Kindheit in Ost und West

Hallo,

die Sache mit den zwei deutschen Staaten ist nun zwar schon etwas vorbei, aber gibt es Nachwirkungen? Zwei deutsche Staaten bedeuteten zwei unterschiedliche Systeme mit eigenem Bildungs-, Wirtschafts- und Sozialsystem, und heute?

Nominell sind wir ein Staat, doch wie schaut es aus mit dem Fortbestand der Mauer, die mehr oder weniger sichtbar in den Köpfen doch noch vorhanden scheint? Im Jahre 13 nach der Wiedervereinigung - wie gleich sind die Chancen für Kinder und Jugendliche in Ost und West? Welchen Unterschieden welcher Art sind sie ausgesetzt?

Würde mich freuen, an Euren Reaktionen meine Beobachtungen überprüfen zu können.

Gruß sannah

perspektivlosigkeit
Hallo,

die Sache mit den zwei deutschen Staaten ist nun zwar schon
etwas vorbei, aber gibt es Nachwirkungen? Zwei deutsche
Staaten bedeuteten zwei unterschiedliche Systeme mit eigenem
Bildungs-, Wirtschafts- und Sozialsystem, und heute?

westmütter agieren im osten oft wie heilerziehungspfleger. sehr dominant, sehr präsent und sehr begrenzend. ihre vorgaben sind extrem konkret. so eng wie sie im osten sonst nur alleinerziehende mütter geben.

differenziert genug?

Nominell sind wir ein Staat, doch wie schaut es aus mit dem
Fortbestand der Mauer, die mehr oder weniger sichtbar in den
Köpfen doch noch vorhanden scheint? Im Jahre 13 nach der
Wiedervereinigung - wie gleich sind die Chancen für Kinder und
Jugendliche in Ost und West? Welchen Unterschieden welcher Art
sind sie ausgesetzt?

großfamilie hat im osten einen anderen beigeschmack. arbeitslosigkeit und sozialer abstieg sind hier dramatischer eingefärbt, weil das die derzeitige elterngeneration so vorher noch nicht kannte. du wirst im osten also mehr erwachsene mit verwundeten kinderaugen sehen und mehr vor der zeit gealterte kinder als im westen.

Gruß

Hallo,

Nominell sind wir ein Staat, doch wie schaut es aus mit dem
Fortbestand der Mauer, die mehr oder weniger sichtbar in den
Köpfen doch noch vorhanden scheint? Im Jahre 13 nach der
Wiedervereinigung - wie gleich sind die Chancen für Kinder und
Jugendliche in Ost und West? Welchen Unterschieden welcher Art
sind sie ausgesetzt?

Natürlich wirken sich die Erfahrungen und die Vergangenheit der Eltern auf die Erziehung und das Leben der Kinder und Jugendlichen aus. So denke ich, dass immer noch gewisse Standpunkte und eine damit verbundene unterschiedliche Realisierung in den Erziehungsstilen existieren.
Im Osten wird eine Berufstätigkeit der Mutter und damit verbundene Kinderbetreuung durch Kita/Hort immer noch als selbstverständlich angesehen bzw. allgemein mehr akzeptiert.
Es wird mehr Wert auf die Einhaltung von Regeln gelegt und nicht so sehr auf die uneingeschränkte Entfaltung der Individualität des Einzelnen.
Chancen? Hmm, die Chancen scheinen mir zur Zeit durch gesellschaftliche Realitäten geprägt, dh. berufliche Perspektive ist im Osten mangels Betrieben wesentlich schlechter als im Westen.

