unpersönliche Götter
Hallo,
ich frage mich und euch, ob es eine Religion mit einem unpersönlichen Gott gibt oder überhaupt möglich ist.
Die Antwort ist schwierig, weil völlig unklar ist, was du mit „unpersönlichem Gott“ meinen könntest. Zumal bei jeder Religion jeweils sorgfältig betrachtet werden muß, wieweit und in welchem Sinne der Begriff „Gott“ angewendet werden kann.
Du (oder die Gruppen, die du erwähnst) könntest im Sinn haben eine Religion (oder Weltanschauung) mit einem abstrakten (und insofern „unpersönlichen“) Letztbegründungsprinzip, das als solches durchaus ein Objekt kultischer oder ritualischer Verehrung sein kann, aber nicht die Signatur eines Gottes (s.u.) hat. Dann kämen (nur als Beispiele) in Frage:
- der unten erwähnte Daoismus (in der älteren Form vor der Qin-Dynastie) mit dào als Zentralbegriff.
- das brahman (nicht zu verwechseln mit dem späteren, durchaus personal verstandenen Brahma) früher vedischer Religionen
- der nous in einigen vorsokratischen Philosophien der griechischen Antike
- der logos in der hellenistischen Stoa.
Zu vermuten ist aber, weil du in Klammern „Deismus“ erwähnst, daß du mit „unpersönlichem Gott“ einen Gottesbegriff meinst, in dem dieser zwar als Akteur (und damit als → Person) zum Beispiel einer Weltschöpfung verstanden wird, oder als mythischer Stammesgründer usw., der aber nicht kultisch angesprochen wird und der auch ansonsten mit dem Weltgeschehen einerseits, mit dem individuellen Leben andererseits nichts zu tun hat.
Soll heißen: Götter/Göttinnen sind zwar immer „Person“ (denkende, sprechende, handelnde), insofern persönliche Wesen, unterscheidbar von abtrakten Letztbegründungen. Aber sie sind nicht immer kultische _Ansprechpartner _für die Gemeinden der Anhänger.- und damit erst recht nicht für je einen Einzelnen. Sie sind „persönliche“ Götter, wenn sie je ein „Du“ für ein „Ich“ des Gläubigen sind, sie sind „unpersönliche“ Götter, wenn sie keine Ansprechpartner sind.
Wenn „persönlich“/„unpersönlich“ so verstanden wird, also synonym zu „theistisch“/„deistisch“, dann gibt es ebenfalls zahlreiche Beispiele. Kate hat ja schon welche erwähnt.
Insbesondere gibt es auch zahlreiche Monotheismen mit einem Gott, der nicht als persönlicher Gesprächspartner amtiert. Die altavestische Form des Zarathustrismus kommt dafür in Frage, obwohl der oberste Gott Mazda Ahura in den eigenen Gathas des Zarathustra direkt angesprochen wird. Aber im Kult der Gemeinden war er es erst in den Entwicklungen der spätantiken sassanidischen Dynastien.
Ein anderer der zahlreichen Monotheismen wäre noch charakeristisch: Die Khabza (Хабзэ) der Adyghe und Tscherkessen des Nordkaukasus ist eine Religion mit dem einen alleinigen Gott T’ha (тхьэ) bzw. T’hashkhue (тхьэшхуэ). Er ist insofern als Schöpfer verstanden, als sein erstes und einziges Werk, das Khy (Хы), nicht die Welt ist, sondern vielmehr das Gesetz, oder besser die Logik, nach der und aus (sic!) der sich die Welt dann selbständig entwickelt hat und weiter entwickelt. T’ha ist zwar Objekt von Hymnen und Gesängen, aber er ist kein persönlicher Ansprechpartner, kein „Du“. Die Hymnen sprechen von ihm in 3. Person „er, der …“ oder „das Eine, welches …“ Khabza hat damit einen sehr ungewöhnlichen und wenig vergleichbaren Schöpfungsmythos, und das zusammen mit einem Gott, der immer und überall gegenwärtig ist, sogar mit allem Eins (Псори Хыщ, Psori Khysh). Es ist also ein sog. Pan-en-theismus.
Gruß
Metapher ,