Es gibt Lehrer, die sich nicht auf Schüler einstellen können, ohne Zweifel. Vielleicht gibt es die im klassischen Bereich sogar wirklich mehr, weil klassische Leute von Anfang an mit motorischem Talent gesegnet waren und sich nicht hineinversetzen können in jemanden, der gewisse Dinge nicht sofort hinbekommt.
Es gibt aber auch Jazzkollegen von mir, die, weil sie nicht viel Unterrichtserfahrung haben, mit 8jährigen nach einem Jahr Unterricht stundenlang E-Dur-Tonleitern, parallel, über drei Oktaven, und dann noch 2 gegen 3 trainieren. Die Kinder verzweifeln daran natürlich total, ganz abgesehen davon erschließt sich mir der Sinn davon für dieses Alter nicht. Das ist genauso unangebrachtes Unterrichten.
Zum Thema Schmerzen: ja, es muss nicht schmerzhaft sein, Schmerzen sind auch erstmal kein guter Indikator. Aber es ist auch nicht prinzipiell so, dass, wenn Schmerzen auftreten, etwas falsch läuft im Unterricht. Manchmal muss sich die Hand erst dehnen, bei manchen entstehen da durchaus Schmerzen, und z.b. Oktaven muss man irgendwann auch bei „ein bisschen Klavier spielen“ greifen können. Ein guter Lehrer begleitet dabei und kann etwas dazu sagen, wenn die Schmerzen normal sind oder zuviel und unangebracht.
Zum Herumbiegen: Ich biege an den Fingern meiner Schüler auch schonmal rum, wenn die die Finger stets komplett flach halten. Sowas bringt keine Schmerzen mit sich. Ich stelle die Finger einfach auf, und der Schüler weiß ohne großes Rumgefasel, wie die bessere Handstellung aussehen und sich anfühlen soll. Einen Finger zu biegen tut doch nicht weh, es sei denn, ich biege ihn nach hinten, und welcher Klavierlehrer sollte sowas tun…
Und runde Finger SIND nun einmal halbwegs wichtig, wenn man die Sachen einigermaßen schön (heißt auch: einigermaßen gleichmäßig) spielen und sich nicht komische (auf Dauer möglicherweise auch schmerzhafte, auf jeden Fall aber sich selbst behindernde) Greifhaltungen angewöhnen will.
i.Ü. ist Lernen auch nicht nur „Spaß“. Manchmal lernt man für den weiteren Verlauf am meisten an Stücken, die einem erstmal keinen Spaß machen. Ich hatte als Kind selbst nie Lust auf Klavierspielen, demzufolge auch nicht wirklcih Spaß. Ich war einfach faul. Wäre ich nach dem Spaßfaktor gegangen, hätte ich nichts gelernt. Lernen ist Arbeit, kein Spaß. Das, was herauskommen soll, macht Spaß, wenn man soweit ist, dass es einem halbwegs leicht von der Hand geht. Der Weg dahin kann aber durchaus steinig sein, was natürlich vom einzelnen Schüler genauso abhängt wie von seinem Lehrer wie ebenfalls von der Chemie zwischen beiden.
Dass der Lernprozess selbst Spaß macht, kann vorkommen, schaffen viele aber nicht unbedingt, weil es anstrengend sein kann und langwierig ist und nicht immer sofort das rauskommt, was man erwartet. Klavierspielen kann frustrieren, aber mächtig. Man braucht viel Geduld. (bei anderen Intrumenten nochmal mehr). Den Spaß als erste Komponente des Klavierlernens in den Mittelpunkt zu stellen, finde ich ein bisschen am Leben vorbei und manchmal auch gefährlich. Wenn es bei dir selbst so gelaufen ist, ist das zu begrüßen, aber nicht wenige v.a. Erwachsene stoßen beim Instrument-Lernen nicht selten an Grenzen, an die sie im Grunde lieber nicht gestoßen wären. Entdecken Schwächen und Frustrationen bei sich, auf die sie lieber verzichtet hätten. Ein Lehrer braucht hier manchmal therapeutisches Einfühlungsvermögen, er muss genau merken, wie viel oder wie wenig er vom Schüler fordern kann, bzw. muss auf richtige Weise damit umgehen, wenn der Schüler merkt, dass er seinen EIGENEN Erwartungen nicht hinterherkommt (das kommt bei Erwachsenen viel häufiger vor.)
Kurz und knapp: man kann nicht per se sagen, dass jene Dinge im Unterricht schlecht sind und andere gut. Jeder Lehrer hat eine andere Herangehensweise und ein anderes Konzept, das der Schüler leider nicht so schnell auf Qualität prüfen kann, leider. Vielleicht aber auch gut, weil es „das richtige Unterrichten“ so genau sowieso nicht gibt.
gruß
Judith