Klassenclown-Syndrom?

Ich habe mal eine Anfrage zum Verhalten eines Bekannten:

Was hat es zu bedeuten wenn sich jemand ständig als „Depp“ darstellt
und sich selbst zum Idioten machende Sprüche von sich gibt?
Der Bekannte ist eigentlich recht intelligent, benimmt sich aber oft wie ein „Kleinkind“. Zum Beispiel auf der letzten Party tönte er laufend:„Ich ess euch jetzt alles weg. Mmh, ist das lecker. Und danach hau ich gleich beim Imbiss um die Ecke ein paar Burger weg.“
Alle lachten über ihn, dabei zog er auch noch Grimassen.
Später sagte mir ein Freund von ihm:„Der (Name bleibt unbekannt) tut mir richtig leid, keiner nimmt ihn ernst. Jeder denkt daß er ein Volltrottel ist. Wenn er Fragen hat fragt er noch immer seine „Mutti“ um Rat.“ Außerdem sei er andererseits extrem gutmütig und würde sein Geld laufend anderen Leuten leihen die ihn dann ausnutzen. Dieses Verhalten habe er schon in der Schulzeit gezeigt. Ich habe den Verdacht daß er Aufmerksamkeit und Freunde mit seinem Verhalten sucht.
Nur scheint er entweder an die falschen Leute zu geraten oder kann sich nicht anpassen. Ich habe mich dann auch mit ihm selbst unterhalten. Seine letzte Arbeit hat er verloren da er im Büro auch nicht „respektiert“ wurde. Seine letzte Beziehung (eine Ehe mit einer Brasilianerin) wurde zwischenzeitlich ebenso geschieden wobei er Unterhalt zahlen muß. Die Frau habe ihn auch nicht respektiert und ihn ständig mit anderen Männern betrogen.
Er tut mir nun wirklich leid und ich frage mich wie man ihm helfen könnte. Oder ist da tatsächlich schon eine Psychotherapie vonnöten?

Grüße,

Ralf

Hallo Ralf,

So, wie ich diese Menschen kenne, scheint mir der „Klassenclown-Syndrom“ im mangelnden Selbstbewusstsein seinen Ursprung zu haben. Hinter der Maske eines Idioten verbirgt sich oft eine sehr intelligente und verletzliche Person, die keinen Anschluss und keine Anerkennung ihrer Intelligenz und ihrer Gefühle gefunden hat. Diese Menschen sind sehr einsam und versuchen, diese Einsamkeit mit diesem Verhalten zu verdecken. Das ist ein Teufelskreis - je weiter sie die Rolle eines „Depps“ spielen, desto weieter entfernen sie sich von ihren eigenen Bedürfnissen und desto einsamer werden sie.
Allerdings dachte ich immer, dass der „Syndrom“ eingentlich eher für die Pubertät und die ganz jungen Erwachsenen typisch ist - irgendwann wird man doch reifer.
Aus deiner Beschreibung geht hervor, dass dein Bekannter die 30-er Grenze überschritten hat.
Wenn es um meinen Freund ginge, würde ich ihn auf jeden Fall behutsam ansprechen und ihm raten, professionelle Hilfe aufzusuchen.
Nun ja,
vielleicht weiss jemand mehr darüber und teilt es auch uns mit.

Bis dahin
Herzlichst
Jarolep

ich kann mich gut an einen klassenclown in meiner klasse erinnern. er hatte zwar sehr gute noten (später hatte er den besten abi-schnitt seines jahrgangs), redete aber andauernd nur stupides zeug und er hatte keine freunde. während dem untericht meldete er sich regelmäßig nur um dann irgendwelchen unfug loszulassen wenn er dran kam.
damals dachte ich mir, dass er mit diesem verhalten die aufmerksamkeit auf sich lenken wollte. denn jedesmal wenn er sich auffallend verhielt, genoss er anschliessend sichtlich dass er im mittelpunkt stand, obwohl er dabei nur spott erntete.

später hat er einen wirklich guten job bei einer großen bank aufgegeben um in die politik zu gehen. er liess sich als kandidat für das europäische parlament aufstellen und betrieb exzessiv wahlkampf. während dieser zeit war auch aussergewöhnlich viel über ihn in der regionalpresse zu lesen.
zwichen seinem wunsch in die politik zu gehen und seinem früheren klassenclowndasein sehe ich paralleln. dass er so stark motiviert war mitglied des eu-parlaments zu werden, führe ich vor allem darauf zurück, dass er, wenn er gewählt worden wäre, der jüngste eu-abgeordnete aller zeiten gewesen wäre. das wäre ein superlativ gewesen das ihm auch überregionales interesse an seiner person geschaffen hätte.
seit einiger zeit ist er bürgermeister eines sehr kleinen dorfes (er ist anfang 30) und vor kurzem hat er sich als bürgermeister eines anderen dorfes beworben, was irrational war, da dieses dorf noch kleiner ist als jenes in dem er bereits bürgermeister ist. es hätte ihm also keinerlei vorteile für seine karriere gebracht wenn er in diesem dorf als bürgermeister gewählt worden wäre… ausser einem etwas größeren bekanntheitsgrad.

bei dieser person von der ich hier erzähle, ist/war das klassenclownsyndrom eindeutiger hinweis auf seine profilierungssucht.

