Lieber Mike
Vielen Dank für deine Expertenanfrage.
Ich schreibe meine Antworten gerne ausführlich, um Missverständnisse zu verhindern und meinen und den Horizont des Fragenden zu erweitern. Hast du keine Lust, alles zu lesen oder brauchst die Antwort schnell, springe einfach zum Abschnitt „Fazit“ weiter unten.
Das ist keine ganz einfach zu beantwortende Frage, da der Einfluss der Sonnenaktivität auf unser Klima bis heute nicht zu 100% verstanden ist. Aber der Reihe nach.
Die einfachste Antwort auf deine Frage würde laute: Ja, eine Reduktion der Sonnenaktivität würde in der Tat das Weltklima abkühlen und die globale Klimaerwärmung aufhalten. Die Frage ist aber: Ist eine so drastische Aktivitätsreduktion möglich?
Um diese Frage zu beantworten, muss man das Verhalten der Sonne analysieren.
Genau wie die Erde besitzt die Sonne ein durch sich bewegende Fluide (Gase und Flüssigkeiten) erzeugtes Magnetfeld, welches etwa doppelt so stark ist, wie jenes der Erde (ca. 0.0001 Tesla). Jedoch verhält sich das solare Magnetfeld komplizierter, als das terrestrische. Ein Phänomen des solaren Magnetfeldes sind „kleine“ Gebiete mit hoher magnetischer Flussdichte (bis zu 0.25 Tesla), eben die Sonnenflecken.
Lange Rede, kurzer Sinn, die Sonnenflecken sind wohl ein Indikator für die Sonnenaktivität (viele Flecken, hohe Aktivität), aber nicht die Ursache. Die Sonnenflecken beeinflussen unser Klima also überhaupt nicht. Die Sonnenflecken folgen einem 11 Jahre dauernden Zyklus (Schwabe-Zyklus).
So viel zur Sonne und so viel zu nahezu gesicherten Fakten. Von hier an wird es teilweise spekulativ.
Die Sonne beeinflusst unser Klima hauptsächlich durch ihre Strahlung, deren Maximum im Bereich des sichtbaren grünen Lichts liegt. Die Schwankungen der Strahlung in diesen Bereichen sind, über kurze Zeiträume, zu klein und über lange Zeiträume zu langsam und nicht ausreichend erforscht. Einflüsse der UV-Strahlung (die stärker variiert als der Rest des Spektrums) und des Sonnenwindes (kleine Partikel, die möglicherweise die Wolkenbildung auf der Erde anregen) sind kaum erforscht.
Es könnte sein, dass die sog. „Kleine Eiszeit“, die zwischen dem 16. und 19. Jahrhundert auftrat und in Europa und China Temperaturverringerungen von ca. 1° C mit sich brachte, durch eine verringerte Sonnenaktivität ausgelöst wurde. Das ist aber lediglich eine Vermutung, neuere Forschungen lassen sogar Zweifel daran aufkommen, dass die Kleine Eiszeit überhaupt ein globales Phänomen war. Wäre dem nicht so, schiede die Sonne als Verursacherin mit grosser Wahrscheinlichkeit aus.
Die kurzen, 11-jährigen Zyklen sind zwar besser erforscht, genau wie das mit ihnen einhergehende Weltklima, ob sie aber das globale Klima verändern können, ist zu bezweifeln. Die Strahlungsschwankung im Verlauf eines Zyklus liegt nach momentanem Kenntnisstand bei nur 0.1%, das ist zu wenig, um das Klima nachhaltig über viele Jahre und auf dem ganzen Planeten zu beeinflussen. Im Moment ist es sogar so, dass sich das globale Klima weiter erwärmt, während die Sonnenaktivität auffallend stark zurück geht. Die verminderte Sonnenaktivität hat dieses Jahr in Europa vermutlich für den kalten Winter gesorgt und könnte das auch in den nächsten Jahren tun. Aber hier liegt eben der Unterschied zwischen „Weltklima“, „lokalem Klima“ und gar „Wetter“. Zu sagen, dass der Rückgang der Aktivität keinen Einfluss auf das Erdklima hat, wäre aber wohl verfrüht. Das Weltklima ist ein relativ träger Mechanismus. Der momentane Rückgang kann in einigen Jahren durchaus in den Temperaturkurven sichtbar werden.
Die Klimaerwärmung aufhalten kann die generelle Sonnenaktivität, nach aktuellem Forschungsstand, aber wohl eher nicht. Die kurzen, 11-jährigen Zyklen erzeugen keine ausreichende Abkühlung, da die Strahlung nur minimal zurückgeht. Lange bis sehr lange Zyklen sind, in Ermangelung historischer Aufzeichnungen, zu wenig verstanden, um ihre Auswirkung mit Sicherheit zu kennen. Es fehlt an globalen Wetterauzeichnungen, die erst im 18. Jahrhundert so langsam aufkamen, bei jeder Auffälligkeit in bestehenden Aufzeichnungen muss man also auch von lokalen Phänomenen ausgehen. Ausserdem können auch bei globalen Änderungen immer andere Ursachen in Frage kommen, z.B. Vulkanausbrüche (siehe: Der Ausbruch des Tambora im Jahre 1815). Zu guter Letzt ist die derzeit beobachtete Klimaerwärmung ein zu schneller und heftiger Prozess, um durch eine langfristige Redukation der solaren Aktivität gebremst zu werden. Selbst wenn die Sonne für die Kleine Eiszeit verantwortlich war, dauerte die damalige Aktivitätsänderung ca. 300 Jahre. Die Sonne funktioniert eben nicht wie ein Föhn, der sehr schnell sehr heiss wird, sondern eher wie eine Bodenheizung. Sie reagiert langsam und man kann sie nicht so stark aufdrehen, um Spiegeleier zu braten.
Fazit
Die kurze und nur fast sicherer Antwort auf deine Frage lautet: Nein, die Sonne kann dem globalen Klimawandel nicht entgegenwirken. Jedoch sind die Auswirkungen der Sonnenaktivitäten auf das Erdklima und auch die Aktivitäten selbst ein „lebhaftes“ Forschungsfeld, ein wissenschaftlicher Konsens ist zurzeit nicht überall gefunden. Keine Aussage über dieses Thema sollte als unumstössliches Faktum hingenommen werden. Da das Erdklima, auch und gerade auf lokaler Basis (in Grössenordnungen von Kontinenten bis Landstrichen) sehr fragil ist, wird es immer wieder zu kalten Wintern oder heissen Sommern kommen, verursacht durch veränderte Sonnenaktivität. Die globale Klimaerwärmung lässt sich aber wohl nur so aufhalten, wie sie entstanden ist: durch den Menschen.
Du siehst, es ist sehr schwer, hier eine klare Antwort zu geben. Auch muss ich zugeben, dass ich kein Experte auf dem Gebiet bin.
Ich hoffe, ich konnte dir trotzdem ein wenig helfen. Wenn noch Fragen offen sind, einfach noch mal nachbohren.
Mit freundlichen Grüssen
Syrus
PS: Die Wikipedia-Artikel über die Sonne, Sonnenflecken, Sonnenaktivität und Solar variation (auf Englisch) eigenen sich zur weiteren Lektüre zum Thema und als Startpunkt, um das Internet nach den diversen Erklärungsansätzen zu durchforsten.
PPS: Wenn du in der Nähe von Basel wohnst (oder nichts gegen eine kleine Reise in die Schweiz hast) und dich für den Klimawandel interessierst, kann ich dir die Ausstellung 2grad – Der Mensch und sein Klima empfehlen. (www.2grad.ch)