Koloniebildene Einheiten abtöten

Hallo,

ich beschäftige mich gerade mit der Abwasserreinigung durch Ozonung. Wenn ich beispielsweise eine Konzentration von 0,4 mg/l Ozon habe und E.coli-Bakterien abtöten möchte, lese ich aus meiner Tabelle einen Wert von 0,02 mg*min/l ab und errechne mir so eine Mindestkontaktzeit von 0,02/0,4 = 0,05 Minuten.

Wenn ich alles richtig verstanden habe, kann ich die Keime und Bakterien in meinem Wasser abtöten/um 99% reduzieren, egal wie viele koloniebildende Einheiten ich habe. Kann das stimmen? Ich habe doch unterschiedlich stark belastete Wässer. Es müsste doch einen Unterschied machen, ob ich mit derselben Konzentration 10 oder 100 KbE töten möchte. Oder gibt es eine Möglichkeit die Einheit n/l bzw. KbE/l in mg/l umzurechnen? Ich kann ja schlecht das Gewicht einer Kolonie verwenden.

Beste Grüße
Franziska

Hallo Franziska,

hier ein paar Erläuterungen, die hoffentlich Klarheit bringen:

  1. Zum Begriff „KBE“: Ursprünglich sprach man in der Mikrobiologie von Gesamtzellzahl und Lebendzellzahl, um die Bakterienkonzentration in einer Probe anzugeben. Die Gesamtzellzahl umfasst lebende (= vermehrungsfähige) und tote (= nicht mehr vermehrungsfähige) Zellen und wird mikroskopisch ermittelt. Die Lebendzellzahl wurde durch Ausplattieren auf festen Nährböden ermittelt, wobei man vereinfachend davon ausging, dass jede teilungsfähige Zelle auf einem geeigneten Nährboden eine Kolonie bildet.

Da jedoch die Bakterienzellen in einer Probe nicht immer komplett vereinzelt vorliegen, sondern, gerade im Abwasserbereich, häufig auch in Form von Zellfäden und kleineren oder größeren Zellklumpen und man eben nicht weiß, ob eine Kolonie aus einer Einzelzelle oder aus einem Zellaggregat hervorgegangen ist, spricht man heute lieber von der Anzahl koloniebildener Einheiten (= KBE), angegeben z.B. in KBE/ml. In der Hygiene und Medizin wird statt dessen häufig noch der Begriff Keimzahl verwendet.

Man kann zwar vor dem Ausplattieren versuchen, Zellaggregate in Einzelzellen aufzutrennen; in der Praxis gelingt das aber meist nicht vollständig ohne die Zellen zu schädigen.

  1. Zur Abtötungskinetik von Bakterien unter Einwirkung von Hitze, Strahlung oder Bioziden: Man kann für bestimmte Temperaturen bzw. Biozidarten und -konzentrationen experimentell die sogenannten dezimalen Reduktionszeiten ermitteln, die angeben, nach welcher Einwirkungszeit die Anzahl der ursprünglich vorhandenen Zellen um 90% (also auf 10%) reduziert wird.

Beträgt die dezimale Reduktionszeit eines bestimmten Verfahrens 5 min und die ursprüngliche Bakterienkonzentration 1.000 KBE/ml, so sind nach einer Einwirkungszeit von 5 min noch 100 KBE/ml, nach 10 min noch 10 KBE/ml, nach 15 min noch 1 KBE/ml und nach 20 min weniger als 1 KBE/ml vorhanden. Liegt die ursprüngliche Bakterienkonzentration dagegen bei 100.000 KBE/ml, so sind bei dem gleichen Verfahren nach 5 min Einwirkungszeit noch 10.000 KBE/ml vorhanden. Um auf einen Wert von 1 KBE/ml zu kommen, müsste man das Mittel also 25 min einwirken lassen. Die erforderliche Einwirkungszeit eines bestimmten Verfahrens bzw. das Ergebnis nach einer bestimmten Einwirkungszeit hängt also sehrwohl von der ursprünglich in der Probe vorhandenen Bakterienkonzentration ab!

Die Dezimalen Reduktionszeiten hängen nicht nur von der betrachteten Bakterienart und der Art und Konzentration des jeweiligen Biozids ab, sondern in hohem Maße auch von verschiedenen sonstigen Rahmenbedingungen. So lassen sich Bakterien in Laborkulturen in der Regel schneller und leichter abtöten als solche, die in Biofilmen, Zellaggregaten oder Schleimhüllen vorliegen. Gerade bei oxidierend wirkenden Bioziden wie Ozon und Chlorgas muss man außerdem berücksichtigen, dass ein Teil des Oxidationsmittels mit sonstigen Probebestandteilen (Blut, Schleim, Eiweiß, Cellulose etc.) reagiert und damit zur Abtötung der in der Probe vorhandenen Mikroorganismen nicht mehr zur Verfügung steht.

Freundliche Grüße

Martin