Beatrix
http://www.belzig-online.de

Hallo,
im Osten bekommen die Kinder wenigstens noch Norme und Werte vermittelt und tanzen nicht wie im Westen, bedingt durch die Antiautoritäre Erziehung, ihren Eltern auf dem Kopf herum. Im Osten dürfen die Frauen auch noch arbeiten weil es wie mein Vorredner schon Kitas, Hort, Kiga u.s.w. gibt. Und nicht so wie in Bayern, dass keine Frau einen Fulltime Job annehmen kann weil ihr Kind keinen Ganztagesplatz bekommt und zum Mittersöhnchen mutiert. Im Osten achten schulen viel mehr auf Ordnung und Sitte und natürlich auf eine gute Bildung. Habe ich selbst erfahren. In Bayern werden die Eltern erst benachrichtigt wenn das Kind mehrere Male gefehlt, HA u.s.w. hat. Im Osten wird das eher Konsequent verfolgt. Die Prüfungen wie etwas Realschulabschluss oder Abitur sind zudem auch härter im Osten. Wer diese besteht kann wenigstens von sich behaupten er hat es geschafft.
Die Arbeitsverhältnisse im Osten sind nicht garade berauschend, da gibt es mehr Chancen i Westen. aber wer möchte dort schon gerne hin wenn einem der Chef sagt das er keine ossis mag und die dort hin gehen sollen wo sie her kommen und doch eigentlich froh sein können das sie durch die wessis ihre Bananen bekommen haben.

Hallo,

meine Erfahrung ist, dass die heutigen (Nachwende-)Eltern bei ihren Kindern sehr auf Leistung setzten.

Ein Beispiel: Meine Nichte ist vor zwei Jahren eingeschult worden. Nun ging es um die Frage: Noten geben oder nicht. Eigentlich werden Noten erst ab der 3.Klasse gegeben. Die Eltern wollten aber schon ab der 1.Klasse eine Benotung. Jetzt gibt es zum Halbjahresabschluss einen extra Zettel, wo die Eltern die Noten der Kinder erfahren können.

Als es bei mir damals (1993)um die Frage Gymnasium oder Realschule ging, lautete die Antwort Gymnasium, da das Abitur „einem die Welt öffnet“. Heute studiere ich an der Uni und habe zwei Jobs. Trotzdem glauben meine Eltern, dass ich nicht genug tue, da ich meine Zeit am Cumputer „verschwende“ und mit meinem Freund in den Urlaub fahre. Denn: „Lehrjahre sind keine Herrenjahre“. Die Angst arbeitslos zu werden, ist groß.

Das Zweite mit dem ich mich, immer wenn ich nach Hause fahre, auseinandersetzten muss, ist diese Niedergeschlagenheit.
Mein Bruder zum Beispiel ist als Dachdecker eigentlich ein gefragter Mann, aber nur von Frühling bis Herbst. Im Winter ist er arbeitslos. Er wird jeden Herbst gekündigt, ohne eine inoffizielle geschweigedenn eine offizielle Zusage für eine Anstellung im Frühling zu bekommen. Das geht jetzt schon ein paar Jahre so.

Man kann noch weitere Beispiele finden. Alle laufen auf das Thema Arbeit hinaus. Die Angst vor Arbeitslosigkeit ist sehr groß.

Nominell sind wir ein Staat, doch wie schaut es aus mit dem
Fortbestand der Mauer, die mehr oder weniger sichtbar in den
Köpfen doch noch vorhanden scheint?

Die wird bleiben und frühestens weg sein, wenn der letzte stirbt, der sich erinnert. Das finde ich persönlich aber nicht schlimm, man muß sich nur endlich darauf einstellen. Jeder Mensch wird vor allem in seiner Kindheit geprägt. Werte aber auch Vorurteile, die man ihm vermittelt hat, wird er Zeit seines Lebens mit sich rumschleppen. Dagegen könnte man sich zwar bewußt stellen…aber im Unterbewußtsein bleibt das erhalten. Es war ein fehler zu propagieren, daß in wenigen Jahren da keine Unterschiede bestehen würden. Eine deutsche Einheit kann doch aber ruhig aus vielen Unterschieden bestehen.

Im Jahre 13 nach der

Wiedervereinigung - wie gleich sind die Chancen für Kinder und
Jugendliche in Ost und West?

