikolaus von Kues der Gedanke in den Vordergrund trat, Gott in allem zu sehen.

Natürlich gibt es viele Verbindungen zwischen Thomas und dem Kusaner. Vielleicht war da die Rede von dem Gott als actus purus, für den alle Möglichkeit auch Wirklichkeit ist. Das hat Cusanus aufgegriffen und auch weiter ausgeführt. Und ja, Pantheismus wird Cusanus zu Recht zugeschrieben, auch wenn ein expliziter Pantheismus erst bei Spinoza vorliegt („natura“ und „deus“ sind synonym). Bei Cusanus handelt es sich genau genommen um einen Pan-en-theismus (Gott „in“ allem). Das schließt bei beiden, Thomas und Cusanus, aber nicht aus, daß der Gott 1. sowieso als „Person“ verstanden ist, als auch 2. (in dem anderen vom UP gemeinten Wortsinn) als für das Individuum persönlich zuständig und zugänglich. Die Schriften „De visione dei“, und der „Trialogus de possest“ zeigen das deutlich. Die philosophischen Abhandlungen sind äußerst abstrakt, aber der Gottesbegriff ist dennoch zugleich „persönlich“.

Der vielzitierte Satz „Gott ist Liebe“ ist genaugenommen auch ein unpersönlicher Ansatz.

Diese und viele andere Attribuierungen bzw Identifizierungen des Gottes mit Abtrakta (Wahrheit, Geist/pneuma, Licht, logos, Leben usw.) sind eine Besonderheit für die johanneische Literatur des NT, im Gegensatz zu der übrigen. Aber gerade bei diesem Autor steht zugleich das „Einssein“ des Gottes mit dem Menschen im Vordergrund. Das sagt ja schließlich auch dein o.g. Zitat aus dem 1. Joh.-Brief.

Gruß
Metapher

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Hallo Klaus,
ich befürchte, ich kann dir nicht mehr folgen.
Aber das will ich auch garnicht, du sollst doch mir folgen :wink:
Gruß
Castiglio

Hallo Metapher,
es ist immer wieder verblüffend und erstaunlich („amazing“), was du alles weißt. Respekt!

Mein Problem ist eigentlich, dass ich, nach 40 Jahren Antitheismus, zum Glauben (über eine unsterbliche, wiedergeborene und als göttlichen Funken verstandene Seele) gefunden habe, aber an den Gott aus Bibel und Sixt. Kapelle nicht glauben kann. Auch der Gott der Moslems kommt nicht in Frage. Fernöstliche erst recht nicht, denn da war ich wohl nie verfleischlicht.

Also bin ich auf der Suche nach einem Gott, der in Richtung gnostisches Christentum mit Jesus als Höchst-Erleuchtetem tendiert, den ich in meinem Herzen haben kann, der für den Urknall „verantwortlich“ ist, der aber nicht in das Weltgeschehen eingreifen muss, weil seine Gesetze das schon allein geregelt bekommen.

Das heißt für mich also erst einmal: „Willst du viel, spül’ mit Pril.“

Ein abschließender Gruß
Castiglio

Historische Genese der Gottesvorstellung
Hi.

ich frage mich und euch, ob es eine Religion mit einem
unpersönlichen Gott gibt oder überhaupt möglich ist.

Ja, aber nur in einem einmaligen Fall, der allerdings eine immense historische Dimension hat: nämlich die Urmutter=Natura naturans-Religion zwischen 40.000 und 12.000 vuZ mit ihren Modifikationen bis ca. 6.000 vuZ. Die historische Entwicklung nach dieser Zeit hat zu der irreversiblen Bedingung geführt, dass ein ´Gott´ nur noch personal gedacht werden kann, ganz einfach deswegen, weil übernatürliche Wesen seit vielleicht 6-7.000 Jahren anthropomorph und personal, d.h. als überhöhte Spiegelbilder irdischer Menschen, vorgestellt werden. Als Alternative sind nur Vorstellungen eines apersonalen Numinosen denkbar, wie sie in der globalen Mystik konzipiert sind und für die der Begriff ´Gott´ völlig deplaziert ist.

Ich beschränke mich auf einen Aspekt, der wie üblich außer von mir von niemandem in diesen Forum thematisiert wird: die historische Genese der Gottheitsvorstellung. Ohne einen Begriff von den Entstehungsbedingungen zu haben, ist es müßig, über Gottesvorstellungen zu sinnieren.

