Kombination von § 19 (1) UStG und § 4 Nr 21 a) bb) UStG zulässig?

Liebe Experten,

angenommen, eine freiberuflich tätige Nachhilfe- und Sprachlehrerin (mit entsprechender Ausbildung und Qualifikation) nutzt seit mehreren Jahren aufgrund entsprechend überschaubarer Umsätze die Kleinunternehmer-Regelung. Angenommen, sie ist im Jahr 2018 noch knapp unterhalb der Umsatzgrenze für die Kleinunternehmer-Regelung geblieben und muss damit rechnen, im Jahr 2019 erstmals über diese Grenze zu kommen.

Sie hätte in diesem Fall seit der Nutzung dieser Regelung in Quittungen und Rechnungen immer auf § 19 (1) UStG verwiesen. Die Kleinunternehmer-Regelung wäre in diesem Fall jedoch nicht seit Beginn ihrer Tätigkeit genutzt worden (weil aufgrund einer Existenzgründerförderung zunächst von höheren Umsätzen ausgegangen werden musste), sondern erst nach mehreren Jahren mit entsprechend geringen Umsätzen. Angenommen, davor hätte sie auf die Umsatzsteuerbefreiung gem. § 4 Nr 21 a) bb) UStG verwiesen, die ihr durch die Bezirksregierung für Teile ihrer Leistungen auf Widerruf gewährt wurde. Der Umsatz hätte in der gesamten Zeit nie über 17.500 Euro betragen.

Deshalb stellen sich folgende Fragen:

Dürfte angesichts der möglichen Überschreitung der Umsatzgrenze ab Januar für die durch die Bescheinigung gem. § 4 Nr 21 a) bb) UStG von der Umsatzsteuer befreiten Leistungen in Quittungen/Rechnungen einfach auf diesen Paragraphen verwiesen werden und für die Leistungen, die nicht unter diese Befreiung fallen, auf § 19 (1) UStG?

Oder kann die Bescheinigung gem. § 4 Nr 21 a) bb) UStG ungültig werden, wenn sie zwischenzeitlich nicht genutzt wurde, die Voraussetzungen, aufgrund derer sie erteilt wurde, jedoch gleich geblieben sind?

Im Voraus vielen Dank!

Servus,

auch hier hilft ein Blick ins Gesetz.

Erstmal § 14 Abs 4 Nr. 8 UStG: Auf eine Rechnung gehört u.a. „im Fall einer Steuerbefreiung einen Hinweis darauf, dass für die Lieferung oder sonstige Leistung eine Steuerbefreiung gilt“. D.h. wenn USt bei Kleinunternehmerbesteuerung gem. § 19 Abs 1 UStG nicht erhoben wird, muss da überhaupt kein Hinweis auf irgendwas drauf - der Umsatz ist in diesem Fall ja nicht unbedingt steuerfrei. Im vorliegenden Fall gab es wohl steuerfreie Umsätze, von daher war der Hinweis nicht irgendwie falsch.

So, und jetzt die Gegenprobe: Darf ein Kleinunternehmer gem. § 19 Abs 1 UStG nicht auf eine USt-Befreiung hinweisen?

Da steht erstmal in § 19 Abs 1 Satz 3 UStG: " In den Fällen des Satzes 1 finden die Vorschriften über die Steuerbefreiung innergemeinschaftlicher Lieferungen (§ 4 Nr. 1 Buchstabe b, § 6a), über den Verzicht auf Steuerbefreiungen (§ 9), über den gesonderten Ausweis der Steuer in einer Rechnung (§ 14 Abs. 4), über die Angabe der Umsatzsteuer-Identifikationsnummern in einer Rechnung (§ 14a Abs. 1, 3 und 7) und über den Vorsteuerabzug (§ 15) keine Anwendung." D.h. der Unternehmer muss nicht alles auf seine Rechnungen draufschreiben, was er gem . § 14 Abs 4 eigentlich draufschreiben müsste. Es ist hier aber nur explizit vom gesonderten Ausweis der Steuer die Rede, d.h. es ist egal, ob der Kleinunternehmer bei einem steuerfreien Umssatz in seiner Rechnung auf die Steuerbefreiung hinweist oder nicht. Nach dem Buchstaben von § 14 Abs 4 müßte er es sogar, aber es kommt nicht darauf an, weil seine Rechnungen den Empfänger nicht zum Vorsteuerabzug berechtigen.

Für die Vergangenheit also alles in bester Ordnung.

So, und jetzt kommt die Zukunft:

Ob die Umsatzgrenze „17.500 € im Vorjahr“ überschritten wurde oder nicht, ist seit dem 2. Januar bekannt. Es gibt also für diese der zwei Umsatzgrenzen gem. § 19 Abs 1 UStG keine „mögliche“ Überschreitung, sondern sie ist überschritten oder eben nicht.

Wenn sie überschritten ist, darf nicht auf 19 (1) UStG verwiesen werden, weil er nicht angewendet werden darf. Wenn sie nicht überschritten ist, braucht nicht auf 19 (1) UStG verwiesen werden, weil es sich dabei um keine USt-Befreiung handelt.

Es wird also, wenn die Grenze überschritten ist, schlicht bei steuerbefreiten Umsätzen auf die Steuerbefreiung hingewiesen wie das Gesetz es befiehlt, und bei den übrigen Umsätzen wird ganz brav USt ausgewiesen und auf nichts weiter hingewiesen.

