Kernschmelze

Hallo w-w-w Experten!

Mich würde interessieren, was der Unterschied zwischen einer
Reaktor Kernschmelze wie in Tschernobyl und einer
Atombombenexplosion ist. Soviel ich weiß, wird in einem Reaktor
die Kettenreaktion durch einen Moderator (Graphit?) gebremst. Was
ist z.B. in Tschernobyl dann passiert? Warum ist dort nicht eine
Art Atombombe explodiert? Wie konkret ist die Gefahr des
China-Syndroms?

Danke im Voraus,
Herbert

Mich würde interessieren, was der Unterschied zwischen einer
Reaktor Kernschmelze wie in Tschernobyl und einer
Atombombenexplosion ist. Soviel ich weiß, wird in einem Reaktor
die Kettenreaktion durch einen Moderator (Graphit?) gebremst.

Der Unterschied besteht im Wesentlichen in der Geschwindigkeit. Sowohl im Atommeiler, als auch in eiher Atombombe findet eine nukleare Kettenreaktion statt, bei der ein schnelles Neutron einen Kern spaltet und dabei zwei weitere schnelle Neutronen freisetzt.
In einer Atombombe wird dafür gesorgt, daß möglichst viele schnelle Neutronen im Spaltmaterial verbleiben und sich der Prozeß so schnell aufschaukelt, daß das gesamte Material durchreagiert, bevor es verdampfen kann, um eine möglichst hohe Energiefreisetzung in möglichst kurzer Zeit zu erreichen.
Bei einem Atomreaktor versucht man genau das Gegenteil. Dort werden mit den Moderatoren schnelle Neutronen abgefangen, um ein unkontrolliertes Aufschaukeln der Kettenreaktion zu verhindern.

Was ist z.B. in Tschernobyl dann passiert?
Warum ist dort nicht eine Art Atombombe explodiert?
Wie konkret ist die Gefahr des China-Syndroms?

Zu Tschernobyl gibt es ein Reihe sehr guter berichte im Netz, die sich detailliert mit dem zeitlichen Ablauf des Super-Gau befassen. Grundsätzlichn ist folgendes passiert:

Bei einem illegalen Experiment (bei dem nicht nur alle Sicherheitsbestimmungen mißachtet, sondern auch das automatische Sicherheitssystenm abgeschaltet wurde) kam es zu einem Ausfall des Kühlsystems, wodurch sich der Reaktorkern überhitzte. Als man das Külsystem wieder einschaltete floß Wasser in den mehrere tausend Grad heißen Reaktor, wodurch es sofort zu einer Dampfexplosion kam, die den Reaktor zerstörte. Da Wasser über 1000°C in Wasserstoff und Sauerstoff zerfällt, entstand dabei sehr viel Knallgas, welches in der Reeaktorhalle explodierte und das gesamte Gebäude wegsprengte.

Nach Ansicht einiger Experten war dies noch das kleinere Übel, denn wenn die Pumpen nur Sekundenbruchteile später eingeschaltet worden wären, hätte es zu einer echten Atomexplosion kommen können (vermutlich weil die Graphitstäbe im überhitzten Reaktor verbrannt und verdampft sind und die Kettenreaktion nicht mehr bremsen konnten). Diese Explosion wäre allerdings nicht miot einer Atombombenexplosion zu vergleich gewesen, weil die dafür nötige symmetrische Kompression des Spaltmaterials fehlte (deshalb ist es auch garnicht so leicht eine Atombombe zu bauen). Vielmehr wäre es zu dem gekommen, was die Atombombenexperten als Prädetonation bezeichnen. Die exponentiell anwachsende Kettenreaktion hätte den gesamten Reaktorkern explosionsartig verdampft. Durch die schnelle Expansion der Gase wäre die Kettenreaktion dann aber schnell wieder zum Stillstand gekommen. Im Vergleich zu einer Atombombe gleicher Größe wäre es also eine Atom-Verpussung gewesen, bei der allerdings mit einem Schlag Unmengen von radioaktivem Material in die Luft geblasen worden wäre.

Wenn die Feuerwehr übrigens nicht versucht hätte, den Brand zu löschen, hätten wir vermutlich nichts von der Katastrophe mitbekommen. Die Ferwehrleute hatten von Kernenergie keine Ahnung und wußten deshalb nicht, daß Wasser ein Accelerator für nukleare Kettenreaktionen ist. Mit ihrem Löschwasser haben sie die bereits zum Stillstand gekommene nukleare Kettenreaktion wieder richtig angeheizt und mit dem schell aufsteigenden Wasserdampf wurden die dabei entstehenden Spaltprodukte schön hoch in die Atmosphäre geblasen und konnten so bis nach Deutschland gelangen.