Vieles spricht dafür und nichts dagegen, dass die ursprüngliche Gottheitsvorstellung weiblich - und zwar ausschließlich weiblich - konnotiert war und keinerlei personale Züge aufwies. Ich meine die jungpaläolithische Idee einer kosmisch gedachten ´Urmutter´, welche das Leben - der Menschen und Tiere - periodisch hervorbringt und in sich zurücknimmt (= Wiedergeburtskreislauf / Jungpaläolithikum = Jungaltsteinzeit = ca. 40.000 - 12.000 vuZ)). Es gibt zahlreiche Indizien für die Verehrung einer solchen der Natur einwohnenden Kraft, ich habe das vor einigen Wochen in diesem Board detailliert belegt. Grundlage dieser Vorstellung war die Projektion der Fähigkeit der Frau (und weiblicher Tiere), Leben zu generieren, auf die Natur als Ganzes, die also als Analogon zur Frau gesehen wurde, und zwar unter dem Aspekt der Gebärfähigkeit. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit hat man sich diese Kraft nicht als ein personales Wesen zu denken, das einen spezifischen Eigennamen hat und den Menschen als ein ´Du´ gegenübersteht. Sinnvoller ist es, sich dieses Wesen als eine weiblich konnotierte Kraft vorzustellen, welche nicht getrennt von der Natur existiert, sondern sich in ihr manifestiert. Die `Urmutter´ war also vermutlich als natura naturans , als bildende Kraft in der Natur, gedacht und aufgrund der besagten Analogie weiblich symbolisiert.

Warum das Urkreative weiblich und nicht männlich oder zumindest hermaphroditisch gedacht war, erklärt sich aus der (höchstwahrscheinlichen) Unkenntnis über den männlichen Beitrag zur Zeugung, was sich erst im Kontext der Viehzucht zu Beginn des Neolithikums (Neusteinzeit) änderte. Logischerweise kamen also erst nach dem Einsetzen der Viehzucht erste Vorstellungen eines männlichen Fruchtbarkeit-Gottes auf, zunächst in Gestalt eines Stiers (oder seltener eines Widders). Dieser gleichfalls zunächst noch apersonale Gott, die Verkörperung des ´männlichen Prinzips´, gilt eine Zeitlang nur als Sohn und Begatter (Befruchter) der höhergestellten Muttergöttin.

Das Aufkommen polytheistischer Systeme mit weiblichen und männlichen Gottheiten war ein Reflex der irdisch-sozialen Entwicklung zu einer Hierarchisierung der Gemeinschaften und dementsprechend zu höherer sozialer Komplexität und einer sozialen (also nicht gender-spezifischen) Arbeitsteilung. Die ausschließlich männlichen Viehzüchter (frühere Jäger) begannen eine Herrenschicht zu bilden und die (historisch vorausgehenden) Bauern zu dominieren. Frauen (frühere Sammlerinnen und Begründerinnen des Ackerbaus) wurden aus ihren traditionellen Tätigkeiten (Ackerbau, Pflanzenzucht) herausgedrängt und auf Haus- und Hilfsarbeit beschränkt, weil der Pflug an die Stelle ihrer Hacken trat und der Mann, der das Ochsengespann dirigierte, den Ackerbau übernahm. Hinzu kam das Aufkommen der Metallurgie, ebenfalls komplett in der Hand der Männer. Die soziale Hierarchisierung und ökonomische Spezialisierung bedingte jene theologische Entwicklung, die schließlich ab dem 4. Jt. vuZ in ausgefeilten polytheistischen Systemen mit jeder Menge personal gedachter Gottheiten beiderlei Geschlechts mündete.

Aus Sicht der Kritischen Theorie ist die Herausbildung personaler Gottheiten ein Ausdruck des Bemühens, irdische Herrschaft (das Fürsten - und Königtum ) zu legitimieren, also jene Form sozialer Hierarchie, die entstand im Zuge

der Aneignung sozialer Macht einer bestimmten Gruppe (die reichsten Viehzüchter) über den Rest der Gemeinschaft (andere Viehzüchter, Bauern, Handwerker usw.), und

der sozialen Degradierung der Frau zum Gehilfen des Mannes (der die traditionelle Frauendomäne, den Ackerbau, übernommen hat).