Wie lange die Bescheinigung gem. 4 Nr. 21 a) bb) UStG gilt, steht auf dieser Bescheinigung drauf. Wenn nichts draufsteht, ist sie solange gültig, wie sich die maßgeblichen Verhältnisse nicht ändern. Vermutlich wird sie aber bei genauer Betrachtung nur für jeweils ein Kalenderjahr ausgestellt sein, nimm sie mal zur Hand und lies Wort für Wort, was auf dem Zettel steht.

Schöne Grüße

MM

Hallo MM,

vielen herzlichen Dank für deine umfassende und hilfreiche Antwort!

Im Jahr 2018 wurde in diesem Fall die Umsatzgrenze von 17.500 Euro ebenfalls nicht überschritten.

Die Bescheinigung der Bezirksregierung bzgl. der Befreiung wurde gemäß des Schreibens aus dem Jahr 2007 „auf Widerruf (z.B. wegen Wegfalls der Erteilungsvoraussetzungen, unrichtigen Angaben oder unvollständigen Angaben)“ erteilt. Das bedeutet nach meinem Verständnis, dass es keinerlei zeitliche Begrenzung gibt. Die Erteilungsvoraussetzungen sind ja in diesem Fall die ganze Zeit über unverändert geblieben.

Verstehe ich es richtig, dass bei Quittungen und Rechnungen der Paragraph 19 (1) UStG zwar nicht angegeben werden muss, aber dass es okay ist, das bei den entsprechenden Leistungen allein schon aufgrund des fehlenden MwSt-Ausweises zu tun? Ansonsten käme es bei manchen Kunden sicher zu Rückfragen.

Etwas konkreter: Angenommen, die Befreiung der Bezirksregierung gilt für Nachhilfe in der Sekundarstufe I. Dann muss in den Quittungen für diese Stunden ja auf diese Befreiung hingewiesen werden, richtig?

Wird nun Unterricht für Schüler der Sekundarstufe II erteilt, müsste auf der Quittung gem. Kleinunternehmerregelung auf Paragraph 19 (1) verwiesen werden bzw zumindest keine Umsatzsteuer ausgewiesen werden, weil die Kleinunternehmerregelung aufgrund der Umsätze von weniger als 17.500 Euro im Vorjahr ja weiterhin gilt und auch beibehalten werden soll. Ist das soweit korrekt?

Es ist klar, dass die steuerbefreiten Umsätze in die Umsätze nach Paragraph 19 (1) UStG nicht eingerechnet werden. Somit könnte man dann aber theoretisch in der Gesamtsumme der Einnahmen diese Grenze überschreiten und würde trotzdem keine Umsatzsteuer zahlen, weil hier eben zwei verschiedene Aspekte des UStG zur Anwendung kommen, die sich in diesem Fall ergänzen, richtig?

Nochmals vielen herzlichen Dank!

Viele Grüße
Just Wondering

Servus,

ist aber nicht so.

Nur manche steuerbefreiten Umsätze werden da nicht berücksichtigt. $ 4 Nrn, 11 - 28 UStG gehören zu denen, die nicht berücksichtigt werden, insofern ist das im vorliegenden Fall in Ordnung.

Sieht so aus, ja.

Ja. Es steht dem Kleinunternehmer frei, den Leuten zu erklären, warum er keine USt ausweist.

Ja, besser ist das.

Korrekt. Es genügt, hier keine USt auszuweisen.

Ja, weil der in § 19 Abs 1 Satz 2 UStG bezeichnete Gesamtumsatz (der kommt nur in diesem Zusammenhang überhaupt vor) nicht überschritten ist. Die Höhe der Einnahmen spielt hier keine Rolle.

Schöne Grüße

MM

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Vielen herzlichen Dank! Jetzt bin ich beruhigt! :blush:

  • ach, noch eines, wenn wir grade dabei sind:

Während bei Kleinunternehmern, deren Erlöse insgesamt keine der Umsatzgrenzen gem. § 19 Abs 1 UStG überschreiten, an vielen Finanzämtern keiner was sagt, wenn sie keine USt-Erklärung abgeben, obwohl sie das eigentlich müßten, ist es in so einem Fall wie dem vorliegenden ganz wichtig, dass man eine USt-Erklärung vorlegt, in der in den Zeilen 33 und 34 die Gesamtumsätze gem. § 19 Abs 3 UStG (also ohne bestimmte steuerfreie Umsätze) im laufenden Jahr und im Vorjahr eingetragen sind, und in Zeile 74 die steuerfreien Umsätze. Auf diese Weise wird es unmittelbar einleuchtend, warum die Kleinunternehmerbesteuerung in Anspruch genommen wird, obwohl die Betriebseinnahmen in der Überschussrechnung doch viel höher sind. Zusammen mit der richtig ausgefüllten USt-Erklärung läuft die Geschichte dann ohne Holpern durch die maschinelle Plausibilitätsprüfung, es gibt keine lästigen Rückfragen und alle sind glücklich.

Schöne Grüße

MM

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Vielen herzlichen Dank für deine Ergänzung! Ich werde das bei der nächsten Steuererklärung auf jeden Fall berücksichtigen.

Nochmals danke für deine fundierten und umfassenden Auskünfte! Du hast mir damit sehr geholfen.

Liebe Grüße
Just Wondering