Kischdl (Maronen)

Hallo,

da gerade Esskastanienzeit war/ist – in meiner Heimat-
stadt Weinheim an der Bergstraße (Kurpfalz)
heißen diese Früchte „Kischdl“ (wobei der
Baum: „Kaschdonieboam“ heißt).
Nun habe ich festgestellt, dass der Ausdruck „Kischdl“

  1. dabei ist, in Vergessenheit zu geraten (vom aktiven
    in den passiven Wortschatz scheint er bei den Menschen,
    die jünger als 50 sind, schon gerutscht zu sein).
  2. dass ich niemand außerhalb Weinheims finde, der
    den Ausdruck überhaupt kennt – was natürlich daran
    liegen könnte, dass ich nicht bei alten Leuten
    nachgefragt habe.

Deshalb: wer von euch kennt den Ausdruck?

Gruß
Elke

‚Chèschdene‘, ‚Marony‘ und ‚Chüttene‘
Hallo, Elke

Auf Berndeutsch (Schweiz) sagen wir im Plural ‚Chèschdene‘ und ‚Chèschdeneböim‘.

Als ‚Rosschèschdene‘ bezeichnen wir die Früchte der Rosskastanie (Aesculus hippocastanum); sie gehört zur Familie der Seifenbaumgewächse. Diese Früchte haben Hirsche und Wildschweine ‚zum Fressen gern‘.

Als ‚Marony‘ bezeichnen wir die Früchte der Edel- oder Esskastanie (Castanea sativa); diese gehört zur Familie der Buchen und ist deshalb mit der Rosskastanie weder verwandt noch verschwägert. Früher sagte man statt ‚Marony‘ auch ‚Chèschdene‘. Im Kanton Tessin waren die Marronen die Kartoffeln der armen Leute.

„Ässyt Chèschtene, Ching!“ (Esst Marronen, Kinder!)
„Ässyt Chüttene, Ching!“ (Esst Quitten, Kinder!)

Der zweite Satz ist ein Stabreim aus Notzeiten im Kanton Bern: Gedörrte Quittenstreifen dienten den Kindern zur Betäubung des Hungergefühls.

Mit freundlichem Gruss
Rolf

Hallo!

da gerade Esskastanienzeit war/ist – in meiner Heimat-
stadt Weinheim an der Bergstraße (Kurpfalz)
heißen diese Früchte „Kischdl“ (wobei der
Baum: „Kaschdonieboam“ heißt).

Die Edelkastanie ist als Pflanze in Deutschland nicht besonders verbreitet. Eigentlich kommt sie nur in ziemlich eng begrenzten Gebieten vor. Dazu ein Zitat von Wikipedia:

Edelkastanien finden sich innerhalb Deutschlands vor allem im Rheintal sowie in den wärmebegünstigten Nebentälern dieses Flusses. Heute ist sie unter anderem am Rand des Pfälzer Waldes (der sogenannten Haardt) und im Taunus heimisch. Der dortige landessprachliche Name für die Frucht ist Keschde. Angebaut wird sie dort nicht nur wegen ihrer Früchte, sondern weil sie auch die zum Weinbau notwendigen Rebstecken liefert.

Nun könnte ich mir vorstellen, dass in Deiner Heimatstadt, die zumindest dem Namen nach etwas mit „Wein“ zu tun hat (sorry, ich kenn mich in Deiner Gegend überhaupt nicht aus…), diese Nutzung der Edelkastanie eine Tradition hat, die in den Nachbarorten fehlt. Möglich wär’s…

Michael

Servus Elke,

das Verschwinden mag mit der modernen Orientierung Woinems Richtung Hessen und dem „neuen Bundesland“ BaWü zu tun haben (immerhin gibt es ja herich Leute, die sich ernsthaft als „Baden-Württemberger“ bezeichnen, ein Unsinn, der glaube ich bei „Rheinlandpfälzern“ nicht so verbreitet ist).