Die chancen wofür? Bei einer doppelt so hohen Arbeitslosenrate wie im Westen kann aus wirtschaftlicher Sicht natürlich nicht von einer Gleichheit der Chancen gesprochen werden. Ich glaube aber, daß ein ostdeutsches Kind, welches dann eine Lehre im Westen macht grundsätzlich schon die selben Chancen hat, wie ein westdeutsches Kind. Vielleicht sogar bessere, gelegentlich höre ich das man die Ostdeutschen konkret für fleißiger und dabe anspruchsloser hält, was durchaus für günstigere Möglichkeiten spräche…ob das aber belegbar ist???

Insgesamt ist die wirtschaftliche Situation natürlich auch für die Finanzierung von Ausbildung und Studium ein Handicap…ostdeutsche Eltern können da nicht das Gleiche leisten wie westdeutsche…statistisch wohlgemerkt, im Einzelfall mag sich das unterscheiden.

Welchen Unterschieden welcher Art
sind sie ausgesetzt?

Ich denke ostdeutsche Kinder werden derzeit noch anders erzogen. Natürlich geben auch heutige Mütter und Väter Werte mit, die sie selber vermittelt bekamen…der Wunsch nach sozialer Gerechtigkeit (was immer das auch sein mag) dürfte etwas ausgeprägter sein. Außerdem vermute ich, daß soziale Abgrenzungen (noch!!) weniger stark ausgeprägt sind. Teamfähigkeit würde ich eher bei ostdeuschen Kindern vermuten, dies vielleicht zu Lasten einer gesunden Portion Egoisimus. Ostdeutsche Eltern versuchen möglicherweise auch ihr Kind gesellschaftskonformer zu erziehen als westdeutsche (Motto, nur nicht auffallen).

Die Kinder müssen sich natürlich auch andere Lieder anhören und kriegen u.U. Bücher vorgelesen, die westdeutsche Eltern nicht kennen. Na und den Abendgruß haben sie wohl noch alle zu sehen bekommen.

Ansonsten…Kirche spielt eine untergeordnete Rolle, Berufstätigkeit von Frauen ist völlig normal und wird selten in Frage gestellt, Familie wird vielleicht nicht als ganz so heilig angesehen, dafür steht dann auch oft ein Freundeskreis als ‚Ersatz‘. Ob das nun in jedem Fall als Unterschied zu werten ist? Man müßte beide Realitäten kennen und vor allem erlebt haben um hinter wirkliche Unterschiede zu kommen.

Würde mich freuen, an Euren Reaktionen meine Beobachtungen
überprüfen zu können.

Und welche Beobachtungen hast Du wie und wann gemacht?

Gruß Maid :wink:

großfamilie hat im osten einen anderen beigeschmack.
arbeitslosigkeit und sozialer abstieg sind hier dramatischer
eingefärbt, weil das die derzeitige elterngeneration so vorher
noch nicht kannte.

Ist wohl war.

du wirst im osten also mehr erwachsene mit
verwundeten kinderaugen sehen und mehr vor der zeit gealterte
kinder als im westen.

Schön gesagt.

Gruß sannah

Hallo,

Natürlich wirken sich die Erfahrungen und die Vergangenheit
der Eltern auf die Erziehung und das Leben der Kinder und
Jugendlichen aus.

Klar, das findet sich kulturell wie national wie individuell.

Im Osten wird eine Berufstätigkeit der Mutter und damit
verbundene Kinderbetreuung durch Kita/Hort immer noch als
selbstverständlich angesehen bzw. allgemein mehr akzeptiert.

Ist oftmals sogar nötig (wenn überhaupt möglich), um die wirtschaftliche Existenz der Familie zu sichern. Vor allem finde ich hier mehr Familien, in denen beide Eltern arbeiten, als in Westdeutschland.

Es wird mehr Wert auf die Einhaltung von Regeln gelegt und
nicht so sehr auf die uneingeschränkte Entfaltung der
Individualität des Einzelnen.