Hallo Leute,
sorry, daß ich dazu was sage aber:

Was hat es zu bedeuten wenn sich jemand ständig als „Depp“
darstellt
und [BESCHREIBUNG]

da fühl ich mich ein wenig selbst beschrieben. Keine Angst ich bin nicht der Bekannte, aber klingt schon ähnlich.

Seine letzte Beziehung
(eine Ehe mit einer Brasilianerin) wurde zwischenzeitlich
ebenso geschieden wobei er Unterhalt zahlen muß. Die Frau habe
ihn auch nicht respektiert und ihn ständig mit anderen Männern
betrogen.

Das trifft, bis auf Ehe nun sehr auf mich zu - sogar die Nationalität stimmt, hmm…

Er tut mir nun wirklich leid und ich frage mich wie man ihm
helfen könnte.

neue Freundin suchen.

Oder ist da tatsächlich schon eine
Psychotherapie vonnöten?

bei mir meinen einige Leute ja :smile:)
„vonnöten“ als ob jemand dazu gezwungen werden könnte. Oder wollt Ihr mich in die Klapse einweisen lassen, weil ich manchmal das Buffet wegfuttere??? :smile:
Grüssle
Markus Beck

Hallo Markus!

Oder ist da tatsächlich schon eine
Psychotherapie vonnöten?

bei mir meinen einige Leute ja :smile:)
„vonnöten“ als ob jemand dazu gezwungen werden könnte. Oder
wollt Ihr mich in die Klapse einweisen lassen, weil ich
manchmal das Buffet wegfuttere??? :smile:

Zwei Fragen:

  1. Physischer Zustand:
    Kannst Du Deinen Lebensunterhalt bestreiten, wenn Du aus jedem Job fliegst, weil Du nur auf Scherzkeks machst?
  2. Psychischer Zustand:
    Bist Du in Deiner sozialen Position des belächelten (oder gar verachteten) Außenseiters glücklich?

Hanna

Hallo Markus,

sorry, daß ich dazu was sage aber:

aber wieso denn? Ich fand´s klasse und hab´s besternt. Ich kenne Leute, die einen schon deshalb für einen „Deppen“ halten, weil man in einem Internetforum schreibt. :wink:

Grüße,

Oliver Walter

2 Like

Hallo Oliver,

das wiederum:

Ich kenne Leute, die einen schon deshalb für einen „Deppen“
halten, weil man in einem Internetforum schreibt. :wink:

habe ich besternt :smile: , weil sich diejenigen, die die Forenschreiber für Deppen halten, sich einmal fragen sollten, warum viele Foren so schlecht sind und warum sie durch ihre Teilnahme dies nicht evt. ändern könnten. Wer sich fernhält, darf sich auch nicht beschweren.

Herzliche Grüße

Thomas Miller

2 Like

Hallo Thomas,

habe ich besternt :smile:

danke. Du bekommst auch einen von mir.

Beste Grüße,

Oliver Walter

ich besterne eure sterne

1 Like

Hallo Hanna,

Zwei Fragen:

  1. Physischer Zustand:
    Kannst Du Deinen Lebensunterhalt bestreiten, wenn Du aus jedem
    Job fliegst, weil Du nur auf Scherzkeks machst?

Also diese extreme Phase ist schon länger her und leider war und bin ich in einer Situation, wo ich mir immer selbst leiste meine Jobs zu kündigen :smile:
Aber um aufrichtig zu sein: Es gibt da auch beängstigende Apsekte für mich: z.B. unter bestimmten Freunden kann ich nicht mehr anders sein, es kommt sozusagen über mich, auch meine Mimik kann ich dann nicht ändern. Allerdings möchte ich diese Erfahrung nicht missen - z.B. daß ich Dinge getan habe, die manche als höchstpeinlich sehen mögen, ich aber stolz darauf bin, mich damit in Höhlen menschlicher Gesellschaften gewagt zu haben. Und das gibt mir für mein heutiges Leben einen Erfahrungsschatz.

  1. Psychischer Zustand:
    Bist Du in Deiner sozialen Position des belächelten (oder gar
    verachteten) Außenseiters glücklich?