Wenn sich die Kurpfalz an ihre „Rive Gauche“, die Pfalz, erinnert, haben die Woinemer Kischdl ihr Pendant in den z.B. Derkemer oder Landauer Keschde, die von Grünstadt bis zum Weintor stehen und dortselbst fast so begeistert gesammelt und verzehrt werden wie die Maronen usw., die dahinter wachsen, wo es höher hinauf geht.

Beiläufig, auch zur Jahreszeit gehörig: Wie heißt eigentlich Ladwersch in Woinem?

Schöne Grüße

MM

Hallo, Elke,

mir sind die „Kärste“, oder „Käschde“ zuerst als Rosskatanien begegnet bei meiner „Bruusler“ Verwandtschaft.
Da wusste ich noch lange nichts von Esskastanien.

Wenns dich freuen könnte, lies von James Krüss die Geschichte „Der alte Baum im fernen Tal“ aus „Mein Urgroßvater und ich“.
Da erfährst du die ganze Geschichte des Kastanienbaums.

Gruß Fritz

Kesten oder Kösten
heißen die bei uns im Salzburgisch - Tirolischen.

Grüß euch!
In unserer Gegend wachsen nur die Rosskastanien (genannt „Kastanien“) und so waren die „Kesten“ im Frühwinter immer etwas ganz Besonderes.

Dass sie quasi immer schon bekannt waren, bestätigt mein Mundartwörterbuch:
Unser Ausdruck Kesten kommt von ahd. chestinne, mhd.kesten, griech.-lat. Lehnwort

Und wieder einmal stelle ich fest, dass ein großer Teil unseres Dialekts „mhd.“ ist! :smile:

lg
Helene

Hallo,

danke euch allen.
Ja klar, Keschde ect. --> Kischdl das macht Sinn,
und jetzt erinnere ich mich auch ,das schon gehört zu haben
(lang ist es her).

Gruß
Elke

Hallo Martin,

das Verschwinden mag mit der modernen Orientierung Woinems
Richtung Hessen und dem „neuen Bundesland“ BaWü zu tun haben
(immerhin gibt es ja herich Leute, die sich ernsthaft als
„Baden-Württemberger“ bezeichnen, ein Unsinn, der glaube ich
bei „Rheinlandpfälzern“ nicht so verbreitet ist).

Nun, ich habe den Verdacht, dass viele junge Menschen
(alle, die jünger sind als ich) gar nicht wissen, dass
Ba-Wü eine moderne Erfindung ist, die es vor dem 2. WK
gar nicht gab.
Aber ob die Orientierung Woinems so modern ist?
Politisch: ba-wü, klar, das ist modern.
Aber geographisch waren wir schon immer eher hessisch,
beinahe eingekreist von den Hessen, aber sprachlich
doch immer eher pälzisch (–> Kurpalz). An und für
sich halte ich diese Dreiteilung der Orientierungen für
nichts Schlechtes.

Wenn sich die Kurpfalz an ihre „Rive Gauche“, die Pfalz,
erinnert, haben die Woinemer Kischdl ihr Pendant in den z.B.
Derkemer oder Landauer Keschde,

Ja, da hat’s geklingelt.

die von Grünstadt bis zum
Weintor stehen und dortselbst fast so begeistert gesammelt und
verzehrt werden wie die Maronen usw., die dahinter wachsen, wo
es höher hinauf geht.

Beiläufig, auch zur Jahreszeit gehörig: Wie heißt eigentlich
Ladwersch in Woinem?

Was du für Fragen stellst…
Also meine Mutter sagte Latwerg (mit weichem G), ob das aber
für Woinem repräsentativ ist, weiß ich nicht. Im „Weinheimer
Wörterbuch“ von Herrn Keller steht es nicht vermerkt.
Eigentlich kenne ich diesen wundervollen Brotaufstrich
mehr durch meinen Mann und seiner Familie,
waschechte Lautrer, und die sagen, wie du ja weißt: Latwersch.
(für alle Uninitiierten: es ist Mus aus Quetsche gekocht,
muss mehrere Tage lang gerührt werden, d.h. also auch
nachts, auch Kinder mussten ihre Schicht abarbeiten, sonst
wäre das Latwersch „angebrennt“).