Hm, sehe ich nicht unbedingt so. Aber vielleicht sind bei den mir bekannten Gleichaltrigen die Zeiten vorbei, in denen sie Regeln einhalten mussten?

Chancen? Hmm, die Chancen scheinen mir zur Zeit durch
gesellschaftliche Realitäten geprägt, dh. berufliche
Perspektive ist im Osten mangels Betrieben wesentlich
schlechter als im Westen.

Tja, wirtschaftspolitisch scheint der Zug für viele abgefahren zu sein. Oder anders: Kommt der Aufschwung, wenn ja, wann?

Gruß sannah

Hallo

im Osten bekommen die Kinder wenigstens noch Norme und Werte
vermittelt und tanzen nicht wie im Westen, bedingt durch die
Antiautoritäre Erziehung, ihren Eltern auf dem Kopf herum.

Würdest Du das wirklich als eine Ost-West-Spezifik betrachten?

Die Prüfungen
wie etwas Realschulabschluss oder Abitur sind zudem auch
härter im Osten. Wer diese besteht kann wenigstens von sich
behaupten er hat es geschafft.

Und was ist mit dem hochgepriesenen bayrischen Abitur? Meiner Meinung nach nehmen sich die Bundesländer in Hinblick auf die Bestehbarkeit des Abiturs mit einigen Ausnahmen nicht viel.

wenn einem der Chef sagt das er
keine ossis mag und die dort hin gehen sollen wo sie her
kommen und doch eigentlich froh sein können das sie durch die
wessis ihre Bananen bekommen haben.

Wie schön, die Mauer gibt es doch noch…

Gruß sannah

Hallo Sabine,

wenn ich Dich richtig verstanden habe, sind wir beide nach dem ABitur in unterschiedliche Himmelsrichtungen gegangen.

Die Angst arbeitslos zu werden, ist groß.

Und dominiert das Denken. Stimmt, das ist auch ein Phänomen, dem ich immer wieder begegne. Manche richten sogar ihr Studium darauf ein. Nicht wünschenswert ist allerdings die Nebenerscheinung, dass das Abitur inflationär erworben wird. Doch das ist wiederum ein gesamtdeutsches Phänomen.

Danke für Deinen Beitrag.

Gruß sannah

Meine Güte, was für ein Posting. *g*

Musste aber dabei feststellen, dass wir in vielen Dingen ähnlich beobachtet/ bewertet haben.

Eine deutsche Einheit kann doch aber ruhig aus vielen Unterschieden
bestehen.

Ja, aber auf keinem anderen Unterschied wird so sehr bestanden. Man hat sich quasi mit der Multikulti-Gesellschaft abgefunden, will dabei aber nicht wahrhaben, dass es diesen kulturellen Unterschied auch zwischen denen gibt, die doch bekanntermaßen „ein Volk“ sind.

Tja, eine Lehre ist Voraussetzung für Erfolg, wenn es mit dem Studium schon nicht klappt. Und die Angst vor wirtschaftlichem Versagen ist im Osten der Republik doch um einiges größer und vor allem gegenwärtiger.

Vielleicht sogar bessere, gelegentlich
höre ich das man die Ostdeutschen konkret für fleißiger und
dabe anspruchsloser hält, was durchaus für günstigere
Möglichkeiten spräche…ob das aber belegbar ist???

Hält „man“ das? Ist aber wohl eher nicht belegbar…

Teamfähigkeit würde ich eher bei ostdeuschen Kindern vermuten,

Ist auch mein Eindruck. Vor allem besteht wirklich der Wunsch danach.

dies vielleicht zu Lasten einer gesunden Portion Egoisimus.

Die Egoisten gibt’s wohl hüben wie drüben. Falls Egoismus= Selbstwertgefühl, dann mag ein Mangel darin wohl auch mit daran liegen, dass in der Öffentlichkeit immer noch das Bild vom faulen Ossi kursiert.