Die Gefahr eines China-Symdroms hat in Tschernobyl nicht bestanden, weil der Reaktor auf jeden Fall vorher explodiert wäre. Wenn der Reaktor sich aber ohne Explosion auf Schmelztemperatur erhitzt (beim Reaktortyp auf Three-Miles-Island soll das möglich gewesen sein), dann wäre dies nicht auszuschließen. In diesem Fall würde der flüssige Reaktorkern ind Grundwasser fließen und sich solange unter großemm Getöse in den Erdboden fressen, bis ihm das Spaltmaterial ausgeht.

Die Radioaktivität in Deutschland nach dem Super-GAU in Tschernobyl ist übrigens ein Kapitel für sich. So kann man mit Tschernobyl allein nicht erklären, warujm die Strahlenbelastung in der DDR geringer war als in der BRD (nach westlichen Messungen). Dies wird etwas verständlicher, wenn man bedenkt, daß es in Deutschland bei der Firma NUKEM zur selben Zeit offenbar einen schweren Plutoniumunfall mit mehreren Toten gegeben hat. Die Tschernobylkatastrophe kam da gerade Recht um dies erfolgreich zu vertuschen.

Hallo,

ich habe mal gelesen, dass das Kuehlsystem nicht abgeschaltet worden ist, sondern der Reaktor aufgrund des Experimentes nur mit 10% oder weniger Leistung betrieben wurde. Dadurch hat sich der Reaktor selbst im Luafe der Zeit vergiftet. Das ist eben die Panik, die die Reaktorbetreiber haben, wenn sie den reaktor abschalten. Den sie koennen ihn eigentlich nur sofort wieder anfahren oder in ein paar Monaten, wenn die Vergiftung ueber kurzlebige Spaltprodukte wieder abgeklungen ist. Hinzu kam, dass sie diese Vergiftungskonzentrationen wie Wellen im Reaktor ausbreiteten. In Bereichen oher Leistungsdichte wurden die Vergiftungen verbrannt, in Bereichen niedriger Leistung verstaerkt erzeugt. Dadurch fangen die Vergiftungen an zu wandern im Reaktor. Der Reaktor wurde also aufgrund der langen Zeit, mit der er nur bei 10% gefahren wurde sehr inhomogen und ueber Steuerstaebe schlecht kontrollierbar. Als dann wieder die Strombedarf-Anforderung hoeher wuerde, musste der Reaktor wieder auf 100% gefahren werden. In einigen Bereich schnellte die Leistung dann aber schnell ueber 100% und die Steuerstaebe wurden reingefahren. Allerdings hatten die Steuerstaebe einen Konstruktionsfehler. Denn sie enthielten am unteren Ende einen Grafitpuffer, der moderierend wirkte.

Es ging eigentlich deshalb schief, weil der Reaktor in gewissen Betriebssituationen eine positive Reaktivitaet hat, die dem BMK1000 nicht hatte, die deutschen schon. Das Wasser haette verdampfen duerfen -ware sogar besser gewesen, weil er ja grafitmoderiert ist- aber es haette nicht zur Explosion kommen duerfen.

ich habe mal gelesen, dass das Kuehlsystem nicht abgeschaltet

worden ist, sondern der Reaktor aufgrund des Experimentes nur
mit 10% oder weniger Leistung betrieben wurde.

ich bin mir nicht ganz sicher, glaube aber , dass das K"uhlsystem auf unter 10% gefahren wurde. Das Problem war, dass der Reaktor wieder hochgefahren wurde (da die STromkapazit"at ben"otigt wurde – Anordnung von oben). W"are er danach vom Netzt gegangen, w"are es evtl gar nicht passiert.

Im Grunde, war das Herabfahren des K"uhlsystems ein sinnvoller Versuch, da es das Verhalten eines Kernreaktors bei Stromausfall (= Ausfall des K"uhlsystems) simulieren sollte.
Eine laufende Kernreaktion bedeutet ja nicht instantanen Strom, da muss ja noch einiges getan werden.

michaela

Dies wird etwas verständlicher, wenn
man bedenkt, daß es in Deutschland bei der Firma NUKEM zur
selben Zeit offenbar einen schweren Plutoniumunfall mit
mehreren Toten gegeben hat. Die Tschernobylkatastrophe kam da
gerade Recht um dies erfolgreich zu vertuschen.

