Kind hatte Unfall - Warum suchen Eltern akribisch nach Verantwortlichen?

Ich erfuhr gerade das auf einem Festival wo ich letztes Jahr (als Besucher) war und einen Spiel- und Schaukel-Baum für Kinder errichtet hatte ein Kind runter fiel und den Arm gebrochen hatte.
Die Festival Leitung hatte riesen Stress vor den Eltern zu beweisen das sie diese Schaukeln nicht aufgehängt hatten sondern „jemand anderes“. Das bewegte mich, endlich mal diese Frage zu stellen:

Warum suchen Eletern heute in solchen Fällen so oft nach Verantwortlichen (was früher wohl nicht so war!).
Worum geht es da genau? Schmerzensgeld?
Dem Kind kann auch der „Verantwortliche“ die Schmerzen nicht nehmen…
Kann mir das mal jemand erklären aus welchen Gründen da so oft ein Verantwortlicher gesucht wird ?

Soweit ich weis haben die Menschen vor 30,40,50, Jahren Unfälle eher einfach „hingenommen“ als man das heute tut. Wenn ein Kind wo vom Baum gefallen ist dann ist das eben einfach passiert…


Ferner passt dazu auch mein Thread:


Hier geht es um Haftung, Ängste, Hysterien, Gesetzesverschärfungen, Überbehütung von Kindern und das Kinder deswegen heute kaum noch „echte“ Abenteuer erleben. Dh. alleine rausgehen, sich Spielraum selbst + eigenverantwortlich erschließen. Und dazu gehören eben „Gefahren“ mit dazu.

1 Like

Wir suchen doch - fast alle- immer nach einer Begründung, egal um was es geht.
Wenn wir krank werden- und sei es nur in Infekt- geht die innere Suche los „wo hab ich mich denn angesteckt?- im Bus, in der Bahn…neee der Kollege hat mich doch angesteckt!“…usw.

Ich glaube, darin liegt der tiefe Wunsch des Menschen nach Sicherheit.
Wir reden hier von einem Grundbedürfnis, welches für das Lebensgefühl eine immense Rolle spielt.

Wenn das eigene Kind einen Unfall hat, entsteht ein großes Gefühlscocktail in den Eltern.
Angst, Schreck, Sorge, Fürsorge und der Wunsch nach Arterhaltung und der spürbare Kontrollverlust über das Kind (der sich gerade bewiesen hat), sind schwer zu ertragen und auszuhalten.

Gerade dieses Aushalten (und man muss sagen, dass diese ganzen Gefühle sich wirklich schlimm anfühlen) ist kaum machbar und so sucht man eben einen „Schuldigen“.
(das kennen wir doch alle schon im alltäglichen Ärger- „ich ärgere mich, weil du…getan hast“- kennen wir alle :wink:)

Es geht uns besser, wenn wir einen Schuldigen haben- und manchmal gibt es den ja tatsächlich.

Ob es immer um Schmerzensgeld geht, weiß ich nicht.
Es ist aber eine tief in uns liegende Verhaltensweise, dass wir Situationen als Bedrohung erleben und dann gegen diese Bedrohung vorgehen wollen.

Damit das sich nicht wiederholt, ist sicher einstimmig eine gute Motivation (falls so eine Schaukel tatsächlich sehr gefährlich angebracht war).
Wenn es nur von der eigenen Angst ablenken soll- wird es schwierig und vermutlich sind solche Menschen auch hartnäckiger im Verfolgen…Angst ist ein sehr unschönes Gefühl.

Zum Thema Haftung, was sicher inzwischen manch seltsame Richtung genommen hat - sei jedoch auch angemerkt, dass das bei Spätfolgen oder schweren Verletzungen tatsächlich eine große Hilfe und Unterstützung für den Betroffenen sein kann.

Vielleicht um Schmerzensgeld. Vielleicht auch um das eigene schlechte Gewissen, weil man das Kind nicht entsprechend den eigenen Ansprüchen (und die steigen im Laufe der Jahre wohl an) vor den Gefahren beschützt hat.