Und Kind von Eltern, die dem Sozialismus nachtrauern, möchte ich nicht sein. Da wird man zwangsläufig schizophren.

Ansonsten…Kirche spielt eine untergeordnete Rolle,

Aber die Kirchenarbeit, die hier erfolgt, ist, wenn sie erfolgt, um einiges inniger und intensiver als ich sie im Westen erlebt habe.

Berufstätigkeit von Frauen ist völlig normal und wird selten
in Frage gestellt,

Und auch wenn beide Eltern berufstätig sind, spricht niemand davon, dass das arme Kind so vernachlässigt wird.

Familie wird vielleicht nicht als ganz so
heilig angesehen, dafür steht dann auch oft ein Freundeskreis
als ‚Ersatz‘.

Hmmm, würde ich nicht so pauschalisieren wollen.

Ob das nun in jedem Fall als Unterschied zu
werten ist? Man müßte beide Realitäten kennen und vor allem
erlebt haben um hinter wirkliche Unterschiede zu kommen.

Meine Situation:
Aufgewachsen in der westdeutschen niedersächsischen Provinz, nach nunmehr etwas mehr als zwei Jahren Studium in Halle immer noch und wieder überrascht, wie immanent in manchen Bereichen die Unterschiede zwischen Ost und West immer noch sind. Und das auch beim eigentlich einheitlichen Studentenhaufen.

Und welche Beobachtungen hast Du wie und wann gemacht?

Beobachtung 1: „Wahlossis“ sind verdächtig.
Beobachtung 2: Man urteilt in Ost und West gerne einmal pauschal übereinander.
Beobachtung 3: Beobachtung 2 kann auf Dauer ganz schön nerven.

Gruß sannah

Meine Güte, was für ein Posting. *g*

Musste aber dabei feststellen, dass wir in vielen Dingen
ähnlich beobachtet/ bewertet haben.

Nun, da bin ich mal gespannt. :wink:

Eine deutsche Einheit kann doch aber ruhig aus vielen Unterschieden
bestehen.

Ja, aber auf keinem anderen Unterschied wird so sehr
bestanden. Man hat sich quasi mit der Multikulti-Gesellschaft
abgefunden, will dabei aber nicht wahrhaben, dass es diesen
kulturellen Unterschied auch zwischen denen gibt, die doch
bekanntermaßen „ein Volk“ sind.

Ja genau so. Dabei bestehen Unterschiede doch auch zwischen Nord- und Süddeutschland. Und gerade diese pflegt man mittlerweile, letzlich geben die einer Region ihr besonderes Profil.

Vielleicht sogar bessere, gelegentlich
höre ich das man die Ostdeutschen konkret für fleißiger und
dabe anspruchsloser hält, was durchaus für günstigere
Möglichkeiten spräche…ob das aber belegbar ist???

Hält „man“ das? Ist aber wohl eher nicht belegbar…

Weiß ich, deswegen war es auch nur vage formuliert. Ich habe das vereinzelt gehört, z.B. im Zusammenhang mit Altenpflegerinnen. Aber Du hast schon recht.

Teamfähigkeit würde ich eher bei ostdeuschen Kindern vermuten,

Ist auch mein Eindruck. Vor allem besteht wirklich der Wunsch
danach.

dies vielleicht zu Lasten einer gesunden Portion Egoisimus.

Die Egoisten gibt’s wohl hüben wie drüben.

Ich meinte das eher positiv belegt. So in der Richtung…‚Bescheidenheit ist eine Zier, doch weiter kommt man ohne ihr‘. Und natürlich bezogen auf die Wichtung Team/Individualist. Auch solche Einzelkämpfer muß es geben und es gibt Plätze in der Gesellschaft, da würde der (nur) Teamfähige versagen. Es ist schwer das alles so kurz auf einen Nenner zu bringen, aber das weißt Du ja ebenso. :wink:

Falls Egoismus=
Selbstwertgefühl, dann mag ein Mangel darin wohl auch mit
daran liegen, dass in der Öffentlichkeit immer noch das Bild
vom faulen Ossi kursiert.

