Kluger Puigdemont

Das Risiko einer „Besetzung“ aller Behörden, Ämter, Regierungsstellen durch die spanische Regierung war zu groß. Der Wahltag hat es bereits gezeigt, dass rigoros und brutal durchgegriffen wird. Eine Unabhängigkeitserklärung hätte höchstwahrscheinlich zu Gewalt in großem Ausmaß geführt.

Nun könnte die EU doch mal zeigen, ob sie als Mediator, neutral, bei einem inneren Konflikt in einem Mitgliedstaat tätig werden könnte. Die Chancen sind m.E. jedoch sehr gering. Bislang stand die EU eindeutig auf Regierungsseite. Eine neutrale Rolle mit der Aussicht auf eine Republik Katalonien wird sie sich wohl nicht leisten können, weil es die Spaltung Europas weiter voran treibt.

Wann wird sich Katalonien unabhängig erklären? Nach der geforderten Neuwahl, die nach den jüngsten Vorkommnissen eine Stärkung der Unabhängigkeitsbewegung zur Folge hat und haben wird?

Franz

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Gar nicht. Dafür müsste die spanische Verfassung geändert werden und selbst unabhängig von der Rechtslage fehlt dafür eine Mehrheit bei den Katalonen. Außerdem fehlt es am Nutzen, Einfach nur Groschen zählen und feststellen, dass die Region wirtschaftlich stärker als andere Regionen Spaniens ist, wäre zu kurz gesprungen. Es wird auf erweiterte Rechte der Selbstverwaltung hinaus laufen. Danach ist erstmal für Jahre Ruhe, bis wieder irgendein Zündler auftaucht.

In Belgien, auch in Frankreich und Italien sowie in England, vereinzelt auch noch in Nordirland, gibt es Leute, die für ihre Region einen eigenen Staat anstreben. Ideologen schöpfen aus solchen Bestrebungen ihre Daseinsberechtigung, ohne dass es einen erkennbaren Nutzen für die Bevölkerung gibt. Es wäre anders zu beurteilen, würden einzelne Regionen systematisch benachteiligt, womöglich unterdrückt und wollten sich vom Joch befreien. Aber das ist doch nirgends in der EU der Fall. Von daher können nur ideologische Wirrköpfe Ideen der Kleinstaaterei verfolgen.

Anders als in Nahost mit von früheren Kolonialmächten willkürlich ohne Rücksicht auf Ethnien mit dem Lineal gezogenen Grenzen, auch anders als im Vielvölkerstaat Russland, sind die Staaten der EU trotz aus unterschiedlichen Gründen im Laufe der Zeit erzwungener Umsiedlungen breiter Bevölkerungsschichten mindestens sprachlich weitgehend homogen, darüber hinaus auch politisch mindestens seit Generationen, von 40 Jahren deutscher Teilung und Wiedervereinigung einmal abgesehen. Auch hierzulande gab es vor Jahrzehnten Leute, die einen eigenen Staat Bayern anstrebten, evtl. auch zusammen mit Österreich. Offensichtlich ging es den Leuten zu gut oder sie hatten Langeweile, dass sie meinten, für derart entbehrlichen Mist Anhänger sammeln zu müssen.

Gruß
Wolfgang

Nur mal nebenbei: Was ist denn der „erkennbare Nutzen für die (rest)spanische Bevölkerung“ dabei, Katalonien nicht selbst bestimmen zu lassen, außer „einfach nur Groschen zählen“?
Da bin ich jetzt aber auf deine Antwort sehr gespannt? :wink:

Gruß
F.

Eine Vermittlung kann dann erfolgreich sein, wenn beide Seiten den Willen zur Annäherung zeigen. Davon ist derzeit wenig bis gar nichts erkennbar.

Es gibt kein (Völker)Recht, das es Katalonien erlauben würde, sich gegen den Willen Spaniens abzuspalten. Katalonien selbst hat dieser Verfassung zugestimmt. Ausschliesslich massive Unterdrückung würde ein Anrecht darauf begründen, dass sich ein eigenständiges Volk abspalten darf. Hiervon kann bzgl. Katalonien keine Rede sein. Im Gegenteil: Katalonien genießt bereits weitgehende Autonomierechte und wird bevorzugt behandelt.