Im 4. Jt. vuZ nahm die religiöse Ideologie in Mesopotamien klare Formen an. Ich zitiere beispielhaft ein paar Zeilen von der „Geierstele“, einem Monument des Sieges des Königs von Lagasch, Eannatum (um 2.500 vuZ), über die benachbarte Stadt Umma:

Ningursu (= Stadtgott von Lagasch) hat den Eannatum gezeugt.
(…)
Inanna hat ihn (Eannatum) auf den Arm genommen und ins Eanna gebracht (=Tempel der Fruchtsbarkeitsgöttin Inanna).
Sie hat ihn der Ninhursag (= Muttergöttin) auf ihren Schoß gesetzt und an ihre Brust gelegt.
Über Eannatum hat sich Ningursu (Stadtgott) gefreut.
Ningursu hat ihm aus großer Freude das Königtum über Lagasch verliehen.

(usw.)

Die Funktion personal gedachter Gottheiten besteht hier unübersehbar darin, den Herrscher als gottgewollt zu legitimieren. Spätere Vorstellungen vom „Gottesgnadentum“ wurzeln darin.

Zusammenfassung:

Die ursprüngliche Gottesvorstellung ist apersonal. Die ´Gottheit´ wird als abstraktes Analogon der Frau vorgestellt. Der entsprechende soziale Hintergrund ist tendenziell egalitär, d.h. ohne hierarchisch geordnete soziale Schichten. Schamaninnen und Schamanen dürften als charismatische Autoritäten fungiert haben.

Mit dem erhöhten Selbstbewusstsein des Mannes (Erkenntnis seiner Zeugungsfähigkeit) kommt es zur Herausbildung männlicher Gottheiten, die sich schrittweise an die Bedeutung weiblicher Gottheiten annähern und diese schließlich überholen (ab dem 4. Jt. vuZ). Alle Gottheiten werden fortan personal vorgestellt. Die erfolgreichsten Viehzüchter schwingen sich zu den Herren der Gesellschaft auf. Ihre Werkzeuge werden später theologisch überhöht (Geißel und Krummstab). Ein Reflex findet sich auch im AT, wo der Hirte Abel von ´Gott´ dem Ackerbauern Kain vorgezogen wird.

Die personale Gottesvorstellung ist also ein Resultat ´theologischer´ Bemühungen der ersten Herrenschichten, ihre Herrschaft religiös zu legitimieren. Kurz: Sie ist genuine Ideologie.

Der natürliche spirituelle Impuls im Menschen wurde davon zwar eingeengt, aber nicht ausgelöscht. Die Idee einer apersonalen natura naturans wurde später ´vergeistigt´, was sicher auf entsprechende schamanistische Erfahrungen zurückgeht bzw. auf Erfahrungen, die sich schamanistischen Bewusstseinstechniken verdanken. Als Beispiel nenne ich Parmenides, den ersten bekannten Geist-Philosophen der Antike, welcher, Prof. Walter Burkert zufolge, durch schamanistische Techniken inspiriert war. Im Osten entwickelten sich apersonale Vorstellungen einer numinosen ´Kraft´ im Brahmanismus (Brahman = der apersonale unendliche Weltgeist) und, in produktiver Auseinandersetzung damit, der Buddhismus (Nirvana / Shunyata). Im Westen widmete sich die Mystik der Erforschung des apersonalen Numinosen.

Dass diese mystischen Strömungen sehr viel mehr auf der Linie der uralten Vorstellungen einer apersonalen Natura naturans (wie im Urmutter-Kult erstmals ausgeformt) als auf der Linie der ideologischen Konstrukte der polytheistischen und monotheistischen Systeme liegen, ist wohl klar. Ein Bindeglied ist z.B.die ägyptische Muttergöttin Isis, die im Zentrum eines antiken, der Erforschung des Numinosen gewidmeten Mysterienkultes stand und symbolisch als alles erzeugende Kraft, also als Natura naturans, verehrt wurde. Dass die polytheistischen und monotheistischen Systeme dieses Potential auch auf ihre personalen Götter übertragen hatten (z.B. in Ägypten Atum und Ptah, im Judentum Jahwe, im Christentum ´Gott´, im Islam Allah), ist nichts anderes als ein sekundärer personalisierender Abklatsch der viel älteren Vorstellungen der alles erzeugenden apersonalen Allgöttin.

Chan

Hi,
Deine Frage wäre wegen doppelter Verneinung zu übersetzen mit
>Religionen haben einen persönlichen Gott!