Dabei kann ich letzteres aus dem täglichen Umgang gar nicht so bestätigen. Wir haben in der Firma sehr viel mit westdeutschen Unternehmen zu tun und noch nie hat ein Mitarbeiter in unserer Firma das Gefühl geäußert, man wäre ihm mit entsprechenden Vorurteilen begegnet. Das einzige was wir negatives in der Richtung hatten war mal eine eindeutig frauenfeindliche Einstellung. Der hat z.B. unsere zuständige Mitarbeiterin immer abschlägig behandelt und wenn ihr Kollege, der fachlich nicht anders argumentierte, nachhakte bekamen wir plötzlich die besten Kondidionen .

Aber in der Frage gilt, wie es in den Wald hineinruft, so schallt es heraus. Und die Fähigkeit zu differenzieren ist leider eine der am geringsten ausgebildeten Fähigkeiten im Volke…ich glaube nicht nur im deutschen :wink:.

Und Kind von Eltern, die dem Sozialismus nachtrauern, möchte
ich nicht sein. Da wird man zwangsläufig schizophren.

LOL…ich meine, die Generation die heute Kinder großzieht trauert nicht so nachhaltig. Und die uns vermittelten Wertmaßstäbe kann man ja prima von den offensichtlich ideologischen Parametern trennen. Da bleibt der Schwerpunkt dann aber doch auf sozialer Gerechtigkeit und dem tiefen Mißtrauen gegen Menschen, die von ‚Natur‘ aus reich sind. Das ist wie jemand, der sich bewußt von einer katholischen Vergangenheit lossagt und dann trotz einer möglichen Befreiung doch zeitlebens mit den in der Kindheit vermittelten Regeln kämpft.

Ansonsten…Kirche spielt eine untergeordnete Rolle,

Aber die Kirchenarbeit, die hier erfolgt, ist, wenn sie
erfolgt, um einiges inniger und intensiver als ich sie im
Westen erlebt habe.

Das liegt in der Natur der Sache. Wer hier aktiv in der Kirche ist, der ist das ganz bewußt und hat sich i.d.R. tatsächlich zu seinem Glauben bekannt und folgte nicht nur Traditionen. Eigentlich eine viel bessere Grundlage für die Kirche.

Familie wird vielleicht nicht als ganz so
heilig angesehen, dafür steht dann auch oft ein Freundeskreis
als ‚Ersatz‘.

Hmmm, würde ich nicht so pauschalisieren wollen.

Natürlich sind das eher persönliche Erfahrungen, die ich mache. Man könnte das vielleicht im Zusammenhang mit Scheidungen, die hierzulande kein großes Drama darstellen, verstehen. Auch haben wir letzens mal festgestellt, daß viele aus der Generation meiner Mutter einfach nicht die klassische Großmutterrolle übernehmen. Ebenso höre ich (die Erfahrung ziehe ich vor allem aus Foren) häufiger von Ostdeutschen, daß ruhig auch die Männer alleinstehend die Erziehung ihrer Kinder übernehmen können. Das klassische Familienbild wird also nicht so gepflegt. Statt dessen haben hier aber viele recht belastbare Freundeskreise, die auch soziale Funktionen haben. Aber vielleicht ist das im Westen gar nicht viel anders, da fehlt mir dann doch eine nähere Betrachtung.

Ob das nun in jedem Fall als Unterschied zu
werten ist? Man müßte beide Realitäten kennen und vor allem
erlebt haben um hinter wirkliche Unterschiede zu kommen.

Meine Situation:
Aufgewachsen in der westdeutschen niedersächsischen Provinz,
nach nunmehr etwas mehr als zwei Jahren Studium in Halle immer
noch und wieder überrascht, wie immanent in manchen Bereichen
die Unterschiede zwischen Ost und West immer noch sind.