Aber, es gibt die Möglichkeit sich im beiderseitigen Einvernehmen von einem Staat abzuspalten. Das geht natürlich nur über Verhandlungen, die von beiden Seiten ohne fundamentale Vorbedingungen aufgenommen werden. Hier könnte die EU durchaus vermittelnd tätig werden. Natürlich nur dann, wenn diese infantilen Deppen auf beiden Seiten aufhören, in Richtung Eskalation zu rennen.

Ein de-facto-separiertes Katalonien würde ohne Anerkennung durch die Nachbarn binnen kürzester Zeit zusammenbrechen. Kein Euro, keine EU, kein Freihandel, kein Grenzverkehr. Da ist ganz, ganz schnell Schicht im Schacht.

Gruß
vdmaster

Bei der Gelegenheit kannst Du mir noch kurz erläutern, auf welcher (völker)rechtl. Basis Russland dann die nationale Eigenständigkeit der Krim anerkannte, um sie sich im Schnelldurchgang „auf Antrag“ einzuverleiben.

Denn die vorangegangene Separation war ja ebenso völkerrechtlich unzulässig wie es die Kataloniens in Spanien wäre. Und irgendeine systematische Unterdrückung gab es auf der Krim ebensowenig. Im Gegenteil: Wie im Falle Katalonies hatte auch die Krim einen weitgehend autonomen Status und damit bereits eine Vorzugsbehandlung.

Gruß
vdmaster

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Weil gerade gefunden …

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Zum Ersten:

Die Verfassung kann bleiben, Katalonien tritt aus. Eine Verfassung ist kein Naturgesetz, welches unabänderlich für alle gilt.

Zum Zweiten:

Naja, darauf würde ich nicht wetten. Es gab und es wird sie geben, die Tendenz zur Veränderung und zu eigenem Tun.

Franz

Ja, die Regelungen der EU sind nicht sehr gut. Es sind Zwangsmaßnahmen, die beispielsweise durch das Vetorecht Spaniens auch einen eigenständigen Beitritt Kataloniens zur EU verhindert.

Du weißt ja mittlerweile, wie ich das denke:

Zunehmende Radikalisierung von unten. Weder die EU noch die spanische Regierung sind zu ernsthaften Gesprächen bereit. Sie betreiben Entdemokratisierung und verursachen diese Radikalisierung. Das geht einigermaßen gut, solange sich die Machtverhältnisse nicht weiter verschieben.

Die Zeit wird es zeigen. Da sind schon andere Großmächte untergegangen als dieses Halbkonstrukt EU.

Franz

Hallo,

die spanische Verfassung - die auch seinerzeit in Katalonien durch Volksabstimmung mit überwältigender Mehrheit angenommen wurde - sieht bewußt und gewollt kein irgendwie geartetes Sezessionsrecht vor. Das haben mittlerweile sogar die Basken kapiert.

Es gab seit dem Ende der Franco-Zeit nie auch nur annähernd eine Mehrheit in der katalanischen Bevölkerung für eine Unabhängigkeit - auch nicht bei den von der Regionalregierung seit 2006 alle paar Monate selbst in Auftrag gegebenen Umfragen. Noch im ersten Halbjahr 2017 lag die Zustimmung nur bei um die 40%.
Die derzeitige parlamentarische Mehrheit ist einem unfairen regionalem Wahlrecht geschuldet, das die Stimmen in den abgelegenen Pyrenäentälern der Provinz Lleida zT mit dem Faktor 2,5 ggü. dem Ballungsraum Barcelona bevorzugt.

Zwar tut in der Tat die PP und Rajoy alles dafür, die Katalanen zu brüskieren, aber auch die Unabhängigkeitsbefürworter in Katalonien sind nicht zimperlich dabei, Gegner der Unabhängigkeit mundtot zu machen. Wer sieht, wie zB Verwaltungen von Comarcas und Gemeinden nach zT knappen Abstimmungen massiv Propaganda für die Unabhängigkeit befördern und dafür öffentliche Ressourcen bereitstellen, der kann hier keinen demokratischen „Musterprozess“ zugunsten der Unabhängigkeit erkennen.

&Tschüß
Wolfgang

(der seit 14 Tagen Katalonien bereist)

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