Ja, und damit bekommen die Kinder dann viel Freiheit weggenommen. In den USA gibt es eine „Bewegung“, die ihre Kinder unbegleitet tatsächlich aus dem Haus gehen lassen - und genügend Leute, die das unverantwortlich finden.

Da spielen sicher viele Dinge eine Rolle, überhöhte Erwartungshaltung an die Eltern, generell die (technischen, beruflichen, …) Möglichkeiten, Kinder vermeintlich immer unter Kontrolle zu haben.

Amen!

Ich fürchte, das Problem ist, dass einerseits zu jedem anständigen Unfall viele Faktoren beitragen, wir Menschen aber andererseits so funktionieren, dass wir „einen Schuldigen“ haben wollen.

Stell Dir doch mal diese Situation vor:

  • „irgendjemand“ stellt auf nem Festival-Gelände einen Spiel- und Schaukelbaum auf (schuldig?)
  • der Fesivalbetreiber bemerkt das nicht (oder ignoriert das oder findet’s gut) (schuldig?)
  • niemand hat das Spielgerät auf mögliche Gefahren / Defekte geprüft (Betreiber? Aufsteller? Grundstückseigentümer?)
  • die Eltern haben nicht gepüft, ob diese Prüfung (siehe oben) vorliegt (schuldig?)
  • das Kind nutzt dieses Spielgerät - und überschätzt sich vielleicht ein bisschen (völlig normal, würde ich sagen…)
  • die Eltern haben das Kind davon nicht abgehalten (schuldig?)

Natürlich kann es sein, dass das Kind nur „ganz normal“ gespielt hat und der Ast morsch war (oder was auch immer) - aber Du merkst schon, an dem einen oder anderen Punkt in dieser erfundenen (ich kenne nur die Fakten aus Deiner Schilderung, den Rest habe ich mir ausgedacht!) Unfallkette könnte man auch den Eltern eine gewisse „Schuld“ zuweisen. [Disclaimer: wissend natürlich, dass es im Elternalltag nicht möglich ist, Kinder jede Minute zu kontrollieren, dass die auf Zurufe „nicht so hoch / nicht so wild“ nicht immer wunschgemäß reagieren und dass kein Elternteil selber auf den Kletterbaum steigt, um ein TÜV-Siegel zu suchen oder morsche Äste zu finden, bevor das Kind da drauf darf].
Und „schuld sein“ am Aua des eigenen Kindes möchte man halt als Elter von Welt nur sehr ungern - darum sucht man halt einen „externen“ Schuldigen. In dem Fall vermutlich den Aufsteller dieses Spielgeräts.

Aber da Du auf Dein früheres Posting verweist „das ist die letzten 50-100 Jahre gut gegangen“ - natürlich sind wir heldenhaften Kinder der 70er ohne Helm geradelt, auf Bäume geklettert und haben Höhlen erfoscht. Aber natürlich sind wir ohne Helm vom Rad gefallen, von Bäumen gepurzelt und haben uns in den Höhlen verlaufen. Und nicht immer ist’s „gut gegangen“. Nur diejenigen, bei denen das halt „nicht gut gegangen ist“, nun die können hier nimmer schreiben, weil sie möglicherweise tot sind oder sabbernd im Rollstuhl rumhocken…

Zusätzlich zu den genannten Gründen könnte auch ein finanzieller Schaden eine Rolle spielen - wenn vielleicht auch nicht in dem genannten Fall.
Beispiele:

  • Die Familie kann eine teure Urlausreise nicht antreten. Die
    Reiserücktrittsversicherung übernimmt nur einen Teil der Kosten.

  • Einem Kind werden durch einen Unfall zwei bleibende Vorderzähne
    ausgeschlagen.
    1.) Die Krankenkasse bezahlt nur die billigsten Implantate, die Eltern möchten eine bessere Lösung.
    2.) Da der Kiefer noch wächst, muss die „Reparatur“ in einigen Jahren
    nachgebessert oder sogar komplett wiederholt werden. Die Krankenkasse will diese Kosten nicht übernehmen.

Aus meiner Sicht verständlich ist die Suche nach dem Verantwortlichen dann, wenn der Unfall eben nicht einfach beim Spielen passiert ist.

