Hallo. Ich habe hier noch eine versiegelte Flasche Alzeyer Galgenberg Trockenbeerenauslese Jahrgang 1959, Ruländer, Weingut Ferdinand Pieroth, im Keller bei gleichbleibender Temperatur gelagert, alle 3 Monate um eine viertel Umdrehung gedreht. Kennt da jemand einen Preis für oder weiß wo ich ihn verkaufen könnte?
Servus,
einem Ruländer aus Alzey, der noch dazu durch den Keller Pieroth gegangen ist, fehlt die Grundlage, um so alt werden zu können. Man darf ziemlich sicher sein, dass er um ist. Von daher ist e-bay eine gute Plattform. Kann sein, dass mutige Leute oder solche, die das nicht gut abschätzen können, vielleicht 30 oder 40 Euro dafür geben.
Nicht mit dem Rheingauer Riesling verwechseln, von dem noch ein bissel was aus 1959 unterwegs ist - bei denen kann eher was gehen, allerdings werden auch diese nur von ausgesprochen renommierten Lagen und Gütern noch trinkbar sein (oder auch untrinkbar wegen des Namens einen Liebhaber finden).
Schöne Grüße
MM
1959 war ein Jahrhundertwein Jahrgang.
https://www.jahrhundertweine.de/shpSR.php da sind, bis auf einen Cabinett aber alles Spät- Auslesen und Trockenbeerenauslesen dabei.
https://www.jahrhundertweine.de/shpSR.php hier auch welche ohne Prädikat.
Ganz so billig würde ich Deinen also nicht einschätzen, es sei denn er wurde in ´nem Keller gelagert in dem auch die Heizungsanlage untergebracht ist. ramses90
Servus,
Ruländer (= Grauburgunder) ist kein Riesling. Er bringt sehr säurearme Weine, die genau wegen der fehlenden Säure nicht lagerfähig sind.
Außerdem hat Rheinhessen abgesehen von der Rheinfront, insbesondere dem legendären Roten Hang bei Nierstein, bis in allerjüngste Vergangenheit nie, auch in sehr guten Jahrgängen nicht, Weine zum Liegenlassen hervorgebracht. Lästermäuler meinen, das läge daran, dass man auf Böden, die eigentlich für Zuckerrüben gemacht sind, halt keinen Wingert anlegen sollte - seit etwa der Jahrtausendwende haben einzelne Winzer gezeigt, dass das Rheinhessische Elend eher an der dortigen Tradition von Fassweinproduktion und Ausbau durch größere Kellereien lag und man sogar im berüchtigten Saulheim herrliche Weinlein machen kann.
Und last, but not least, ist Pieroth auch kein Domdechant Werner: In der Branche heißt diese Kellerei „Wiederaufbereitungsanlage für Wein“, und es ist kein Zufall, dass die Erinnerung an die Glykol-Verschnitte 1985 bis heute noch an diesem Namen hängt. Auch wenn Pieroth in dieser Hinsicht „sauber“ geworden ist - dort werden keine Weine gemacht, die über fünfzig Jahre liegen können.
Schöne Grüße
MM
Geschätzter MM,
Du hast in vielem recht; zu einigen Details möchte ich jedoch Anmerkungen machen. Über Senator Pieroths Abfüllanlage (hier im übertragenen Sinn zu verstehen) brauchen wir wahrlich nicht streiten - ob das in den 50ern (das war noch in der Wachstumsphase) noch ein seriöser Betrieb war, kann ich nicht beurteilen.
Fest steht auch, dass die Lagen des Alzeyer Hügellandes lange nicht das (durchaus verdiente) Renommée der Rheinfront (geschweige denn des Rheingaus) haben, nicht einmal das des Wonnegaus - sind sie doch kleinklimatisch auch deutlich weniger begünstigt. Trotzdem ist gerade der Alzeyer Galgenberg mit seinem zur Selz (wenn auch nicht allzu steil) abfallenden Südhang seit jeher eine der besseren (und alten) Lagen jener Gegend - also kein zu Sicco Mansholts Zeiten zum Wingert umfunktionierter Kartoffelacker.
