In aller Bescheidenheit: Warum hat eigentlich (m.W.) noch
niemand folgendes Theorem in entsprechender Prägnanz
formuliert?
Das wird wohl unter anderem (wenn nicht gar vor allem) daran liegen, dass es eine unendliche Vielzahl von „Gemeinschaften“ gibt (Fanclub, Relgionsgemeinschaft, Kaninenzüchterverein, Staat, Mafia, Kapitalgesellschaft, Krabbelgruppe, völkerrechtlich verbundene Staatengemeinschaft, anonyme Alkoholiker, Terrorgruppe, Arbeitgeberverband, politische Partei, usw.), von denen jede ihre ganz eigenen Gesetzmäßigkeiten und Mechanismen hat, die sich von denjenigen der anderen durchaus fundamental unterscheiden können. „Theoreme“, die für alle diese Gemeinschaften gleichermaßen Geltung beanspruchen können, sind daher entweder so banal, dass sie keiner Erwähnung wert sind, oder aber nicht möglich.
1.) Die Funktions- und damit letztlich Existenzfähigkeit einer
Gemeinschaft beruht unerläßlich auf der Bereitschaft ihrer
Mitglieder, zugunsten der Gemeinschaft Abstriche an ihren
eigenen Interessen hinzunehmen.
Eine Lage, in der ein einzelnes Mitglied „zugunsten der Gemeinschaft“ Abstriche an eigenen Interessen hinnehmen muss, ist nur dann denkbar, wenn die Interessen der Gemeinschaft sich mit denjenigen des Mitglieds nicht decken.
Für das Bestehen und Funktionieren (irgend-)einer „Gemeinschaft“ genügt jedoch, dass sich mehrere Personen mit gleichgerichteten Interessen zusammenfinden, um diese Interessen gemeinsam zu verwirklichen. Die Interessen einer solchen Gemeinschaft sind in diesem Fall nichts anderes als die Gesamtheit der Interessen ihrer Mitglieder; erstere sind mit anderen Worten mit letzteren notwendigerweise identisch. Eine Situation, in der die Interessen der Gemeinschaft denjenigen des Mitglieds entgegenlaufen, ist nicht denkbar. Die Bereitschaft, Abstriche an eigenen Interessen hinzunehmen, ist daher weder für das Funktionieren noch das Bestehen dieser Gemeinschaft notwendig.
Natürlich gibt es auch Gemeinschaften, bei denen die Identität der Gemeinschaftsinteressen mit den Individualinteressen sämtlicher Mitglieder nicht gewährleistet ist. Das sind meist solche, in denen Zwangsmitgliedschaft besteht (z.B. IHK, berufsständische Versorgungswerke, usw.) oder bei denen das Mitglied auf sein Mitgliedsein aus anderen Gründen wenig bis gar keinen Einfluß hat (z.B. Staat und Staatsangehörigkeit). Derartige Gemeinschaften zeichnen sich meist dadurch aus, über Durchsetzungsmechanismen zu verfügen, die es ihnen ermöglichen, das Gemeinschaftsinteresse gegenüber dem Mitglied auch dann durchzusetzen, wenn das Mitglied gerade nicht bereit ist, Abstriche an seinen eigenen Interessen zu machen. Auch bei diesen Gemeinschaften kommt es daher auf die Kompromißbereitschaft des Mitglieds nicht an.
2.) Die Bereitschaft, im Interesse der Gemeinschaft
zurückzustecken, ist unmittelbar korreliert zu der eigenen
Identifikation mit der Gemeinschaft.
Identifikation ist weder notwendige noch hinreichende Voraussetzung für Kompromißbereitschaft des einzelnen zum Vorteil der Gesellschaft.
Es gibt Kompromißbereitschaft ohne Identifikation, dann nämlich, wenn die persönliche Kosten-Nutzen-Rechnung des Mitglieds ergibt, dass die Vorteile seiner Mitgliedschaft deren Nachteile auch im Falle eines Zurückstellens eigener Interessen weiterhin überwiegen.
Und es gibt Identifikation ohne Kompromißbereitschaft. So gibt es beispielsweise viele Menschen, die sich mit „Deutschland“ identifizieren (man denke an die letzte Fußball-WM). Dennoch sind nur wenige von ihnen bereit, auf die nächste Renten- oder Gehaltserhöhung zu verzichten oder 10% mehr Steuern zu zahlen, obwohl das für die Gemeinschaft sicherlich fein wäre.
Conclusio: Wer versucht, einen Keil zwischen eine Gemeinschaft
und ihre Mitglieder zu treiben, zielt auf die Vernichtung der
Gemeinschaft ab.
Das ist eine Binsenweisheit, für die es kein Theorem braucht (und die sich nebenbeibemerkt auch nicht aus vorstehendem „Theorem“ ableiten läßt). Wer eine Gesamtheit in ihre Bestandteile zerlegen will, bewirkt damit zwingend die Zerstörung der Gesamtheit. Oder deutlicher, wer ein Kaninchen in der Mitte durchschneiden will, beabsichtigt die Vernichtung des Kaninchens.
Ist hier jemand in der Lage, dies zu widerlegen?