Grüße
Dirk

„In solchen Fällen“? „So oft“? „Was früher nicht so war“ bzw. „Was früher wohl nicht so war“? Geht’s noch unpräziser bzw. mit noch mehr Vermutungen und Verallgemeinerungen?

Im übrigen: die Suche nach dem Warum, Wieso, Woher und Wohin hat Milliarden von Menschen in die Hände von sogenannten Religionen geführt. Wenn das eigene Kind und vielleicht auch noch das eigene Geld betroffen ist, dann wird die Suche nach dem Wieso und Warum u.U. nachvollziehbarerweise noch etwas intensiver und konkreter.

Und bei allem Wunsch nach Verallgemeinerung: es handelt sich hier um einen Einzelfall.

Hallo Dirk,
ich habe den „Daumen nach unten“ gesetzt, bin aber der Meinung, dass ich das auch begründen sollte.
Deine Meinung/Aussage ist leider so nicht richtig.
Die Krankenkasse (GKV) zahlt nicht nur die billigsten Implantate sondern zahlt überhaupt nicht für Implantate.
Demzufolge scheidet dann auch eine entsprechende Nachversorgung mit Implantaten aus, nicht allerdings die Versorgung mit normalem Zahnersatz unf/oder einer kieferorthopädischen Behandlung.

Ansonsten bin ich deiner Meinung.
Gruss
Czauderna

Wie kommst Du eigentlich zu diesem Urteil? Hast Du eine repräsentative Umfrage zur Hand, stützt Du Dich auf einzelne Beobachtungen oder ist das nur so ein Gefühl? Wie sahen „früher“ denn Abenteuer aus und wo fanden die statt? In den Großstädten? Auf’m Dorf? Auf’m Bauernhof?

Und zum Thema früher: früher ist man mit dem Auto mit verbleitem Benzin, aber dafür ohne Katalysator in den Wald gefahren und hat dort sein Altöl in den Bach gekippt und zwar direkt neben dem Kühlschrank mit FCKW, den der Nachbar eine Woche zuvor dort abgeladen hat.

Früher war nicht alles besser oder gar gut.

Du hast den Kern meiner Aussage nicht verstanden. Deine Abwertung wegen eines für die Kernaussage unerheblichen Details finde ich daneben.

Es ging in meinen Beispielen darum, Beweggründe für das Suchen nach Verantwortlichen zu nennen.

Die Abgrenzung Implantat/Zahnersatz überlasse ich den Fachleuten - wir sind ja auch im Brett „Kindererziehung“ und nicht in „Dentisten“. Aber wenn es so ist, wie du schreibst, entstehen der betroffenen Familie doch noch viel höhere Kosten.
Diese Kosten könnten ein Grund dafür sein, einen Verantwortlichen zu finden, der das ganze bezahlt.

Grüße
Dirk

2 Like

Hallo Dirk,
sorry - ich hätte ja selbst den Daumen weggemacht - ging aber nicht mehr, deshalb auch der Versuch einer Erklärung. Als ehemaliger Krankenkassenmitarbeiter war ich sozusagen berufsbedingt zum Widerspruch
„gereizt“ worden - hätte ich mr ersparen sollen - sorry, wollte dir nicht zu nahe treten. Der Daumen ist ja auch inzwischen weg.
Gruss
Czauderna

und ich denke, genau hier ist der Kern zu suchen:

das bezahlen…
Dieses Vollkasko-Denken, dass (gerade bei Kindern) alles von anderen Ersetzt werden muss…
Zweischneidiges Schwert: einmal der Gedanke, dass man was Gutes tut aber nicht „fachmännisch“ genug…
Dass bei sowas nicht „der hat es nicht ‚böse‘ gemeint, also wird er nicht behelligt“ entschieden wird, sondern u.U. voll haftet.