Feinnervige Rieslinge wie vom Rotliegenden an der Rheinfront darf man von dort freilich nicht erwarten, aber dafür harmoniert der mit etwas Mergel und Kalk versetzte Löss wunderbar mit der Grauburgunder-Rebe. Der Ruländer - zu Ehren des Speyerer Kaufmannes Ruland, der diese Rebmutation in seinem Garten entdeckt haben soll, heisst oder hieß der Grauburgunder zumindest westlich des Rheins ‚Ruländer‘ - hat ja auch zu Zeiten, als Weisswein vor allem süß sein musste, um verkäuflich zu sein, die besseren süßen Weine hervorgebracht. Jedenfalls im Vergleich mit den parfümierten Qualzüchtungen der Rebenzuchtanstalt Alzey (die übrigens in unmittelbarer Nähe des Galgenbergs liegt). Nicht, dass es auch bei den pfälzer und rheinhessischen Ruländern nicht auch wahrhaft grausliche Qualitäten gegeben hätte … 1959 jedenfalls war einer der besten Jahrgänge des 20. Jahrhunderts, gut genug um für hinreichend Zucker zu sorgen, um eine Trockenbeerenauslese bis heute zu konservieren. Insofern bin ich geneigt, Deiner Aussage „dort werden keine Weine gemacht, die über fünfzig Jahre liegen können“ zu widersprechen, jedenfalls in dieser apodiktischen Form. So lässt sich auch problemlos ein Händler finden, der (mutige) 89,90 € für eine Flasche dieses Weins verlangt: http://www.weinko.de/1959-Alzeyer-Galgenberg-Auslese-Weingut-Ferd-Pieroth-Burg-Layen
Allerdings - wäre ich schon bei einem Kauf beim Händler etwas skeptisch, wo ich von fachmännischer Lagerung ausgehen kann und ein Rückgaberecht habe, wenn der Wein „um“ wäre, so würde mir bei einem Kauf von Privat (eben aus den genannten Gründen, die da wegfallen) nie einfallen, mehr als die von Dir veranschlagten 30 - 40 € zu investieren. Wenn ich etwas für Süßweine übrig hätte. Undheftigst in Laune wäre, mein Spielerglück zu versuchen.
Freundliche Grüße,
Ralf
Zusatz:
sehe gerade, dass der im Internet für knapp 90 € angebotene Wein „nur“ eine Auslese ist, also sogar 2 Qualitätsstufen unter der hier diskutierten Trockenbeerenauslese liegt. Was an meiner Einschätzung eines angemessenen Preises nichts ändert, nur meine Achtung für den Mut des Händlers noch etwas steigert …
Hallo,
hier wurde ja schon alles Wesentliche gesagt - leider nicht gerade die Voraussetzung für einen hohen Erlös bei einer Weinauktion!
Eine Chance wäre noch die Vermarktung als Geschenk für jemanden. der 1959 geboren ist.
Also zum 56. oder 57. Geburtstag.
Viel Glück, Heinz
Ich würde den Wein im Notfall für einen kalten Winter aufheben… so fürs Auto.
Hallo R.,
sicherlich muss man hier ein bissle differenzieren und nicht den Stab so in Bausch und Bogen brechen wie ich es getan habe - auch wenn ich „dort“ nicht auf das Gebiet, sondern auf die Firma Pieroth bezogen haben wollte. In der Tat geht auch „oben“ bei Alzey nicht alles in dem grässlichen Sybillinenstein unter: Mit der Saulheimer Hölle hatte ich ja schon sachte gewunken.
Ja, der ganz außergewöhnliche Jahrgang 1959 (der naheliegend viel populärer war als der 1945er, von dem wegen Krieg und Besatzung von vornherein nicht so sehr viel auf dem Markt war und nicht so sehr viel die Jahre überdauert hat) hat sein Teil dazu beigetragen, dass ungefähr dreißig Jahre lang in seiner Folge (vielleicht mit Ausnahme von 1971, 1975 und 1976) die Zuckerfabrik in Offstein ihr Auskommen hatte: Die wichtigste Eigenschaft eines deutschen Weißweins von der Mosel und von den linksrheinischen Gebieten zwischen Bingen und Weißenburg war für den allergrößten Teil der Verbraucher, dass er süß sein sollte.