Gruß
Elke

Hi,

Die Edelkastanie ist als Pflanze in Deutschland nicht
besonders verbreitet.

Wer redet von Deutschland - wir reden von der Kurpfalz!

Nun könnte ich mir vorstellen, dass in Deiner Heimatstadt, die
zumindest dem Namen nach etwas mit „Wein“ zu tun hat (sorry,
ich kenn mich in Deiner Gegend überhaupt nicht aus…),

Trotz Weinleiter im Wappen und zumindest früher gute Weinlagen
(heute leider fast alle zugebaut, Bauplatz bringt mehr Geld
als Wingert), geht der Name Weinheims auf einen alten Ritter
namens Wino, der dort sein Heim baute, zurück.

Nutzung der Edelkastanie eine Tradition hat, die in den
Nachbarorten fehlt.

Nein. In der ganzen Kurpfalz, in der Pfalz und auch an der
hessischen Bergstraße gibts Kischdle (oder Keschde :wink: )
noch und nöcher.
Aber bei uns gibt es schließlich auch Mandeln und sogar
Zitronen.

Gruß
Elke

Servus Elke,

ja, das Verhältnis zwischen Pfalz und Kurpfalz ist in der Tat nicht so einfach. Weder politisch noch sprachlich.

Nebenher überlege ich mir grad, ob nicht die letzten Aniliner, deren Budd nicht nach China verschifft sein wird, vielleicht die von der Friesenheimer Insel sein werden, schließlich steht geschrieben (und da kommt Lauterer Piet-Kong ins Spiel) „die Ersten werden die Letzten sein“ oder vielleicht auch umgekehrt.

Und nach diesem eher sinnfreien Zwischenspiel käme man sprachlich als Kompromiss in Richtung der Riedochsen, die herich überzeugt davon sind, sie sprächen Hessisch, bloß weil sie durch die Konfession der Lampertheimer Exulanten sozusagen nach Hessen eingepfarrt sind. Die als Bewohner eines typischen Rückzugsgebietes (Gebirge, Moor, Inseln) ein sehr facettenreiches Fränkisch-Pälzisches Mischidiom konservieren, u.a. erkennbar an der seltenen Unterscheidung zwischen haben = Besitzen und haben als Hilfsverb, die sich bei den Bürstädter Messerstechern in der scharmanten Perfektform „ich honn gehebbt gehadde“ äußert. Aber dort gibts nebbich bloß Gummern, keine Kastanien.

Aber das geht nirgendwohin, merk ich grad. Dann wenigstens noch einen Bonus-Track zu den Kischdel/Keschde: Südlich des Limes, wo es allerdings seit der letzten Mini-Warmzeit bloß noch auf der Mainau richtige Kastanien gibt, und wo man sich sonst mit Rosskastanien behilft, tragen diese einen - wie ich meine - lateinischen Diminuitiv und heißen „Kaschdenaggla“, von „-aculum“.

Schöne Grüße

MM

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Südlich des
Limes, wo es allerdings seit der letzten Mini-Warmzeit bloß
noch auf der Mainau richtige Kastanien gibt, und

Nicht doch, Martin; den ganzen Untersee entlang, von Horn bis Stein, findest du noch Esskastanienbäume auch am deutschen Ufer.
Vermutlich, wie die unvermeidlichen Platanen, nachträglich gepflanzt zur Touristenfreude.

Selbst gesammelt zu meiner Zeit am See und angebraten!

Gruß Fritz

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‚Chèschdene‘ und ‚Chègele‘
Hallo, Elke

Hier ein Nachtrag:

Auf Berndeutsch (Schweiz) sagt man - ich glaube südlich von Bern - im
Singular wie im Plural für Rosskastanie/n auch ‚Chègele‘.

Mit freundlichem Gruss
Rolf