Ganz weit hergeholt: ich spiele nicht mehr mit „nicht eigenen Kindern“ - ein Bekannter (alkoholisiert/nicht aber besoffen) von mir hat beim Tischtennis des Nachbar Jungen am Auge erwischt… bleibender Schaden. Er darf zahlen

LG
Ce

Es geht nicht um die Böswilligkeit, sondern darum, ob vorsätzlich oder fahrlässig gehandelt wurde und im Falle Deines Bekannten war die Antwort darauf anscheinend „ja“, was mich auch wenig überrascht. Wenn man über drei Meter hinweg einen Schaden am Auge mit einem Tischtennisball zugefügt hat, muß man diesen ganz schön kräftig geschlagen haben, weil sonst erstens der Lidreflex funktioniert hätte und zweitens der Ball über die Entfernung nicht genug Impuls gehabt hätte, um eine Verletzung mit dauerhaften Folgen zu verursachen.

Versteht sich von selbst, daß man für die Folgen eines solchen tätlichen Angriffs finanziell gerade steht - auch wenn man nicht böswillig gehandelt, sondern „nur“ im Halbsuff aus Spaß mal volle Elle draufgehauen hat, weil es gerade so witzig war.

2 Like

schon mal was von einem Doppel gehört?

und ja, wie Du so schön anmerkst; HALBSUFF … versuch da mal halbwegs anständig Tischtennis zu spielen. Ding der Unmöglichkeit… aber eben das war denn schon „fahrlässig“… und was da sonst noch alles beigezerrt wird, dass da ein „Zahler“ entsteht?
Irgendwie warst Du selbst noch nicht in so einer Situation - sei froh und glücklich darüber… denn auch ein noch so besonnener Mensch KANN in sowas reingeraten

1 Like

Es ist doch ganz einfach: ein Schaden entsteht. Frage: wer muß dafür aufkommen? Derjenige, dem der Schaden zugefügt wurde oder der, der den Schaden verursacht hat? Darüber haben sich Gesetzgeber und Rechtsprechung viele, viele Gedanken gemacht und herausgekommen sind dabei §823 BGB und ganz viele Urteile, in denen darüber entschieden wurde, was denn wohl vorsätzlich und was fahrlässig ist. Fahrlässig handelt danach jemand. der die „erforderlichen Sorgfalt außer acht läßt“. Und nicht nur das: er muß auch Alternativen zum fraglichen Handeln gehabt haben.

Im konkreten Fall war es wohl vermutlich so, daß dem Verursache die alkoholischen Getränke nicht untergeschoben wurden und er sich auch über die berauschende Wirkung des Alkohols im Klaren war. Also hätten die Alternativen darin bestanden, nicht zu trinken oder nicht zu spielen.

Aber weil Du es ja anscheinend so unfair findest, daß der Verursache zahlt: wer hätte denn sonst zahlen sollen: die Eltern des Geschädigten? Die Krankenkasse und damit die Mitglieder der Krankenkasse des Geschädigten? Der Hersteller des Tischtennisschlägers?

Manchmal ist es doch irgendwie ganz einfach.

Die Frage ist doch, ob Du Dir vorstellen kannst, in so einer Situation zu sein - und damit meine ich das Kind, die Eltern und die Krankenkasse. Meinst Du im Ernst, die Betroffenen klopfen dem Verursache auf die Schulter und sagen „ach, komm, mach Dir nichts draus. War ja nicht so schlimm; bleibt halt was am Auge zurück, nur weil Du dem Kind alkoholisiert ins Auge gehauen hast. Wir zahlen gerne für die Behandlung.“?

1 Like

In meinen Augen reagieren die Eltern hier über. Ich bin selbst Vater von zwei Kindern.Die genaue Antwort auf deine Frage wird dir hier wahrscheinlich keiner geben können.

Vielleicht ist ein Elternteil so geschockt gewesen und hat sich selbst dafür verantwortlich gemacht. Jetzt braucht es die Bestätigung, dass es nicht ihre/seine Schuld ist. Dadurch setzt die Person den Partner/in unter Druck und ein Teufelskreis entsteht. Weil jetzt schon zwei Personen beteiligt sind entsteht eine Eigendynamik. Natürlich ist das alles nur reine Mutmaßung.

Eventuell findest du die Antwort aber auch bei dir selbst. Was ist denn der Grund, dass du dir selbst so viele Gedanken über die Eltern und deren Verhalen machst?