Heute kann man als einen ganz groben Maßstab hernehmen, dass man Flaschen, die jetzt noch mit Etiketten des Stils versehen sind, den man auf dem Bild von Alchemax sehen kann, vorsorglich weiträumig umfahren sollte (falls sie nicht von einem Familienbetrieb kommen, wo man sich halt eher um Wingert und Keller als um die Gestaltung der Etiketten kümmert).
Der Zufall wollte es übrigens, dass der Ruländer, den ich vorsichtshalber genau wie diese Etiketten immer gemieden habe, weil ich mir es schlicht nicht zutraute, die Winzer zu finden, die ihn gut behandeln, grad gestern seine Ehrenrettung bei mir erfahren hat, und zwar beim Laurenz in Mainz, einer ziemlich neuen und recht angenehmen Adresse nicht weit von St. Bonifaz in der Neustadt gelegen: Dort wurde mir ein Grauer Burgunder vom Bischel aus Appenheim ans Herz gelegt, der großes Vergügen machte.
Auch wenn Du beim Laurenz auf der Karte Gut Hermannsberg und die anderen schönen Adressen an der Nahe schmerzlich vermissen wirst, schätze ich, der Schwerpunkt bei Laurenz „gute Adressen von Ingelheim bis Wonnegau“ wird Dich interessieren (vielleicht auch die Küche, in der zwar kein riesiges vegetarisches Angebot zubereitet wird, aber immerhin vegetarische Gerichte, die eigenständig sind - pas d’ersatz!; die geräucherte Aubergine im Linsencurry fand ich klasse). Die Weinproben bei Laurenz (leider unter „Events“ auf der HP, aber sei’s drum) sind recht schön, nicht nur zur Bekehrung eingefleischter „Immer-nur-Rheingau“-Fäns, sondern auch zur Erkundung verschiedener Handschriften verschiedener Winzer, die alle gemein haben, dass sie vom deutschen „im Keller optimierten“ Riesling, der sich im Lauf der letzten fünfzehn - zwanzig Jahre in vielen Fällen schon ein bissle arg ähnlich geworden ist, weg und wieder zur eigenen Handschrift und dem Charakter der eigenen Lage gegangen sind.
Schöne Grüße
MM
Das finde ich eine wunderbare Idee, Heinz.
1959 mag ein Jahrhundertwein gewesen sein, aber die Menschen, die in dem Jahr geboren wurden, also besonders die Frauen, die rechtsrheinischen ganz besonders …
Mein Geburtstag steht nächstes Jahr an.
Grüße
Siboniwe
Ei Hallo,
als Gebrtstaxwunsch ginge ich hier glaubich eher auf einen Armagnac des Jahrgangs - da gibt es keine negativen Überraschungen: Das Ärgste, was mit diesem passieren kann, ist, dass er doch kein so großes Orchester bietet, wie man erwartet hatte.
Schöne Grüße
MM
Servus,
eine 1959 Trockenbeerenauslese vom Alzeyer Galgenberg wurde unter jeder Garantie nicht mit Glykol versetzt. Erstens waren damals die Transportkosten für Wein aus Österreich nach Bingen viel zu teuer, als dass österreichischer Wein zum Verschneiden in Frage gekommen wäre. Außerdem gab es in diesem Jahrgang keinen Wein, den man durch Verschnitt mit Glykol hätte süßer und aromatischer hätte gestalten müssen.
Ein vager Zusammenhang mit den Ereignissen von 1985, knapp eine Generation später, besteht nur insofern, als der 1959er Jahrgang lange Zeit bei den Verbrauchern eine Art „Muster“ oder „Vorbild“ für deutschen Weißwein (insbesondere von den linksrheinischen Gebieten) galt.
Schöne Grüße
MM