Davon habe ich noch nie etwas geh"ort. Hast du zu dieser Behauptung Links/Literaturhinweise?

vielen Dank

michaela

Davon habe ich noch nie etwas geh"ort. Hast du zu dieser
Behauptung Links/Literaturhinweise?

Wie wär’s damit: http://ourworld.compuserve.com/homepages/richterpeil…

Im Grunde, war das Herabfahren des K"uhlsystems ein sinnvoller
Versuch, da es das Verhalten eines Kernreaktors bei
Stromausfall (= Ausfall des K"uhlsystems) simulieren sollte.

Konkret sollte getestet werden, ob der Strom der auslaufenden Turbinen ausreicht, um die Pumpen des Kühlsystems zu betreiben, bis der Reaktor vollständig heruntergefahren ist.

Mich würde interessieren, was der Unterschied zwischen einer
Reaktor Kernschmelze wie in Tschernobyl und einer
Atombombenexplosion ist. Soviel ich weiß, wird in einem Reaktor
die Kettenreaktion durch einen Moderator (Graphit?) gebremst.

Bei einem illegalen Experiment (bei dem nicht nur alle
Sicherheitsbestimmungen mißachtet, sondern auch das
automatische Sicherheitssystenm abgeschaltet wurde) kam es zu
einem Ausfall des Kühlsystems, wodurch sich der Reaktorkern
überhitzte. Als man das Külsystem wieder einschaltete floß
Wasser in den mehrere tausend Grad heißen Reaktor, wodurch es
sofort zu einer Dampfexplosion kam, die den Reaktor zerstörte.
Da Wasser über 1000°C in Wasserstoff und Sauerstoff zerfällt,
entstand dabei sehr viel Knallgas, welches in der
Reeaktorhalle explodierte und das gesamte Gebäude wegsprengte.

Soweit einverstanden, ich kann mir aber vorstellen, daß die Wasserzersetzung (die eigentlich recht langsam verläuft) nicht das Hauptproblem war:
Graphit ist Kohlenstoff, und der reagiert bei den Temperaturen gerne mit Wasser. Das nennt man „Wassergasreaktion“, es bilden sich unter anderem CO, H2, CO2 und CxHy. Außer CO2 sind alle Gase brennbar, mit hin in Mischung mit Loft explosibel.
Daneben gibt es in Bereichen mit Temperaturen oberhalb ca. 950 °C und Anwesenheit von O2 und C noch die Reaktion von CO2 mit C zu 2 CO, ein Gleichgewicht, das nach einem Franzosen mit „B…“ benannt ist. Leider kann ich als Anglophiler den Namen nicht buchstabieren… :frowning:

Gruß
Bernd

Hallo Mr Stupid,

Dort
werden mit den Moderatoren schnelle Neutronen abgefangen, um
ein unkontrolliertes Aufschaukeln der Kettenreaktion zu
verhindern.

Nein. Der Moderator dient dazu, die schnellen Neutronen abzubremsen, weil schnelle Neutronen nicht in der Lage sind, U-235 zu spalten (U-235 hat einen relativ hohen Querschnitt fuer langsame Neutronen). Um die Kettenreaktion zu steuern werden cadmiumhaltige Staebe (manchmal auch Ketten) verwendet. Diese haben einen hohen Einfangquerschnitt fuer langsame Neutronen und entziehen diese dem Reaktorkreislauf.

Bei einem illegalen Experiment (bei dem nicht nur alle
Sicherheitsbestimmungen mißachtet, sondern auch das
automatische Sicherheitssystenm abgeschaltet wurde) kam es zu
einem Ausfall des Kühlsystems, wodurch sich der Reaktorkern
überhitzte. Als man das Külsystem wieder einschaltete floß
Wasser in den mehrere tausend Grad heißen Reaktor, wodurch es
sofort zu einer Dampfexplosion kam, die den Reaktor zerstörte.

Nun, der Betriebszustand beim Experiment war bekanntermasse instabil. Als es bei den Experimenten zu einer exponentiellen Leistungszunahme kam, reagierte die Manschaft schliesslich, indem sie die Notabschaltung aktivierte. In deutschen Reaktoren fallen dann die Cadmiumstaebe in den Reaktor, in Tsch. wurden sie elektrisch eingefahren. Das dauerte zu lange und …PENG

Da Wasser über 1000°C in Wasserstoff und Sauerstoff zerfällt,
entstand dabei sehr viel Knallgas, welches in der
Reeaktorhalle explodierte und das gesamte Gebäude wegsprengte.

Stimmt.

(vermutlich weil die Graphitstäbe
im überhitzten Reaktor verbrannt und verdampft sind und die
Kettenreaktion nicht mehr bremsen konnten).