S.o., d.h. manchmal ist es mir zu arg. Und manchmal kommt in mir auch der Anklang des Wunsches auf, mit bestimmten Personen auch anders sein zu können (auch um meines Selbstbewusstseins willen). Andererseits sehe ich es auch als Strategie mich selbst in den Sitautionen stark zu machen. Und letztlich glaube ich, habe ich damit begonnen, um sozusagen Laborsituationen zu schaffen um den Menschen zu zeigen wie absurd ihre Erwartungen bzw. wie unreflektiert sie selbst manchmal sind.
Grüssle,
Markus

Hallo Leute,

ich besterne eure sterne

ähm habt ihr vielleicht einen am stern??? *g*

jedenfalls sollte meine entschuldigung darauf beruhen, daß ich auf das Thema einfach so angesprungen bin, obwohl ich nicht weiß wie man einem Klassen-Clown (oder mir) bei der Arbeit verhaltensändernder Weise begegnen könnte.
Aber nun hab ich eine Idee: wenn es eine gelernte Stratgie ist für das Selbstbewusstsein - vielleicht abrichten, daß andere Strategien ergolgreicher sind?
Grüssle,
Markus

Danke für Deine entwaffnend ehrliche Antwort.

Hanna

Hallo Markus,

jedenfalls sollte meine entschuldigung darauf beruhen, daß ich
auf das Thema einfach so angesprungen bin, obwohl ich nicht
weiß wie man einem Klassen-Clown (oder mir) bei der Arbeit
verhaltensändernder Weise begegnen könnte.

man muß einem „Kasper“ nicht unbedingt verhaltensändernde Ratschläge nahelegen. Ich bin überhaupt kein Freund davon, daß Leute anderen Leuten, nur weil sie sich anders verhalten, therapeutische Interventionen ans Herz legen. Schon deshalb nicht, weil in der Öffentlichkeit über psychische Störungen und Psychotherapie kein angemessenes Bild besteht. Aber auch, weil soziale Kompetenz - um die geht es hier wieder einmal - immer von der sozialen Gruppe abhängt, in der man sich befindet. Verhalten, das in der einen Gruppe inadäquat ist, kann in einer anderen Gruppe durchaus angemessen sein. Über den konkreten Fall, der hier beschrieben wurde, wissen wir im Grunde nichts, außer daß jemand mit dessen Sozialverhalten offensichtlich ein Problem hat. Wie es dazu gekommen ist und ob die „Diagnose“ des Erstposters zutreffend ist, wissen wir nicht.

Aber nun hab ich eine Idee: wenn es eine gelernte Stratgie ist
für das Selbstbewusstsein - vielleicht abrichten, daß andere
Strategien ergolgreicher sind?

„Abrichten“ ist ein unwürdiges Wort, wenn man damit meint, daß das Verhalten eines Menschen sich ändern sollte. Falls es bei jemanden tatsächlich angeraten erscheint (besonders: falls es ihm oder ihr selbst angeraten erscheint), dann kann die Person mit Trainings Sozialer Kompetenzen in der Tat recht viel zu ihren Gunsten verändern.

Grüße,

Oliver Walter

1 Like

Hallo Oliver,

Aber nun hab ich eine Idee: wenn es eine gelernte Stratgie ist
für das Selbstbewusstsein - vielleicht abrichten, daß andere
Strategien ergolgreicher sind?

„Abrichten“ ist ein unwürdiges Wort, wenn man damit meint, daß
das Verhalten eines Menschen sich ändern sollte.

Hm, ich hatte zwar Angst, daß das Wort in einem Psychologieboard Emotionen auslösen könnte, wo ich es nur im Sinne Wittgensteins verstanden haben wollte.
Dennoch: in dem von Dir beschriebenen Sinne sehe ich kein Problem. Denn offenbar wünschte sich der Erstposter eine Verhaltensänderung des Clowns. Und im allgemeinen wünscht sich wohl jeder, der auf solch jemanden trifft, wenn dieser im Übermaß seinen Schabernack treibt, eine Änderung (aus welchem Grund auch immer). Zu sagen man meine nicht, daß er sich in dem Fall nicht ändern sollte, zumindest wünsche man sich das nicht, wäre IMHO unaufrichtig.

Falls es bei
jemanden tatsächlich angeraten erscheint (besonders: falls es
ihm oder ihr selbst angeraten erscheint), dann kann die Person
mit Trainings Sozialer Kompetenzen in der Tat recht viel zu
ihren Gunsten verändern.

Dazu muß sie aber erstmal in Kenntnis gesetzt werden, daß es sowas gibt. Und das kann der andere nicht ohne IRGENDWIE zu wollen, daß er das annimmt (denn sonst würde er gar nicht darauf hinweisen).
Grüssle,
Markus

Hallo Markus,

Denn offenbar wünschte sich der Erstposter eine
Verhaltensänderung des Clowns.

ja, richtig.

Zu sagen man meine nicht, daß er sich in
dem Fall nicht ändern sollte, zumindest wünsche man sich das
nicht, wäre IMHO unaufrichtig.

Ich spreche mich nicht dagegen aus, daß man jemanden seinen Eindruck mitteilt, sondern befasse mich mit der Frage, WIE man das macht. Sich eine längere Zeit über diese Person hinter und vor deren Rücken lustig zu machen und sie als „Depp“ zu behandeln, ist in meinen Augen eine sozial inädaquate Handlungsweise. Sie grenzt aus und demütigt einen Menschen. Allerdings ist sie menschlich, allzu menschlich.

Grüße,

Oliver Walter