…na dann sitzt Du ja gleich ‚umme Ecke‘.
Ich lebe und arbeite in L.E. und bin mitten drin zwei Kinder zu erziehen. Eins ist noch in die DDR geboren, das andere ist schon ein echtes Kind der neuen Zeit . Da macht man sich natürlich so seine Gedanken, wie man sie auf ein Leben in einer Gesellschaft vorbereitet die man selbst gerade erst kennen lernt.

Und welche Beobachtungen hast Du wie und wann gemacht?

Beobachtung 1: „Wahlossis“ sind verdächtig.

??? Wie jetzt?

Beobachtung 2: Man urteilt in Ost und West gerne einmal
pauschal übereinander.

Richtig, tut man aber auch in anderen Bereichen der Gesellschaft allzu gerne. Siehe ‚die bösen Lehrer‘, ‚die (auch ) faulen Studenten‘, ‚die unerzogenen Kinder alleinstehender Mütter‘, ‚die böse Kirche‘, ‚die schmarotzenden Sozialhilfeempfänger‘…

Man sucht nicht nach Hinweisen die solche Vorurteile entkräften, sondern sieht nur die Fälle, die das Vorurteil untermauern. Da hilft nur stetiger freundlicher Kampf dagegen…oder manchmal aussitzen.

Beobachtung 3: Beobachtung 2 kann auf Dauer ganz schön nerven.

… sicher, aber finde Dich damit ab, daß es so ist und freue Dich, daß Du bereit bist, differenziert hinzusehen.

Liebe Grüße,
Maid

Hallo Maid,

eine weitergehende Reaktion auf den ersten Teil spare ich mir jetzt ma, denn da sind wir eh einer Meinung… :smile:

Das klassische Familienbild wird also nicht
so gepflegt. Statt dessen haben hier aber viele recht
belastbare Freundeskreise, die auch soziale Funktionen haben.

Stimmt, das traditionelle Vater-Mutter-Kind(er) gibt es hier nicht so verbreitet, wenn ich einmal über die Familienverhältnisse einiger Kommilitonen nachdenke. :smile:
Und die Sache mit dem belastbaren Freundeskreis kann ich hier aus eigener Erfahrung (und dabei hocken wir erst ein Jahr so richtig eng zusammen) durchaus bestätigen, will anderes aber auch nicht sagen, dass…

Aber vielleicht ist das im Westen gar nicht viel anders, da
fehlt mir dann doch eine nähere Betrachtung.

…es in meiner Heimat anders ist. Nun, der Verschiedenheit der Freundeskreise zum Trotz (Freunde als Schulzeiten sind eben andere als solche von der Uni), ich habe in beiden Städten funktionierende Freundeskreise, auch mit Entfernung zwischen mir und den Resten.

Und welche Beobachtungen hast Du wie und wann gemacht?

Beobachtung 1: „Wahlossis“ sind verdächtig.

??? Wie jetzt?

„Du kommst aus Niedersachsen? Warum studierst Du denn hier drüben und nicht bei Euch?“
Wie gesagt, es ist scheinbar sehr verdächtig, freiwillig in Halle studieren zu wollen, noch dazu als Westdeutscher.

Da hilft nur stetiger freundlicher Kampf
dagegen…oder manchmal aussitzen.

Beobachtung 3: Beobachtung 2 kann auf Dauer ganz schön nerven.

… sicher, aber finde Dich damit ab, daß es so ist
und freue Dich, daß Du bereit bist, differenziert hinzusehen.

Und das ist meine Mission… *fg*

Gruß sannah

Hallo,

Hallo auch! Da du ja nun in Halle studierst, will ich dir als deine Kommilitonin mal antworten ;o))

die Sache mit den zwei deutschen Staaten ist nun zwar schon
etwas vorbei, aber gibt es Nachwirkungen? Zwei deutsche
Staaten bedeuteten zwei unterschiedliche Systeme mit eigenem
Bildungs-, Wirtschafts- und Sozialsystem, und heute?