Das Problem war, dass mit steigender Temp. die Kernreaktion exponentiell wuchs (ein Problem von graphitmoderierten Reaktoren). Das Graphit entzuendete sich, nachdem die Knallgasexplosion bereits das laeppische Dach demontiert hatte, und riss dann in den aufsteigenden Gasen die ganze Aktivitaet mit sich. In deutschen Reaktoren verdampft bei Ueberhitzung das Kuehlwasser, das gleichzeitig als Moderator dient. Da der Moderator noetig ist, die Reaktion aufrecht zu erhalten, kommt hier die Kettenreaktion zum Erliegen. Nicht so in Tsch. wo das Graphit als Moderator eben nicht verdampft ist.

Die Gefahr eines China-Symdroms hat in Tschernobyl nicht
bestanden, weil der Reaktor auf jeden Fall vorher explodiert
wäre. Wenn der Reaktor sich aber ohne Explosion auf
Schmelztemperatur erhitzt (beim Reaktortyp auf
Three-Miles-Island soll das möglich gewesen sein), dann wäre
dies nicht auszuschließen. In diesem Fall würde der flüssige
Reaktorkern ind Grundwasser fließen und sich solange unter
großemm Getöse in den Erdboden fressen, bis ihm das
Spaltmaterial ausgeht.

Immerhin hat sich der Kern (aus Graphit und Spaltmaterial) ziemlich weit durch die Betonplatte im Boden gefressen! Auch hier spielt wieder das Graphit als Moderator eine Rolle, das sich mit der Kernschmelze vermischt, und auch in diesem Zustand noch in der Lage ist, die Neutronen zu bremsen und damit eine Kettenreaktion aufrecht zu erhalten.
Erst die Verduennung der Schmelze durch Fremdmaterial und das Ueberschuetten der Kernschmelze mit borhaltigem Material fuehrte dazu, dass die Reaktion zum Erliegen kam. Bor hat in diesem Zusammenhang die gleiche Wirkung wie Cadmium: Es faengt die langsamen Neutronen ab.

Gruss, Niels

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Soweit einverstanden, ich kann mir aber vorstellen, daß die
Wasserzersetzung (die eigentlich recht langsam verläuft) nicht
das Hauptproblem war:

Da gibt es aber noch die Van’t Hoffsche Regel, nach der die Geschwindigkeit einer chemischen Reaktion bei einer Temperaturerhöhung von 10K sich um den Faktor zwei bis drei steigt. Nach dieser Faustregel würde sich das Gleichgewicht bei 2000°C ca. 2100 mal so schnell einstellen, wie bei 1000°C. Man darf also davon ausgehen, daß die thermische Dissoziation des Wassers am mehrere tausend Grad heißen Reaktorkern alles andere als langsam war.

Graphit ist Kohlenstoff, und der reagiert bei den Temperaturen
gerne mit Wasser. Das nennt man „Wassergasreaktion“, es bilden
sich unter anderem CO, H2, CO2 und CxHy. Außer CO2 sind alle
Gase brennbar, mit hin in Mischung mit Loft explosibel.

Bist Du sicher, daß sich das Wassergasgleichgewicht so viel schneller einstellt, als das Gleichgewicht der thermischen Dissiziation des Wassers?

Daneben gibt es in Bereichen mit Temperaturen oberhalb ca. 950
°C und Anwesenheit von O2 und C noch die Reaktion von CO2 mit
C zu 2 CO, ein Gleichgewicht, das nach einem Franzosen mit
„B…“ benannt ist. Leider kann ich als Anglophiler den Namen
nicht buchstabieren… :frowning:

Der gute Mann hieß Boudouard :o)

Da gibt es aber noch die Van’t Hoffsche Regel, nach der die
Geschwindigkeit einer chemischen Reaktion bei einer
Temperaturerhöhung von 10K sich um den Faktor zwei bis drei
steigt. Nach dieser Faustregel würde sich das Gleichgewicht
bei 2000°C ca. 2100 mal so schnell einstellen, wie
bei 1000°C. Man darf also davon ausgehen, daß die thermische
Dissoziation des Wassers am mehrere tausend Grad heißen
Reaktorkern alles andere als langsam war.

Bei mehreren tausend Grad: Einverstanden.

Bist Du sicher, daß sich das Wassergasgleichgewicht so viel
schneller einstellt, als das Gleichgewicht der thermischen
Dissiziation des Wassers?

Nö, nicht zwingend schneller, aber vernachlässigen würd´ ichs nicht !

Der gute Mann hieß Boudouard :o)

DANKE !! *komischesprachenlern*