Natürlich gibt es Nachwirkungen! In den Kitas wird heute noch, wenn auch nicht offiziell und überall, nach den alten Richtlinien der DDR „gelehrt“ und „erzogen“. Will heißen, bestimmte Dinge, die früher schon den Kindern (wie mir) beigebracht wurden, sind auch heute noch gültig. Von wegen stumpfes Spielen bis zum 6. Lebensjahr.
Ach ja, Sozialsystem… 1990 wurden doch spontan die Polikliniken als nicht tragbar hingestellt und teilweise aufgelöst…vor kurzem kam doch der Vorschlag, Ärztehäuser einzurichten, wo mehrere verschiedene Ärzte zu finden seien…komisch…
Ansonsten sehe ich beim Studium z.B. keine allzu großen Nachteile. Ziemlich viele hier kriegen BaföG, und wer keines bekommt, dessen Eltern können meist auch genug geben. In Bayern habe ich noch keinen Westdeutschen Student getroffen, der mehr als 100 Euro BaföG bekommt. (Naja, vielleicht kenne ich nur die Flaschen…)
Nur mit gut bezahlten Nebenjobs sieht es hier nicht allzu gut aus. Mir wurde einer für 5 Euro die Stunde angeboten, ohne Urlaubs- und Krankengeld, abends und am Wochenende.

Nominell sind wir ein Staat, doch wie schaut es aus mit dem
Fortbestand der Mauer, die mehr oder weniger sichtbar in den
Köpfen doch noch vorhanden scheint?

Oh, die Mauer in den Köpfen ist da, und sie wird nicht kleiner. Ich denke, besonders die frustrierten, also Arbeitslose oder ähnliche, wollen ihre Mauer zurück, hüben wie drüben. Viele hier wollen Bevorteilungen, wobei ich denke, dass man selbst auch einiges für den Fortschritt tun kann. Und viele „Wessis“ meckern über Solizuschlag und ähnliches, wobei der hier auch gezahlt wird. Ich denke, die Unwissenheit hindert am Zusammenwachsen. Zwar wird über Ostalgie-Shows gemeckert, doch beim Millionär muss der Sachse alles über die BRD wissen.
Ich selbst könnte bei manchem Kommentar auch ausder Haut fahren. Aber ich habe gute Freunde hier wie dort und bin sehr glücklich, dass es gekommen ist, wie es kam…

Im Jahre 13 nach der
Wiedervereinigung - wie gleich sind die Chancen für Kinder und
Jugendliche in Ost und West? Welchen Unterschieden welcher Art
sind sie ausgesetzt?

Tja, da sehe ich für die Jugend hier keine Zukunft, und wenn ich mal von meiner Erfahrung sprechen darf: meine Schwester, meine Cousine, mein Cousin, mein Freund, mein Schwipp-Schwiegervater, alle weg, der Arbeit nach. Und? Ich finde es richtig! Spätestens (aber wirklich spätestens!) nach meinem Studium hier in Halle (was ich als die elendste Stadt im Osten erlebt habe), bin ich weg. Weg dorthin, wo es mehr Geld gibt für die Arbeit, die ich im Osten genauso tun würde!
Leider denken nicht alle so wie ich. Viele junge Leute, besonders solche mit Realschulabschluss und Berufsausbildung bleiben, weil… ja, weil?? Keiner kann sie zwingen, aber solange die Leute bleiben, wird keiner handeln.
Übrigens sind seit 1990 25% aller Frauen zwischen 20 und 25 in den „Westen“ gegangen. Folgen? Es bildet sich eine Elite. Die paar „Gebildeten“, die geblieben sind, und die vielen, die nicht einsehen, zu gehen. Davor habe ich Angst, und deshalb würde ich im Osten zur Zeit kein Kind in die Welt setzen!

Würde mich freuen, an Euren Reaktionen meine Beobachtungen
überprüfen zu können.

Gruß sannah

Liebe Grüße, Lydia
Sorry, dass es so lang geworden ist…